Hirscher feiert ersten Saisonsieg

Marcel Hirscher gewinnt zum ersten Mal in dieser Weltcup-Saison.
Der 23-Jährige gewinnt den Val d’Isère-Riesentorlauf. Zweiter wird sensationell der Deutsche Luitz.

Am Ende eines turbulenten Wochenendes in Val d’Isère schien endlich die Sonne. Eineinhalb Meter Neuschnee innerhalb von vier Tagen hatten für nervenaufreibende Anreisen (14 Stunden waren es bei Marcel Hirscher), für jede Menge Arbeit der 800-köpfigen Helferschar und schließlich doch noch für ein Winter­sportfest gesorgt.

In der Hauptrolle standen zwei Jungstars: Alexis Pinturault, 21, und Marcel Hirscher, 23. Ersterer feierte am Samstag seinen zweiten Weltcupsieg nach jenem beim City-Event in Moskau im Februar, Letzterer setzte seine Serie mit Stockerlplätzen in bislang jedem Technik-Rennen der noch jungen Saison fort. Nach Platz drei im Slalom am Samstag holte der Salzburger seinen 13. Weltcupsieg im sonntägigen Riesentorlauf und kam dem im Gesamtweltcup führenden Norweger Aksel Lund Svindal auf 60 Punkte nahe.

Damit war auch die österreichische Herren-Mannschaft von einer Last befreit – Hirschers Erfolg war ja der erste in diesem Alpin-Winter; und der Riesentorlauf an der steilen Face de la Bellevarde brachte zugleich den Beweis, dass Wunderwuzzi Ted Ligety eben doch nicht so unschlagbar ist, wie es zuletzt den Anschein hatte.

Ski-Show

Pinturault und Hirscher lieferten den Tausenden Fans zwei Tage lang eine begeisternde Show: Mit Laufbestzeit im finalen Durchgang gewann der Lokalmatador aus Courchevel am Samstag den Slalom und bestätigte damit Ted Ligetys Einschätzung, „eines der größten Talente im alpinen Skirennlauf“ zu sein. Die kommt freilich nicht ganz von ungefähr, ziert den Kopf des Sohnes eines französischen Hotelbesitzers und einer Norwegerin doch ein Helm von Ligetys Firma.

Dennoch: Nach einem Bänderriss im linken Knöchel, erlitten im Juli beim Tennisspielen, musste Pinturault drei Monate lang pausieren und verpasste große Teile der Vorbereitung. Umso höher ist dieser Erfolg einzuschätzen. Netter Nebeneffekt: „Jetzt fragt mich endlich keiner mehr nach meinem Knöchel.“ Fragen wir also nach seiner Strategie. „Wir hatten ursprünglich vor, so viele Rennen in so vielen Disziplinen wie möglich zu fahren“, sagte Pinturault. Dann kam die Verletzung, „dass es so schnell wieder bergauf gegangen ist, ist toll, aber wir müssen vorsichtig bleiben.“

Was ein „Vorsichtig“ Pinturault’scher Lesart bedeutet, das zeigte er im Riesenslalom am Sonntag: Knapp hinter Marcel Hirscher und weit vor dem Rest der Riesenslalom-Welt lag der begeisterte Tiefschneefahrer bei Halbzeit, und er hätte vielleicht einen Doppelsieg gefeiert, wenn, ja wenn er nicht am drittletzten Tor am Schuh weggerutscht wäre – nach einer Carving-Einlage blieb nur der 28. Platz. Damit war der Weg frei für Marcel Hirscher, der mit einer intelligenten Fahrt zum dritten Sieg in Val d’Isère düste.

Wohldosiert

„Ich hab’ am Start gewusst, dass Alexis ausgeschieden ist, und es ist halt ein Unterschied, ob du nur ein paar Hundertstel oder zwei Sekunden Vorsprung hast. Wäre die Situation anders gewesen, hätte ich mehr Risiko nehmen müssen“, sagte Hirscher. Die sieglosen ersten acht Rennen des Winters seien nicht angenehm gewesen, „da kamen dann bei Interviews von manchen schon die Fragen mit wieder nur Zweiter. Wenn einmal ein zweiter Platz nicht mehr passt, dann müssen sie halt selber fahren.“

Und Ted Ligety? Ihm blieb der dritte Platz hinter Stefan Luitz. Doch auch andere brachten Jugendstil in die Ergebnisliste, so Marcel Mathis, der an Heiligabend 21 Jahre jung wird und als Achter zweitbester Österreicher war, direkt vor Christoph Nösig, der seine bislang beste Platzierung holte (er ist aber schon 27).

