Auf der Suche nach dem Schnee

Bitte warten: Nicht nur am Patscherkofel hoch über Innsbruck fehlt es an der Grundlage für Wintersport.
Das warme Wetter führt im Wintersport zu Verschiebungen, Mehrarbeit und gewaltigen Umwegen.

Als würde den Schwimmern das Wasser fehlen oder den Seglern der Wind – die Wintersportler durchleben im milden Dezember 2014 schwierige Zeiten. Die Alpinen haben das verschneite Nordamerika verlassen, um nach einem kurzen Zwischenstopp zum Kleiderwechsel weiter nach Schweden zu reisen. Denn weder in Val d’Isère noch in Courchevel war genug Schnee, um an diesem Wochenende Riesenslalom und Slalom zu fahren. Der Weg nach Åre, ein Umweg von 2032 Kilometern. Einfach.

Planmäßig sind zwar die Skispringer unterwegs, doch zwischen der letzten Station Lillehammer (Norwegen) und der nun folgenden – Nischni Tagil bei Jekaterinburg in Russland – liegen 3665 Kilometer Luftlinie.

Auch planmäßig, aber nur mit enormem Aufwand für Schneetransporte gehen die Biathleten in Hochfilzen (ab Freitag) und die Langläufer im schweizerischen Davos (ab Samstag) in die Loipe.

Das Weltcup-Finale des Winters 2008/’09 war der Schauplatz der letzten Alpin-Rennen der Herren in Åre. Die Kleinstadt in Westschweden, 2019 wieder und 2007 zuletzt WM-Ausrichter, hat sich für die laufende Saison eine neue Flutlichtanlage gegönnt. Und diese ist ein Argument gewesen, dass die 1400-Einwohner-Gemeinde den Zuschlag als Ersatzort für die ursprünglich in Frankreich vorgesehenen Weltcuprennen erhalten hat.

Zu wenig Schnee in Val d’Isère (Herren), zu wenig auch in Courchevel (Damen) – genug Schnee und Minusgrade in Åre. Am Freitag machen die Damen mit ihrem Riesenslalom den Anfang (10 Uhr/13 Uhr, live ORF eins), es folgen die Herren mit ihrer Riesenslalom-Premiere unter Flutlicht (16 Uhr/19 Uhr, live ORFeins).

Herren-Vierkampf

Der letzte Sieg eines Österreichers in Åre war zugleich auch der bislang letzte des Benjamin Raich: Vor gut fünfeinhalb Jahren gewann der heute 36-jährige Pitztaler vor dem inzwischen zurückgetretenen Schweizer Didier Cuche und Ted Ligety aus den USA, der zuletzt mit seinem Erfolg in Beaver Creek (USA) noch einmal seinen Ruf als Mister Giant Slalom unterstrichen hat.

Für Benjamin Raich wäre es ohnehin an der Zeit, wieder einmal zu gewinnen: Seit dem Super-G im schweizerischen Crans Montana sind mehr als zweieinhalb Jahre vergangen – und Lebensgefährtin Marlies Schild führt in der partnerschaftlichen Wertung nach wie vor mit 37:36.

In der alpinen Basisdisziplin ist ein Vierkampf entbrannt: Hier die Österreicher Marcel Hirscher (Sieger in Sölden, Dritter in Beaver Creek) und Benjamin Raich (jeweils Vierter), dort der Franzose Alexis Pinturault (Dritter und Zweiter) und natürlich Ted Ligety (Zehnter und Erster), der sich knapp drei Wochen nach dem Bruch seiner linken Hand wieder seiner Bestform annähert.

Mit seinem Erfolg am vergangenen Sonntag hat der Amerikaner sein Schweizer Kindheitsidol Michael von Grünigen (23 Riesenslalom-Weltcupsiege) eingeholt, nun bleibt Ligety nur noch eine Marke, die allerdings hat es in sich: die 46 Erfolge des Schweden Ingemar Stenmark. Apropos Marke: Seit diesem Winter stattet der 30-Jährige neben anderen auch die Schweizerin Lara Gut mit Brillen, Rückenprotektoren, Helmen und Bekleidung seiner Firmen Shred und Slytech aus.

