In luftiger Höh’ mit Hannes Reichelt

Tiefblick: Wer hoch hinaus will, muss sich tief bücken – Hannes Reichelt bei der obligatorischen Kontrolle der Tragflächen an der 250 km/h schnellen.
Der Vizeweltmeister lud den KURIER zur Streckenbesichtigung für das WM-Heimspiel in Schladming.
In luftiger Höh’ mit Hannes Reichelt

Wind aus Nordwest. Böiger Wind aus Nordwest, um genau zu sein. Üblere Bedingungen kann es in Niederöblarn nicht geben. Zumindest nicht für Piloten, die vom Flugfeld der 600-Seelen-Gemeinde abheben wollen. "Es könnt’ a bissl turbulent wer’n", sagt Hannes Reichelt und setzt den Rundgang um das viersitzige Flugzeug fort. Die Tragflächen werden abgetastet, die Räder begutachtet, der Treibstoff-Stand überprüft, jede Klappe und jedes Licht kontrolliert.

Hannes Reichelt, 32 und eigentlich Skirennläufer, ist konzentriert. Als stünde er im Starthaus auf der Planai, als ginge es gleich um die Medaillen im WM-Super-G des kommenden Jahres. Eine Silbermedaille hat der Radstädter am Mittwoch, 6. Februar, in Schladming zu verteidigen. Ein guter Grund, sich das Ganze einmal aus der Luft anzuschauen, mit dem KURIER im Cockpit der DA40, die in Wiener Neustadt zusammengebaut worden ist.

Spaß nach Vorschrift

In luftiger Höh’ mit Hannes Reichelt

Doch vor das Vergnügen haben auch die Erfinder der modernen Fliegerei die Arbeit gesetzt. Also Checkliste zur Hand, und Punkt für Punkt kontrollieren, Knöpfe drücken, Schalter umlegen, Anzeigen prüfen. Reichelts Miene ist ernst, etwaige Sorge unbegründet, alles ist in Ordnung.

"Der Wind ist nicht gefährlich, aber wichtig ist, dass du kein Risiko eingehst." Das heißt an diesem Dienstag: Eine Runde mit Vater Johann, dann je eine mit dem KURIER. Eine Viererpartie wäre zu schwer bei diesem blöden Nordwestwind.

Schließlich wird der Zündschlüssel (ja, den gibt’s nicht nur im Auto!) gedreht, der Motor macht, was er machen soll, und brummt. Reichelt spricht mit dem Tower, der eigentlich ein gelber VW-Bus am Rande des Flugplatzes ist. "Delta-Echo-November-Oscar-Echo fertig zum Start", ein Blick auf die Instrumente – und dann kommt die Freigabe.

Das Sportflugzeug beschleunigt auf 120 km/h, Reichelt zieht die kleine Maschine hoch, der Seitenwind rüttelt, das bisserl Segel- und Achterbahn-Erfahrung der Mitflieger macht sich bezahlt. "Gleich wird’s besser."

Frohnatur

In luftiger Höh’ mit Hannes Reichelt

Im Sommer 2010 hat der Salzburger begonnen, sich seinen Bubentraum vom Fliegen zu erfüllen. "Das war eine Kooperation mit einer Flugschule, leider ist sie bald pleitegegangen, aber das war nicht wegen mir", erzählt Reichelt und grinst sein verschmitztes Grinsen. Er wechselte die Schule, und seit Dezember 2010 hat er nun die Fluglizenz.

"Zeitlich ist es halt schwierig neben dem Skifahren, aber was ich machen kann, mach’ ich." Als Nächstes will er den Instrumentenflug lernen, "das wär’ auch wichtig für später." Später, wenn er die Skier ins Eck stellt, dann würde Hannes Reichelt gern Berufspilot werden. Leicht wird das nicht, "ich bin dann ja schon Mitte, Ende 30."

Der Plan B? "Ich hab’ die Matura, ein Studium würde mich auch interessieren, Wirtschaft zum Beispiel, das ist ja das Schöne: Ich hab’ den finanziellen Background, um drei Jahre richtig studieren zu können. Oder es überkommt mich, und ich will Trainer werden." Die Pilotenausbildung hat aber erst einmal Priorität für Hannes Reichelt, den Flieger.

Für Hannes Reichelt, den Skifahrer, haben drei Dinge Priorität: Erstens das Trainingslager in Südamerika, zu dem er am Donnerstag abgereist ist. Erst 14 Tage mit den Abfahrern in Portillo, dann 14 Tage mit der Riesenslalom-Gruppe in Ushuaia.

Zweitens das Gewöhnen ans neue Material, das Finden eines Set-ups für die längeren Riesenslalom-Skier ("die sind komplett träge, da kannst du nimmer die engen Radien fahren wie früher").

Und drittens, dass diese lästige Außenohrentzündung verschwindet. "Zum Glück ist es nicht das Mittelohr", sagt Reichelt. Sonst wäre der Flug um die halbe Welt irgendwo zwischen Qual und unmöglich gewesen.

Vorfreude

In luftiger Höh’ mit Hannes Reichelt

Inzwischen ist die Planai erreicht, Hannes Reichelt zieht eine Linkskurve über das Schladminger Westend. "Ich freu’ mich auf die WM", knarzt es aus dem Kopfhörer, "der Berg liegt mir." Reichelt lächelt das Lächeln des Wissenden. Beim Weltcup-Finale im März war er Dritter in der Abfahrt, Fünfter im Super-G und Zweiter im Riesenslalom.

"Jetzt bin ich oben", sagt Reichelt und blickt hinab auf Schladming. Wieder und wieder war er durch Verletzungen zurückgeworfen worden, das ist endlich Geschichte. "Dass ich oben bin, merk’ ich auch daran, dass auf einmal so viele etwas von mir wollen. Also hab’ ich wohl was richtig gemacht."

Auch die Flüge an diesem Nachmittag hat Hannes Reichelt richtig gemacht. Sanft setzt er die DA40 auf die Piste des Club Niederöblarn, der eine der größten Flugschulen des Landes beherbergt.

Dann ein Anruf: Der Spaß ist vorbei, die Pflicht ruft. Daheim in Radstadt warten die Dopingkontrollore.

Hannes Reichelt: Der Hartnäckige

Hannes Reichelt wurde am 5. Juli 1980 in Altenmarkt (Pongau) geboren. Der 32-Jährige ist 1,84 Meter groß und wiegt 84 Kilo. Von der Radstadter Hauptschule wechselte er zur Skihandelsschule Schladming, die er nach dem HAK-Aufbaulehrgang mit der Matura beendete. Am 7. Dezember 2001 gab Reichelt sein Weltcupdebüt (Super-G Val d’Isère/Disqualifikation), am 20. Dezember 2002 bestritt er sein zweites Rennen beim Super-G in Gröden und wurde Zweiter. Verletzungen waren ein steter Begleiter: Schlüsselbeinbruch 2003, Kreuzbandriss im März 2005 – und dennoch feierte er am 1. Dezember 2005 im Super-G von Beaver Creek den ersten Sieg. Bislang sind es fünf erste und insgesamt 19 Podestplätze geworden, dazu kommt der Sieg im Super-G-Weltcup 2008/’09. Hannes Reichelt ist amtierender Vizeweltmeister im Super-G und lebt mit Freundin Larissa in Radstadt und Innsbruck.

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