Neben Hirscher und Pinturault machte Marcel Hirscher aber noch andere Sieger aus: „Ich hab’ einen riesigen Respekt vor den Leuten hier, wie die zusammenstehen und was die für uns leisten. Denn normalerweise glaubt man nicht, dass nach eineinhalb Metern Neuschnee überhaupt ein Rennen gefahren werden kann.“

Stefan Sigwarth berichtet aus Val d'Isere.

Endstand:
1. Marcel Hirscher AUT 1:54,10
2. Stefan Luitz GER 1:55,26
3. Ted Ligety USA 1:55,52
4. Felix Neureuther GER 1:55,69
5. Massimiliano Blardone ITA 1:55,79
6. Aksel Lund Svindal NOR 1:56,06
7. Thomas Fanara FRA 1:56,19
8. Marcel Mathis AUT 1:56,35
9. Christoph Nösig AUT 1:56,38
10. Roberto Nani ITA 1:56,47
11. Steve Missillier FRA 1:56,48
12. Marcus Sandell FIN 1:56,52
13. Manfred Mölgg ITA 1:56,53
14. Ivica Kostelic CRO 1:56,57
15. Kjetil Jansrud NOR 1:56,58
16. Truls Ove Karlsen NOR 1:56,60
17. Philipp Schörghofer AUT 1:56,69
18. Mathieu Faivre FRA 1:56,90
19. Leif Kristian Haugen NOR 1:56,91
20. Florian Eisath ITA 1:56,92
21. Cyprien Richard FRA 1:56,97
22. Didier Defago SUI 1:57,03
23. Hannes Reichelt AUT 1:57,20
24. Thomas Mermillod Blondin FRA 1:57,25
25. Romed Baumann AUT 1:57,32
. Benjamin Raich AUT 1:57,32
27. Matts Olsson SWE 1:57,77
28. Alexis Pinturault FRA 1:59,76
29. Victor Muffat Jeandet FRA 2:01,12
Out:
. Janez Jazbec SLO

 

1. Lauf:
1. Marcel Hirscher AUT 56,69
2. Alexis Pinturault FRA 56,74
3. Philipp Schörghofer AUT 58,07
4. Benjamin Raich AUT 58,36
5. Felix Neureuther GER 58,40
6. Ted Ligety USA 58,41
7. Leif Kristian Haugen NOR 58,42
8. Massimiliano Blardone ITA 58,45
9. Ivica Kostelic CRO 58,55
10. Didier Defago SUI 58,56
11. Aksel Lund Svindal NOR 58,59
12. Christoph Nösig AUT 58,76
13. Kjetil Jansrud NOR 58,78
. Thomas Fanara FRA 58,78
15. Hannes Reichelt AUT 58,86
16. Romed Baumann AUT 58,98
17. Marcel Mathis AUT 59,01
18. Victor Muffat Jeandet FRA 59,03
19. Cyprien Richard FRA 59,04
20. Manfred Mölgg ITA 59,05
21. Truls Ove Karlsen NOR 59,10
22. Janez Jazbec SLO 59,16
23. Marcus Sandell FIN 59,22
24. Steve Missillier FRA 59,27
25. Stefan Luitz GER 59,44
26. Matts Olsson SWE 59,46
27. Florian Eisath ITA 59,57
28. Thomas Mermillod Blondin FRA 59,69
29. Roberto Nani ITA 59,74
30. Mathieu Faivre FRA 59,94
Weiters:
52. Stephan Görgl AUT 1:02,47
Ausgeschieden u. a.:
. Fritz Dopfer GER  
. Andre Myhrer SWE

 

2. Lauf:
1. Stefan Luitz GER 55,82
2. Roberto Nani ITA 56,73
3. Mathieu Faivre FRA 56,96
4. Ted Ligety USA 57,11
5. Steve Missilier FRA 57,21
6. Felix Neureuther GER 57,29
7. Marcus Sandell SWE 57,30
8. Marcel Mathis AUT 57,34
. Massimiliano Blardone ITA 57,34
10. Florian Eisath ITA 57,35
11. Marcel Hirscher AUT 57,41
13. Aksel Lund Svindal NOR 57,47
17. Christoph Nösig AUT 57,62
22. Hannes Reichelt AUT 58,34
. Romed Baumann AUT 58,34
26. Philipp Schörghofer AUT 58,62
27. Benjamin Raich AUT 58,96

Riesentorlauf-WertungGesamtweltcup

Wie wichtig ist der erste Saisonsieg, der zugleich auch der erste Erfolg des österreichischen Herren-Skiteams ist?Marcel Hirscher: "Der erste Sieg ist sehr wichtig für das ganze Team. Es wäre generell wichtig, wenn man mehr Unterstützung bekäme und mehr die Athleten in Schutz nehmen würde und nicht mit dem Hammer draufhaut. Ich habe auch schon einige Berichte gelesen und Interviewfragen waren entsprechend, dass ich bisher nur Zweiter geworden bin. Wenn ich Zweiter werde und das auch schon nicht mehr passt, dann fahrt halt selber."

