Ganong gewinnt Sturzorgie in Garmisch, Reichelt 4.

Stürze prägten die Herren-Abfahrt auf der anspruchsvollen Kandahar-Piste.

Es ist nie ein gutes Zeichen, wenn Abfahrer im Ziel stehen und sich plötzlich umdrehen. Nur nicht mitansehen müssen, was den Kollegen passiert, die gerade noch auf der großen Videoleinwand verfolgt wurden. An diesem Freitag wurden viele Köpfe gedreht, mehrfach, mit schlechtem Grund: Die Kandahar-Piste von Garmisch-Partenkirchen zeigte ihre Krallen, und die waren nach einem Temperatursprung von 20 Grad binnen vier Stunden (von minus neun auf plus elf) messerscharf.

Als ersten erwischte es Steven Nyman, der den Kramer-Sprung mit zu viel Rücklage anging, dem Druck nach extrem weitem Flug nicht standhalten konnte und ins Fangnetz krachte. Per Hubschrauber wurde er abtransportiert, er trug Knochenprellungen im Knie davon.

Der Norweger Aleksander Aamodt Kilde räumte ein Tor ab, der Co-Favorit kam mit geschwollener rechter Hand und einem mächtigen Bluterguss an der rechten Oberschenkelinnenseite davon.

Der Kanadier Erik Guay verlor in der Anfahrt zum Sprung die Kontrolle über die Skier, woraufhin er wild durch die Luft segelte, jedoch irgendwie wieder auf den Skiern landete, ehe er per Notsturz abbremste.

Der Franzose Guillermo Fayed erlitt Meniskus- und/ oder Bänderverletzungen im Knie – und dann kam sein Landsmann Valentin Giraud Moine, der den letzten Grund zum Wegdrehen lieferte. Vier Tage nach seinem 25. Geburtstag raste der Zweite der Abfahrt von Kitzbühel durch eine Linkskurve samt Kompression und krachte ins Netz. Er erlitt Luxationen beider Knie und zusätzlich Bänderverletzungen. Noch auf der Piste wurde er betäubt.

Ursachenforschung

Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände, die zu dieser Sturzserie führte. "Die Verhältnisse haben sich seit dem Training am Donnerstag doch sehr geändert", erklärte Matthias Mayer, der Achter wurde. "Die Piste für den Riesenslalom am Sonntag wurde mit dem Sprühbalken vereist, die Abfahrt führt mehrfach über genau diese Abschnitte, und da ist es richtig eisig – aber der Untergrund ist nicht überall gleich. Außerdem ist die Piste schneller geworden, und die Sprünge gehen weiter."

Dazu kam: Der Warmlufteinbruch wirkte sich nicht überall gleich aus. "Im Ziel und am Start ist es richtig warm, aber zwischendurch gibt es einen Abschnitt, in dem es noch richtig kalt ist. Wenn wir jetzt den dritten warmen Tag hätten, wäre der Schnee wohl überall gleich."

Und einen letzten Punkt spracht der Olympiasieger in der Abfahrt von 2014 auch noch an: "Die WM steht vor der Tür, und da probiert jeder, noch hinzukommen."

Er selbst hat seine Chancen jedenfalls deutlich verbessert, ebenso Romed Baumann, der Siebenter wurde. Und hätte Hannes Reichelt mit der ungeliebten Startnummer eins nicht gleich am Anfang noch einen kapitalen Fehler wie schon in Kitzbühel gebaut, er wäre wohl nicht auf Platz vier gelandet.

Ganong gewinnt Sturzorgie in Garmisch, Reichelt 4.
Alpine Skiing - FIS Alpine Skiing World Cup - Men's Downhill - Garmisch-Partenkirchen, Germany - 27/01/17 - Travis Ganong of the U.S. reacts. REUTERS/Michaela Rehle
Den Sieg holte sich Travis Ganong aus den USA, der unmittelbar nach dem Sturz seines Kollegen Steven Nyman gestartet war und vor den Augen seiner kanadischen Partnerin Marie-Michèle Gagnon Nervenstärke bewies. Er ist der erste US-Sieger der Kandahar-Abfahrt, aber keine Sensation: 2015 raste er in der WM-Abfahrt zu Silber. Auf den Plätzen: Kjetil Jansrud und Peter Fill. "Den Kramer-Sprung müssen sie noch einmal abgraben, der war über dem Limit", sagte Jansrud mit Blick auf die zweite Abfahrt am Samstag (12 Uhr). "Dann sollte es passen." Und die Wegschauer wieder hinschauen können.

Endstand der Weltcup-Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen:

1.

Travis Ganong (USA)

1:53,71

Min.

2.

Kjetil Jansrud (NOR)

1:54,09

+0,38

3.

Peter Fill (ITA)

1:54,23

+0,52

4.

Hannes Reichelt (AUT)

1:54,30

+0,59

5.

Beat Feuz (SUI)

1:54,37

+0,66

6.

Manuel Osborne-Paradis (CAN)

1:54,58

+0,87

7.

Romed Baumann (AUT)

1:54,60

+0,89

8.

Matthias Mayer (AUT)

1:54,69

+0,98

9.

Carlo Janka (SUI)

1:54,76

+1,05

10.

Dominik Paris (ITA)

1:54,92

+1,21

11.

Patrick Küng (SUI)

1:55,01

+1,30

12.

Jared Goldberg (USA)

1:55,09

+1,38

13.

Vincent Kriechmayr (AUT)

1:55,15

+1,44

14.

Andreas Sander (GER)

1:55,23

+1,52

15.

Thomas Biesemeyer (USA)

1:55,71

+2,00

16.

Maxence Muzaton (FRA)

1:55,75

+2,04

17.

Mauro Caviezel (SUI)

1:56,01

+2,30

18.

Blaise Giezendanner (FRA)

1:56,06

+2,35

19.

Niels Hintermann (SUI)

1:56,09

+2,38

20.

Josef Ferstl (GER)

1:56,15

+2,44

21.

Bryce Bennett (USA)

1:56,17

+2,46

22.

Johan Clarey (FRA)

1:56,27

+2,56

23.

Max Franz (AUT)

1:56,31

+2,60

24.

Adrien Theaux (FRA)

1:56,38

+2,67

25.

Urs Kryenbühl (SUI)

1:56,39

+2,68

26.

Andrew Weibrecht (USA)

1:56,43

+2,72

27.

Christian Walder (AUT)

1:56,47

+2,76

28.

Nils Mani (SUI)

1:56,69

+2,98

29.

Klaus Kröll (AUT)

1:56,83

+3,12

30.

Klemen Kosi (SLO)

1:56,88

+3,17

Weiter:

33.

Otmar Striedinger (AUT)

1:57,17

+3,46

38.

Frederic Berthold (AUT)

1:57,94

+4,23

Ausgeschieden u.a.: David Poisson (FRA), Aleksander Aamodt Kilde (NOR), Valentin Giraud Moine (FRA), Erik Guay (CAN), Steven Nyman (USA), Guillermo Fayed (FRA), Bostjan Kline (SLO)

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