Nur zwei Siege in fünf Spielen, Rang elf – der Saisonstart der Vienna Capitals kann als misslungen bezeichnet werden. Gegen Villach wird am Freitag Rafael Rotter sein Saisondebüt geben. Der 35-Jährige hatte die Capitals 2021 nach 13 Saisonen Richtung Linz verlassen und kehrte im Sommer zurück. Nach einer Sperre darf er in der sechsten Saisonpartie endlich mitwirken. Davor gab der Wiener Publikumsliebling Auskunft über seine Rückkehr nach Wien, seine liebste Freizeitbeschäftigung und seine „einzige Droge“.
KURIER: Gab es eine Aussprache vor Ihrer Rückkehr? Der Abgang aus Wien im Jahr davor war ja nicht ganz reibungslos.
Raffael Rotter: Es wurde vieles falsch verstanden. Meine Intention war nie, dem Verein zu schaden. Ich habe Herrn Präsident Schmid ein eMail geschickt. Ich bin ihm dankbar, dass ich hier spielen kann und er sich so für das Eishockey einsetzt. Ohne ihn würde hier nicht gespielt. So ehrlich muss man sein.
Sie haben mit Dave Barr Ihren ehemaligen Trainer aus der Ontario Hockey League bei Guelph Storm. Damals waren Sie 18 Jahre alt. Sind Sie noch der Spieler, den er damals kannte?
Ich habe ein junges Herz in einem älteren Körper. Das weiß auch der Coach. Ich habe nichts von meinem Humor oder meiner Liebe zum Sport verloren. Ich habe immer noch einen riesigen Antrieb. Wenn ich in die Halle komme, bin ich immer happy. In manchen Situationen bin ich sicher nicht mehr der Kräftigste oder Spitzigste. Aber ich denke, ich bin immer noch ein guter Eisläufer. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass wir unser Hobby zum Beruf gemacht haben. Wir können uns glücklich schätzen.
Was Rafael Rotter über seinen Glauben und seine Tätowierungen sagt, lesen Sie weiter unten
Wo sieht man Rafael Rotter in der Freizeit?
Ich verbringe gerne Zeit mit Freunden und Mitspielern. Ich bin Single – bevor ich zu Hause sitze, gehe ich lieber essen. Ich sehe meine Eltern jeden dritten Tag. Wien ist eine so coole Stadt – ich genieße es. Ich wohne im 22. Bezirk, da gibt es attraktive Lokale an der Alten Donau. Man sollte das Leben genießen. Während der Saison Party machen geht sowieso nicht, vor allem in meinem Alter. Hin und wieder trinkt man ein paar Bier, aber grundsätzlich ist man vor 23 Uhr zu Hause.
Hat sich das in den letzten Jahren geändert?
Ja. Wenn ich in der Vorbereitung unterwegs war, sind die Jungen am nächsten Tag topfit, und ich schwanke hinterher. Ich tu’ dann so, als ob ich topfit wäre. Aber: Wenn man feiern kann, muss man auch trainieren können.
Eishockeyspieler sind acht Monate lang mehr bei ihren Teamkollegen als bei ihren Familien. Da gehört Dampf ablassen dazu, oder?
Na sicher. Manchmal gibt der Coach einen Tag frei und sagt, wir sollen ein paar Bier trinken. Du musst einmal den Kopf freibekommen. Früher war aber alles anders. Damals haben wir sogar einen Kühlschrank mit Bier in der Kabine gehabt.
Sie sind jüdischen Glaubens. Wie praktizieren Sie?
Sehr locker. Ich habe vier, fünf Jahre kein Schweinefleisch gegessen. Aber ich liebe Ripperln, ich esse auch gerne gebratenen Speck oder Käsekrainer. Ich bin sehr stolz, Jude zu sein. Schon alleine wegen der Geschichte meiner Familie. Mein Großvater hatte nach dem Krieg die erste koschere Fleischerei. Der Bezug zur Community ist mir wichtig. Ich bin auch mit dem Oskar Deutsch, dem Präsidenten der Kultusgemeinde, sehr gut. Er war oft bei Spielen, um mich zu unterstützen.
Setzen Sie den Glauben im Sport ein?
Nein, aber ich sage vor dem Match ein paar Worte. Auch vor dem Schlafengehen. Da bedanke ich mich für mein schönes Leben.
Mit Ihren Tätowierungen hatten Sie es in der Familie nicht leicht, oder?
Im Judentum ist es verboten, weil man den Körper beschmutzt und man dann nicht auf dem jüdischen Friedhof begraben werden darf, außer man schneidet die Tattoos wieder heraus. Meine Mutter wollte es nie, auch wegen des Großvaters. Im Konzentrationslager wurde auch tätowiert. Zirka mit 20 Jahren habe ich mir gedacht, warum nicht. Ich bin ja kein schlechterer Jude, wenn ich tätowiert bin. Ein paar Tage nach dem Tod meines Großvaters habe ich mir das erste Tattoo stechen lassen: ein großer Davidstern mit seinem hebräischen Namen, der Schriftzug „The one and only“ und eine Krone darüber, weil er die Familie zusammengehalten hat. Jetzt ist nur noch Hals und Gesicht frei. Es ist eine Sucht geworden. Tätowieren ist meine einzige Droge.
Rafael Rotter
Am 14. Juni 1987 in Wien geboren, begann er beim WEV mit dem Eishockeyspielen. Mit seinen 1,72 Metern Körpergröße blieb ihm trotz starker Statistiken in der Ontario Hockey League (168 Punkte in 191 Partien) die NHL verwehrt. 2008 kehrte er nach Wien zurück
100Strafminuten
Die vergangene Saison in Linz verlief gar nicht nach Wunsch. Die einzige Statistik, die Rotter gewann, war jene der bösen Buben mit 100 Strafminuten in 38 Partien
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