Sie waren in den ersten beiden Saison-Riesentorläufen auf dem Podest, allerdings hatte Sieger Ted Ligety jeweils große Vorsprünge. Was bedeutet es, den Spieß umgedreht zu haben?"Ich bin erleichtert. Es ist schon natürlich nicht einfach, wenn ein Ted Ligety einen so deklassiert. Aber ich habe in der vergangenen Saison die Riesentorlauf-Kugel gewonnen und wollte unbedingt da weitermachen, wo ich aufgehört habe. Doch es hat ja (in Sölden und Beaver Creek/Anm.) fast schon so wie in einer anderen Sportart ausgeschaut. Schön, wenn man alles dafür gibt und dann vor dem Mister Riesentorlauf sein kann. Das ist aber harte Arbeit gewesen."

Sie lassen Gröden aus und bestreiten als nächstes den Riesentorlauf am 16. Dezember in Alta Badia. Was machen Sie bis dahin?"Ich fahre heim und freue mich auf zwei, drei lockere Tage. Und Fitnesstraining muss ich unbedingt wieder einmal irgendwo einbauen, weil nur Skifahren ist auch zu wenig. Und dann brauche ich unbedingt noch drei, vier Ski-Trainingstage. Und dann geht es eh schon weiter nach Alta Badia."

Regelfragen Mehr als 30 Meter Torabstand im Riesenslalom sind zu viel. Darum gab es nach dem rasend schnellen Riesenslalom von Beaver Creek auch Diskussionen um die Kurssetzung. 21 Meter sind freilich auch nicht jedermanns Bier, und so fluchten etliche Riesenslalom-Starter, die eher in den schnellen Disziplinen zuhause sind, an diesem sonnigen Sonntag.„Das war ein Super-Slalom“, sagte Ted Ligety, „und die neuen Skier haben nicht wirklich geholfen.“ Felix Neureuther riet seinen Kollegen, den Bewerb wie einen Slalom anzugehen, Hannes Reichelt bekannte, es sei für ihn schwierig gewesen, schnelle Richtungsänderungen zu fahren. Und Marcel Hirscher? Der sagte: „Beaver Creek war das eine Extrem, heute war’s das andere – der Mittelweg wäre ideal. Aber das sind halt persönliche Interessen.“ Und lächelte.

Und dann kommt doch tatsächlich da so ein 20-jähriger Allgäuer daher und fährt vom 25. auf den zweiten Platz. Sonderbar? Nein, ein Sonderdorfer. Stefan Luitz, Sportsoldat und seit seinem dritten Lebensjahr auf Skiern unterwegs, zeigte im finalen Durchgang des Riesenslaloms eine Sonderleistung und ließ niemanden geringeren als Mr. Riesentorlauf Ted Ligety hinter sich. Mehr als eine Sekunde legte Luitz zwischen sich und den Zweitbesten im zweiten Lauf, den Italiener Roberto Nani, und sorgte so für den zweiten Lichtblick im von Verletzungen gebeutelten deutschen Team nach Felix Neureuthers zweitem Platz am Samstag.

Eine Überraschung? Ja. Und nein: „Wir haben nicht zuletzt wegen der Materialumstellung in der Vorbereitung viel Riesenslalom trainiert“, sagte Luitz, „und mit Fritz Dopfer und Felix Neureuther (gestern Vierter, Anm.) sind wir jetzt ein gutes Team.“ Dass er so einen „unfassbaren Tag“ erleben konnte, ist dem begeisterten Mountainbiker übrigens in die Wiege gelegt worden: Der Skilift steht 100 Meter von der Haustür entfernt, Mutter Petra ist Skilehrerin, Vater Ludwig ist Servicemann – und der Herr Papa bildete am Sonntag vor Ort auch den kleinen Fanklub des Sohnes. Schon 2010 hat Luitz junior Silber im Junioren-WM-Riesenslalom gewonnen, hinter dem Franzosen Mathieu Faivre. Alexis Pinturault war damals übrigens auf Platz 41 notiert.

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