David Gleirscher: Olympiasieg "hat mich fast überschwemmt"
Als David Gleirscher im Feber zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang reiste, war er im allwissenden Onlinelexikon Wikipedia ein unbeschriebenes Blatt. Auch sonst hatte bis zu seinem überraschenden Olympiasieg kaum jemand vom Kunstbahnrodler aus dem Stubaital Notiz genommen.
Mit der Goldmedaille hat sich das schlagartig geändert. David Gleirscher muss plötzlich haufenweise Fanpost beantworten, er wird als Ehrengast zu Formel-1-Grandprixs eingeladen, darf den Startschuss zu Volksläufen geben und wird auf einmal auf der Straße erkannt. „Auch wenn viele nicht genau wissen, wo sich mich hintun sollen“, sagt der 24-Jährige.
KURIER: Was halten Sie vom Spruch, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist?
David Gleirscher: Das mag ja alles stimmen, aber dafür sollte man dann schon ein bisschen älter sein als ich. Dafür habe ich auch noch viel zu viel vor mir. Außerdem wäre es dumm, wenn ich jetzt aufhören würde, nur weil ich Olympia gewonnen hab’.
Das war das Stichwort: Wie ist das Leben als Olympiasieger?
Auch nicht viel anders als vorher. Klar habe ich jetzt mehr Termine als früher, ich werde vielleicht auch ein wenig öfter erkannt. Aber mein Leben ist jetzt durch den Olympiasieg nicht auf den Kopf gestellt worden.
Hätten Sie es anders erwartet?
Nein, man muss da schon auch ehrlich sein und am Boden bleiben. Wir reden hier noch immer vom Rodeln, das kann man mit anderen Sportarten nicht vergleichen. Mir war klar, dass das keine Marcel-Hirscher-Dimensionen annehmen würde. Und das ist auch ganz gut so für das Privatleben.
Wie oft ertappen Sie Sich noch dabei, dass Sie an die Winterspiele zurückdenken?
Es passiert immer wieder, dass Erinnerungen und Emotionen hochkommen. Auch weil wir daheim einige Bilder von Olympia hängen haben, und dann denkt man zwangsläufig zurück. Es ist aber nicht so, dass mir ständig durch den Kopf geht, dass ich jetzt Olympiasieger bin.
Sie wirkten in den Stunden nach Ihrem Olympiasieg fast ein wenig verloren und überfordert. Hat dieser Eindruck getäuscht?
Mich hat der Olympiasieg sicher ein wenig auf dem falschen Fuß erwischt. Ich habe damit nicht gerechnet, und ich war darauf auch nicht wirklich vorbereitet.
Was war für Sie die größere Herausforderung und Anstrengung: Das Rennen oder das Prozedere danach?
Das Rodeln selbst war für mich überhaupt kein Problem. Da habe ich nämlich genau gewusst, was ich zu tun habe. Aber nach dem Rennen ist brutal viel auf mich eingeprasselt, das hat mich fast überschwemmt. Flower-Ceremony, Österreich-Haus, Interview im ORF-Studio, ich bin mir da teilweise wie ein Passagier vorgekommen.
Klingt nicht so, als hätten Sie Ihre Medaillenfeier richtig genießen können.
Am Anfang war’s richtig schwierig, weil mir einfach die Erfahrung gefehlt hat. Bei den Interviews war ich total nervös und habe mich extrem konzentrieren müssen, damit ich nur ja keinen Blödsinn sage. So viel Interviews habe ich bis dahin ja noch nicht geben müssen. Wir Rodler stehen normal nicht so im Fokus, das war alles ganz neu und ungewohnt für mich. Ich bin da echt ins kalte Wasser geschmissen worden.
Ab wann haben Sie begriffen, dass Sie Olympiasieger sind?
Das hat schon seine Zeit gedauert. Richtig begriffen habe ich es erst, wie ich zurück nach Tirol gekommen bin und sie für mich einen riesigen Empfang am Flughafen gemacht haben. Da ist mir dann endgültig klar geworden: ,Hoppla, das ist doch etwas Größeres, was ich gewonnen habe.’
Sie haben das Größte gewonnen, das ein Sportler überhaupt gewinnen kann. Steigen dadurch der Anspruch und der Druck?
Der Druck kommt sicherlich daher. In erster Linie von außen. Aber ich sehe das mit der Erwartungshaltung gar nicht einmal so schlimm.
Inwiefern?
Weil ich mir sage: ,Hey, du bist Olympiasieger, du hast es also schon bewiesen, dass du es kannst.’ Das Gute ist: Die Goldmedaille nimmt mir keiner mehr weg, alles, was jetzt kommt, ist eine Draufgabe. Aber natürlich will ich dort anschließen, deshalb habe ich im Sommer auch sehr intensiv trainiert. Es soll ja nicht heißen, der hat nur einmal was gewonnen.
Haben Sie davor Angst? Es hat im Sport ja schon einige One-Hit-Wonder gegeben.
Angst würde ich nicht sagen. Es ist einfach eine Herausforderung, alles zu unternehmen, dass das ja nicht passiert. Aber ich habe überhaupt keine Zweifel, dass ich jetzt nicht mehr vorne dabei sein könnte. In unserem Sport gibt es keine Zufallssieger. Schon gar nicht, wenn man wie bei Olympia vier Läufe herunter bringen muss.
Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach das Rodeln in Österreich?
Wir sind ein kleinerer Verband, aber dafür eine große Familie. Bei den Rodlern hilft jeder jedem, anders würde es auch nicht funktionieren. Logisch hat man bei uns als Skifahrer einen anderen Status. Skifahren ist in Österreich Volkssport, das kann und tut jeder. Ich habe mich aber trotzdem mit zwölf Jahren für das Rodeln und gegen das Skifahren entschieden. Und das war gut so.
Kann man in Österreich als Kunstbahnrodler vom Sport überhaupt leben?
Nur vom Rodeln direkt und vom Preisgeld ist es praktisch unmöglich. Ich habe zum Glück meine Sponsoren und die Unterstützung durch das Bundesministerium für Inneres, weil ich die Polizeiausbildung begonnen habe. Aber ohne dem wäre es sehr eng. Seit Olympia ist die Aufmerksamkeit sicher größer geworden, aber dass sich der Olympiasieg finanziell groß niederschlagen würde, so ist es dann auch nicht. Aber ich jammer’ nicht: Man muss das tun, was man gern macht. Nur dann kann man auch erfolgreich sein.
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