Wie geht es weiter in der Causa Armstrong?
Lance Armstrong und kein Ende: Nach der amerikanischen Anti-Doping-Behörde USADA hat am Montag auch der Radsport-Weltverband UCI dem früheren Tour-de-France-Sieger dessen sieben Erfolge beim bedeutendsten Radrennen des Erdballs aberkannt. Zu schwerwiegend sind die Vorwürfe, die die USADA auf mehr als 1000 Seiten Akten zusammengetragen hat. Der Verband musste reagieren, um einen gewissen Rest an Glaubwürdigkeit zu wahren.
Wie geht es nun weiter? Fragen und Antworten.
Warum hat die UCI ein Glaubwürdigkeitsproblem?
Lance Armstrong hat dem Weltverband in mehreren Tranchen Geld überwiesen, in Summe geht es um 125.000 Dollar. Ex-Präsident Hein Verbruggen und sein Nachfolger Pat McQuaid haben den Grund für diese Spende bis heute nicht genannt; Insider halten es für möglich, dass damit für das Verschwinden von positiven Dopingtests bezahlt wurde.
Warum ist man Armstrong erst so spät auf die Schliche gekommen? Es gab ja schon lange Mutmaßungen.
Richtig. Aber: Einmal wurde ein ärztliches Attest nachgereicht, dass das gefundene Cortison gesundheitlich vonnöten gewesen sei (1999), die an sich fällige Sperre blieb aus. Oder es wurde mit Präparaten gedopt, für die es zum damaligen Zeitpunkt noch kein anerkanntes Testverfahren gab. 2005 wurden Armstrong-Urinproben aus dem Jahr 1999, die zu Testzwecken eingelagert waren, noch einmal geprüft – alle sechs enthielten das Blutdopingmittel EPO.
Armstrong durfte trotzdem auch 2005 die Tour de France gewinnen, zum siebenten und letzten Mal. Warum?
Weil nur noch die B-Proben von 1999 vorhanden waren. Ein Sportler gilt aber nur dann als überführt, wenn A- und B-Probe das gleiche Ergebnis bringen.
Was passiert mit dem vielen Preisgeld, das Armstrong eingefahren hat?
Darüber will die UCI am Freitag entscheiden. Tour-de-France-Chef Christian Prudhomme will die rund drei Millionen Euro zurück, die Armstrong allein in Frankreich verdient hat.
Keine Armstrong-Reaktion
Und was ist mit dem Geld, das er von Sponsoren bekommen hat?
Sie könnten vor Gericht gehen, so, wie es die US-Firma SCA Promotions angekündigt hat – alleine in diesem Fall geht es um zwölf Millionen Dollar. Andere haben ihre Unterstützung in den letzten Tagen eingestellt, angefangen vom Sportartikelriesen "Nike" bis zu einer Fitnessstudiokette.
Wie reagiert Lance Armstrong auf die ganze Affäre?
Kaum bis gar nicht. Sein letzter öffentlicher Auftritt war am vergangenen Freitag bei einer Charity-Veranstaltung seiner Stiftung Livestrong, die seit 15 Jahren Krebspatienten unterstützt. "Es ging mir schon bedeutend besser, aber auch schon bedeutend schlechter", sagte er bei der Jubiläumsgala.
Sieben Jahre Tour de France brauchen nun neue Sieger. Rücken die Zweitplatzierten auf?
Das ist kaum anzunehmen. Zwar will die UCI auch darüber erst am Freitag entscheiden, doch Jan Ullrich (D/drei Mal Zweiter), Alex Zülle (CH), Joseba Beloki (Sp), Ivan Basso (It) und Andreas Klöden (D) in die Ehrentafel einzutragen, wäre zwar eine gelungene Pointe, aufgrund der Vergangenheit der Herren aber nicht zielführend, wenn der Radsport wieder Glaubwürdigkeit erlangen will.
"Schwarze Ära"
Welche anderen Möglichkeiten gibt es denn?
Man könnte die Jahre 1999 bis 2005 einfach siegerlos stehen lassen, ein Hinweis auf die "Schwarze Ära" sollte genügen und Mahnung und Auftrag zugleich sein, künftig auf Illegales zu verzichten. Das wünscht sich jedenfalls Tour-Chef Prudhomme.
Ist die saubere Zukunft überhaupt realistisch?
Tatsache ist, dass zuletzt Teilstücke der Frankreich-Rundfahrt im Verhältnis zur "Schwarzen Ära" deutlich langsamer befahren worden sind. Das kann ein Zeichen dafür sein, dass weniger gedopt wird, das muss es aber nicht sein. Denn die Erfahrung der Vergangenheit lehrt, dass oft Präparate verwendet werden, die noch gar nicht auf dem Markt sind.
Hat der Radsport dann überhaupt noch einen Sinn?
Johnny Schleck, der Vater der luxemburgischen Radprofis Fränk und Andy, hat seinen Söhnen unlängst allerdings empfohlen, aufzuhören. Fränk, 32, hat ein Dopingverfahren am Hals; Andy, 27, ist nach einem Hüftbruch zu früh wieder im Sattel gesessen und hat so seine Gesundheit ramponiert. Tatsache ist aber auch: Würde in anderen Sportarten so viel getestet wie im Radsport (Stichworte: Schwimmen, Leichtathletik), gäbe es wohl ein böses Erwachen.
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