Damen-Vielkampf

Mit der wiedererstarkten Tina Maze hat sich zuletzt die Olympiasiegerin aus Slowenien im Rennen um Siege zurückgemeldet, sie gesellt sich zu den Österreicherinnen Anna Fenninger und Kathrin Zettel – und zu Eva-Maria Brem, der Tiroler Aufsteigerin des Kalenderjahres 2014, deren Stern im März in Åre mit den Plätzen drei und vier so richtig aufgegangen ist.

Der Kreis der Podestkandidatinnen ist groß wie schon lange nicht mehr, haben doch auch die Deutsche Viktoria Rebensburg und die Italienerin Federica Brignone in Åre schon aufgezeigt, hinzu kommt Mikaela Shiffrin, die nach ihren – für ihre Verhältnisse – durchwachsenen Leistungen bei ihren Heimrennen in Aspen vor zwei Wochen Nachholbedarf hat.

Diesen hat auch der Winter 2014/’15: Zwar sind die Damen-Rennen in Val d’Isère am kommenden Wochenende offiziell bestätigt; ob aber die Herren zur gleichen Zeit im Grödnertal in Südtirol abfahren können, das wird sich frühestens am heutigen Freitag entscheiden.

Franz Berger kann nichts so schnell erschüttern. Wer jahrelang als Rennchef der IBU der Hauptverantwortliche für den Biathlon-Weltcup war, der lässt sich auch von einem so schneearmen Winter nicht aus der Ruhe bringen. „Vor zehn Tagen haben wir kurz gerätselt, ob wir alles hinkriegen, aber seit einer Woche war uns allen klar, dass wir es schaffen.“

Deshalb kann am Freitag plangemäß der Startschuss zum Biathlon-Weltcup in Hochfilzen erfolgen (Damen-Sprint 11.30 Uhr live in ORF Sport+; Herren-Sprint 14.30 Uhr live in ORFeins). Der Schnee wurde zum großen Teil vom Großglockner herangekarrt, die Biathleten laufen nun auf einer verkürzten 2,5-Kilometer-Schleife. „Auch gut, dann bekommen die Fans im Stadion eben die Sportler öfter zu sehen“, sagt Berger, der Rennleiter von Hochfilzen.

Die Österreicher sind froh, dass sie ihr Heimrennen wie geplant in Angriff nehmen können. Hochfilzen ist für sie traditionell der erste Saisonhöhepunkt, der WM-Ort von 2017 ist im Weltcup längst ein Klassiker.

In einem Land, in dem eine beliebte Märchenfigur Väterchen Frost heißt, ... ist natürlich Winter. Zumindest in Nischni Tagil, 1400 Kilometer östlich von Moskau. Seit 1970 wird in der 350.000-Einwohner-Stadt am Ural skigesprungen, 2009 wurde das Schanzenzentrum um 50 Millionen Euro modernisiert. Ab Freitag wird bei knapp zweistelligen Minusgraden abgehoben.

In Davos wurde fleißig Schnee eingesammelt, so etwa entlang der Straße zum Flüelapass, um die Loipen für den Weltcup am Wochenende zu belegen. Trotzdem mussten im 1600 Meter hoch gelegenen Graubündner Wintersportort die Bewerbe verkürzt werden – die Damen laufen zehn statt 15 Kilometer, die Herren 15 statt 30.

In einer Woche soll in der Ramsau der Weltcup der Kombinierer stattfinden. Die Schanze ist sprungbereit, es steht aber nur eine 1000 Meter lange Loipe zur Verfügung. Eine Entscheidung fällt am Samstag, in den nächsten 48 Stunden könnte der Föhn eine Absage erzwingen.

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