Walkners großer Traum: "Mit Hirscher bei der Rallye Dakar"
Matthias Walkner absolviert in Thalgau gerade die letzten intensiven Trainingseinheiten für die Rallye-Dakar, die erstmals in Saudi-Arabien stattfindet (5. bis 17. Jänner). Der Sieger von 2018 leidet noch immer unter den Nachwehen der letzten Dakar, als Matthias Walkner tagelang mit einem gebrochenen Knöchel unterwegs war.
Wie sehr bereitet Ihnen das Sprunggelenk noch Probleme?
Auf dem Motorrad geht es eigentlich recht gut. Der Alltag bereitet mir eher Probleme: Ich kann zum Beispiel nicht mehr laufen, weil das Sprunggelenk immer wieder wehtut. Der Knochen ist schlecht durchblutet, er war auch hübsch dumm gebrochen, das wird mich vermutlich noch länger beschäftigen.
Wäre es vielleicht doch klüger gewesen, die Dakar nicht zu Ende zu fahren?
Meinem Knöchel würde es jetzt sicher besser gehen. Durch das Weiterfahren habe ich mir den Knorpel ordentlich zusammengeschliffen, da reibt jetzt Knochen an Knochen. Ich habe jetzt dort eine Arthrose. Wissen Sie, was blöder gewesen wäre?
Was denn?
Wenn ich nur Vierter oder Sechster geworden wäre. Der zweite Platz hat dafür entschädigt und war es dann auch wert. Ich würde es noch einmal so machen.
Muss man bei der Rallye-Dakar wirklich so schmerzbefreit sein?
Es ist irgendwie schon gegangen. Am letzten Tag habe ich bei einer Düne noch einmal eine Abrisskante übersehen und bin total ins Flache gesprungen. Das ist voll auf den Knöchel gegangen. In diesem Moment habe ich mir gedacht: „Ich kann und mag nicht mehr.“ Wenn es nicht der letzte Tag gewesen wäre, wäre ich abgestiegen. Im Ziel hatte ich dann die Tränen in den Augen vor lauter Schmerzen. Das war echt zach.
Ihrer Liebe zum Motorsport scheint das aber nichts anzuhaben. Sie nehmen nun wieder die Dakar in Angriff.
Weil es ja auch ein gewaltiges Privileg ist, dass ich das machen darf. Je älter ich werde, umso bewusster wird mir, was für ein lässiges Leben ich führen darf. Ich lerne interessante Leute kennen, ich komme in Gegenden der Welt, die ich sonst nie gesehen hätte. Ich bin froh und dankbar, dass ich das erleben darf. Und so lange ich diese Geschichte schreiben darf, schreibe ich sie auch weiter. Irgendwann geht es dann eh nicht mehr.
Was ist das beste Alter für einen Dakar-Piloten?
Du brauchst schon viel Erfahrung und einige Starts bei der Dakar. Insofern denke ich, dass ich mich gerade im besten Alter befinde. Ich würde jetzt nicht merken, dass ich weniger fit wäre oder vielleicht vorsichtiger oder langsamer fahren würde.
Aber Sie fahren heute wahrscheinlich anders als bei Ihrer ersten Dakar.
Auf jeden Fall. Am Anfang bin ich überall einfach so schnell gefahren, wie es nur ging. Und ich habe dabei überhaupt nicht an die Gefahren gedacht oder mir überlegt, ob es wirklich etwas bringt, an dieser und jener Stelle Vollgas zu geben. Das hat sich schon verändert. Ich weiß heute viel besser, wo man Zeit holen kann, und vor allem: Wo man sie verlieren kann.
Einmal abgesehen von Ihrem Knöchelbruch: Welcher Körperteil schmerzt während der Fahrt am meisten?
Definitiv der Nacken. Du hast ständig Erschütterungen, stehst praktisch immer gleich auf dem Motorrad, dazu pfeift der Wind unter den Helm hinein – das ist eine wilde Belastung für den Nacken. Vor allem, wenn du das jeden Tag sechs bis acht Stunden hast. Irgendwann ist der Nacken dann so verspannt, dass es dir die Blutversorgung zum Kopf ein wenig abschnürt. Dann sieht man alles etwas verschwommen.
Die Dakar findet nun erstmals in Saudi-Arabien statt. Was ändert sich dadurch?
