Annemarie Moser-Pröll wird 70 Jahre: "Verstellt hab’ i mi nie"
Was Österreichs Jahrhundertsportlerin vom Gendern und vom Twittern hält. Und mit welch einst größter Rivalin sie statt groß zu feiern lieber gemeinsam Skitouren unternimmt.
Sie suchte immer die direkte Linie. Auch abseits der Piste. Vor Mikrofonen war ihr die Slalomfahrerei zuwider. Sie sagt, was sie denkt. Eine Eigenschaft, die sich die 1999 zu Österreichs Jahrhundertsportlerin Gewählte bis heute bewahrt hat.
Besuch bei Annemarie Moser-Pröll im in 1.000 Meter Höhe gelegenen Kleinarl wenige Tage vor ihrem 70. Geburtstag, an dem sich die Oma eines 20-Jährigen nicht groß feiern lassen will: Das Café Annemarie, das jetzt Café Restaurant Olympia heißt, hat Annemarie Moser nach dem Ableben ihres Mannes 2008 verkauft.
Das Lokal zieren aber immer noch ihre Fotos und Pokale. Es würden noch etliche mehr sein, hätte es zu ihrer Rennzeit schon den Super-G gegeben. Den Bewerb, der als Mittelding zwischen Abfahrt und Riesenslalom wie geschaffen gewesen wäre für die Ausnahmeskifahrerin, die allein im Weltcup 36 Abfahrten und 16 Riesentorläufe gewann.
Als schönsten Moment ihrer Karriere, sagt die Salzburgerin, habe sie den ersten von sechs Gesamtweltcupsiegen in Abetone in Erinnerung. Der Abfahrtsolympiasieg neun Jahre später im eiskalten Lake Placid sei dann „das Tüpferl auf dem i“ gewesen.
Auch die Olympia-Goldene überließ sie den jetzigen Restaurant-Betreibern. Von allen Trophäen hat Annemarie in ihrem 2014 erbauten, rundum mit Zedernholzschindeln verkleideten geschmackvollen Häuschen nur neun Schrauben plus die dazugehörende Schiene aufbewahrt.
Mit dem Metall war vor zwei Jahren nach einem Tiefschnee-Unfall („Ich bin net amol gestürzt“) der zertrümmerte Schienbeinkopf zwecks Stabilisation des Kniegelenks zwischenzeitlich versehen worden.
Ein Jahr danach war sie in der Altenmarkter Klinik mit der weltmeisterlichen Adresse Michael-Walchhofer-Straße 1 neuerlich Patientin – Bruch der linken Hand beim Tennis. Während ihrer Karriere war sie (ähnlich wie jetzt die von ihr bewunderte Mikaela Shiffrin) nie ernsthaft verletzt. Pausiert hat sie just in der Olympiasaison 1975/’76 . Als ihr das Pflegen ihres kranken Vaters wichtiger als die Innsbrucker Heimspiele war.
Unvergessen bleibt ihr der Comeback-Sieg. Als sie in Cortina keine Kraft mehr zum Bremsen besaß und sie so wie vor ihr Gestartete die Zielabsperrung durchstieß. Zum Stehen bzw. Liegen kam die Annamirl erst in einem Jungwald, wo sie den als ersten Helfer zu ihr geeilten Servicemann Peter Müller um eine Zigarette bat. „Geraucht haben damals ja auch fast alle unsere Fußballer.“
Seit 2008 zündet sie sich keine Einzige („Mein größter Sieg“) mehr an. Dafür schwingt die zur konsequenten Nikotin-Gegnerin Gewordene längst wieder den Tennisschläger, marschiert oft mit Hündin Dinka hinauf zur neuen schmucken Kleinarler Lumberjack-Bio-Hütte. Und leidenschaftlich Ski fährt sie sowieso.
Besonders freut ...
... die Salzburgerin, dass die Doppel-Olympiasiegerin Marie-Theres Nadig, die schon Ende Jänner eigens aus der Schweiz wegen der ORF-Moser-Pröll-Doku zu TV-Aufnahmen angereist war, vor Annemaries 70er erneut nach Kleinarl kommen wird.
Aus den einstigen Rivalinnen sind Freundinnen geworden, die gemeinsam Skitouren unternehmen wollen.
Besonders belastend ...
... empfand sie wie früher auch andere Läuferinnen den Druck der Skifabrikanten. „Wir mussten parieren, waren aber sonst allein unserem Schicksal überlassen.“
Besonders gut ...
... redet Annemarie Moser über Peter Schröcksnadel und dessen 2021 beendete 30-jährige ÖSV-Präsidentschaft. „Der hat unheimlich viel Geld in den Verband gesteckt und geschaut, dass die Rennläufer davon profitieren.“ Auch habe er sich in heiklen Situationen gerade für Frauen sehr eingesetzt.
Besonders grotesk ...
... fand sie den Vorwurf von Alice Schwarzer, wonach sich Annemarie-Moser-Pröll, in einer TV-Talkshow von Joachim Fuchsberger negativ über Frauenrechte geäußert habe. Nur: Annemarie hatte, wie ihr von der ARD bestätigt worden ist, nie an dieser Talkshow teilgenommen. Die Deutsche Schwarzer hatte sie mit der deutschen Ski-Ikone Rosi Mittermaier verwechselt.
Aktuell lässt Moser-Pröll Alice Schwarzer ausrichten, sie möge lieber für die Rechte der „vielen verschleierten Frauen im arabischen Raum kämpfen, die unvergleichlich schlechter als wir Frauen in Mitteleuropa dran sind“.
Besonders irritiert ...
.... hat Annemarie auch, dass Österreichs Jahrhundertsportler Toni Sailer posthum an den Pranger gestellt wurde. „Mir tut das weh. Ich habe Toni als wunderbaren Mensch kennengelernt.“
Besonders beeindruckt ...
... war die Witwe des einstigen Radstädter Landesliga-Torjägers Herbert Moser von der Fußball-WM. „Viele Spiele in Katar waren faszinierend. Messi hab’ ich den WM-Sieg besonders gegönnt.“
Besonders nervt ...
... sie die „Genderei“. Was die Bundeshymne betrifft, die zig Mal im Ausland wegen ihr gespielt wurde, bleibt sie bei der alten Text-Version. Ohne Töchter.
Und Tochter Marion gibt ihr recht.
Sollte Annemaries Ansicht einen Online-Shitstorm feministischer Hardlinerinnen auslösen, ließe der sie kalt. Zumal Österreichs Jahrhundertsportlerin Twitter, Facebook, Instagram ignoriert.
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