Bobverband versinkt im Korruptionssumpf

Die Leidtragenden sind die Athleten.
Präsidentin Stadler schaltet nach ihrem Rücktritt die Staatsanwaltschaft ein.

Der Österreichische Bob- und Skeletonverband (ÖBSV) steckt laut Aussagen der am Dienstagabend zurückgetretenen Präsidentin Astrid Stadler in beträchtlichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Stadler hatte die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft BDO Austria GmbH nach dem Auftauchen von Ungereimheiten mit der Prüfung des Verbands beauftragt. Gefunden wurde u.a. ein geheimes Konto.

In einer außerordentlichen Generalversammlung am Dienstagabend wollte die ehemalige Nationalrats-Abgeordnete Stadler, die als Vorsitzende der Bundessportkonferenz für die Vergabe der Fördergelder aus Toto- und Lottogeldernfonds in Höhe von 80 Mio. Euro jährlich mitverantwortlich ist, eine Klärung und Offenlegung der Situation. Stadler wird die Sache nun dem Staatsanwalt übergeben, mit der Bitte um Prüfung und Verdacht auf Untreue.

Im Zuge der Prüfung der BDO für den Zeitraum der vergangenen vier Jahre wurden ein geheimes (in der Buchführung nicht vorhandenes) Konto, ein nicht erfasstes Sparbuch, derzeit nicht nachvollziehbare Geschäfte sowie zahlreiche ebenso nicht nachvollziehbare Bargeldtransaktionen aufgedeckt. Als Konsequenz kündigte Stadler den damaligen Generalsekretär Martin Kerbler sowie die rund 30 Jahre für den Verband tätige Kassierin im April fristlos. "Die Kassierin hat ja auch ein Geständnis abgelegt, dass sie Förderungen mit falschen Belegen bestückt hat", erklärte die nunmehrige Ex-Präsidentin Stadler am Mittwoch.

Transparenzforderung

Stadler wollte in der Generalversammlung, auch im Hinblick auf die bevorstehende Heim-WM 2016, die mit einer Million Euro aus Stadt, Land, Gemeinde und Sponsoren subventioniert werden soll, eine Offenlegung dieser Ungereimtheiten durchsetzen. Doch Stadler fand dafür keine Zustimmung in der Generalversammlung, zudem wurde ihr eine für Mittwochvormittag angesetzte Pressekonferenz mit einem Vertreter der BDO sogar untersagt. "Sie wollten mir diktieren, was ich in eine Presseaussendung schreiben muss", so Stadler.

Die Generalversammlung habe die Lage gar nicht so dramatisch gesehen. "Sie haben gemeint, das ist ja alles nicht so wild. Ich habe mir gedacht, ich bin im falschen Film. Das hat auf jeden Fall mit meinen Idealen nichts zu tun. Ich bin Vorsitzende in der BSK (Bundessportkonferenz, Anm.) und da weiß ich, was Verbände tun müssen", sagte Stadler. Man müsse mit Fördergeldern sorgsam umgehen. "Und der Bob- und Skeletonverband lebt zu 90 Prozent von Fördergeldern. Jetzt steht die WM an und ich muss ehrlich sagen, da geht es dann wieder um eine Million zusätzliches Budget, da kann ich die Verantwortung nicht übernehmen."

Stadler fühlt für die Sportler, für die Athleten tue es ihr leid. "Von denen verlangen wir, dass sie einen sauberen Sport machen und die Verbandskasse sollte nicht sauber sein." Die Mehrheit der Vereinsobleute in der Generalversammlung habe erleichtert gewirkt, als Stadler daraufhin ihr Amt zurückgelegt hat.

Dabei handelt es sich nur um einen Zwischenbericht der BDO für die vergangenen vier Jahre. Zudem agierte die Buchhalterin jahrelang als Kassierin. "Wir haben uns eine Kontrollebene genommen. Es war kein Steuerberater da. Nicht nur, dass ein Konto nicht in der Buchhaltung erfasst ist, es stimmt nichts. Da stimmen die Salden nicht. Der Prüfer hat gesagt, es ist ganz einfach ein Saustall", zeigte Stadler kein Verständnis für diese Finanzgebarung.

Stadler wollte mit einer offensiven Herangehensweise den Schaden zumindest gering halten. Doch nun wird die Sache wohl weit schmerzhafter für den ÖBSV. "Ich werde das dem Staatsanwalt übergeben, mit der Bitte um Prüfung und Verdacht auf Untreue. Die Detailgeschichten müssen geprüft werden, ich weiß nur, dass viele Dinge nicht gesetzlich gelaufen sind. Wenn jemand falsche Belege dazuhängt, dann ist das strafrechtlich relevant."

Geheimkonto

So seien beispielsweise auf dem geheimen Konto 300.000 Euro von Sponsoren verbucht worden. "Warum tu' ich das nicht in die Buchhaltung? Der Generalsekretär selbst hat sich da Geld genommen", behauptete Stadler. Die BDO habe sich bei der Prüfung an einen berüchtigten Fall in jüngerer Vergangenheit erinnert gefühlt: "Die BDO hat mir gesagt, es ist ein ähnliches Muster wie im ÖOC, auch da hat es ein geheimes Konto gegeben und auch da hat es viele Bar-Transaktionen gegeben."

Die Leidtragenden seien die Athleten. "Fördergelder gehören dem Sport und den Sportlerinnen und Sportlern - und nicht den Funktionären. Ich habe ihnen gesagt, ich will einen ordentlichen Verband haben. Ich habe es versucht, aber ich bin kläglich gescheitert."

Schockierte Sportler

Die anwesenden Skeleton-Sportler Janine Flock und Athletensprecher Matthias Guggenberger waren entsetzt. "Janine Flock hat gestern Tränen in den Augen gehabt und wollte sogar zurücktreten, davon habe ich sie abgehalten. Weil ich gesagt habe, Freunde, das Geld gehört den Athleten. Das haben die Sportler gespürt, für die ist eine Welt zusammengebrochen. Die Athleten waren für mich der Mittelpunkt, das hat die Generalversammlung vielleicht nicht gern gehört."

Stadler, die sich laut eigenen Aussagen bei der Generalversammlung "wie in einem schlechten Film" vorkam, war für Transparenz und Ordnung. "Ich weiß jetzt, warum der Bobsport seit 15 Jahren am Boden liegt. So kann man sportlich nicht erfolgreich sein." Ohne Transparenz bleibe man in einem Sumpf, in dem "man sich gegenseitig etwas zuschiebt".

Dass durch diese Entwicklungen selbst die Austragung der Heim-Weltmeisterschaften in Innsbruck-Igls Anfang Februar 2016 in Gefahr kommen könnte, habe Stadler den Vereins-Obleuten auch erklären wollen. "Es hat sie aber nicht beeindruckt. Die sind in einer anderen Welt. Die haben kein Unrechtsbewusstsein und haben das Gefühl, die Präsidentin ist auf dem falschen Dampfer."

Durch die dem Rechnungsprüfer bei ihrer Amtsübernahme im Juni des Vorjahrs vorgelegten, laut Stadler "komplett falschen Zahlen", ist auch die Entlastung des Vorstands nicht rechtswirksam, erklärte Stadler auf Nachfrage.

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