Die Herausforderung ist sicher riesig, weil jeder bei null anfängt und keiner die Gegend dort wirklich kennt. Ich glaube auch, dass es landschaftlich interessant und abwechslungsreich wird.
Aber glauben Sie, dass dort eine ähnliche Motorsportbegeisterung wie in Südamerika herrschen wird?
Das werde ich am meisten vermissen. Ich kann mich gut an meine erste Dakar erinnern: In Buenos Aires waren 650.000 Leute auf der Straße, das war eine unglaubliche Energie und Euphorie. Es gibt einem extrem viel, wenn die Leute so mitleben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das in Saudi-Arabien so ist. Ich lass’ mich gerne eines Besseren belehren, aber ich fürchte, das wird es nicht spielen.
Mit welchen Zielen gehen Sie überhaupt an den Start?
In erster Linie geht es darum, wieder gesund heimzukommen. Das zählt einfach am meisten. Wenn wir jetzt konkret über ein Ergebnis reden, dann ist mein Anspruch schon, unter die Top drei zu kommen. Aber bei einer Dakar kann viel passieren. Du hast nicht alles selbst in der Hand. Du kannst dich verfahren, dir kann ein Viech ins Motorrad laufen, du kannst dumm stürzen.
Apropos stürzen: Schafft man es eigentlich, die Dakar, ohne Sturz zu überstehen ohne Sturz zu überstehen?
Mir ist das bis jetzt noch nie gelungen. Aber Sturz und Sturz ist nicht das Gleiche. Mich hat es heuer einmal richtig geschmissen, da ist mir aber nichts passiert. Den Knöchel habe ich mir gebrochen, weil ich zu weit gesprungen bin. Da bin ich auf dem Motorrad geblieben.
Fährt bei Ihnen die Angst mit?
Angst würde ich das nicht nennen. Eher Ehrfurcht und Respekt. Wenn du mit 160 km/h so eine Steinpiste dahin fährst und rechts und links liegen die riesigen Steinbrocken, dann denkst du dir manchmal schon: „Pfoah, da darf jetzt wirklich nichts passieren.’“ Solche Gedanken kommen einem manchmal, das ist normal. Man muss sich auch immer vor Augen halten, dass schnell etwas passieren kann, wenn man nicht hundertprozentig bei der Sache ist. Andererseits ...
Matthias Walkner
"Durch den Marcel habe ich erst richtig gesehen, was Ehrgeiz und Zielstrebigkeit eigentlich wirklich heißt. In der Hinsicht war er immer ein Vorbild für mich. Mir hat auch gefallen, was der Marcel zu meinem Sieg bei der Dakar gesagt hat: Er hat gemeint, die Dakar wäre das letzte große Abenteuer. Und das trifft’s eigentlich ganz gut."
Marcel Hirscher
"Ich glaube, dass nur wenigen Österreichern bewusst ist, was Matthias da leistet und was sein Sieg bei der Dakar im Sport bedeutet. Das ist das größte Motorsportereignis der Welt, wir reden da von echten Männern. Ich könnte mir da maximal vorstellen, im Auto mitzufahren. Die Frage ist, was meine Frau Laura dazu sagen würde."
... andererseits.
Zugleich ist es dann aber auch so ein Gefühlsrausch, wenn du die Geschwindigkeit spürst und merkst, wie dich die Leute anfeuern. Das pusht einen total. Wenn ich daran denke, kriege ich schon eine Gänsehaut. Das ist ungefähr so wie beim Verliebtsein. Du hast dann so Schmetterlinge im Bauch, ein super Gefühl.
Abschließend: Würde es Sie reizen, die Dakar auch einmal mit dem Auto zu fahren?
Das kann ich mir sogar sehr gut vorstellen. Ich bin einmal gefragt worden, welche Schlagzeile ich über mich gerne lesen würde.
Wie würde die lauten?
„Marcel Hirscher startet mit Matthias Walkner bei der Dakar 2023.“ Wenn ich so vor mich hin träume, dann stelle ich mir vor, dass ich 2023 mit dem Marcel fahre.
Weiß Marcel Hirscher denn von Ihrem Wunsch?
Wir haben uns schon darüber unterhalten. Obwohl ich mit ihm mehr geblödelt habe, kann ich mir das realistisch gut vorstellen. Ich würde jedenfalls heute nicht darauf wetten, dass es nicht passieren wird.
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