Van Niekerk in den Fußstapfen von Usain Bolt

Wayde Van Niekerk sorgt in London für Furore.
Wayde van Niekerk gewann überlegen die 400 Meter. Doch der 25-jährige Südafrikaner ist noch lange nicht satt.

Die Konkurrenz darf sich fürchten. Da lächelt Wayde van Niekerk vor seinem Finale über 400 Meter, ...

da läuft er der Konkurrenz auf und davon, ...

da nimmt er am Ende Tempo raus, verfehlt den eigenen Weltrekord um 95 Hundertstel und holt dennoch überlegen Gold, ...

und da sagt der 25-jährige Südafrikaner im Gespräch mit der FAZ: "Die 400 mag ich nicht wirklich."

Er mag die Strecke also nicht, auf der er 2016 in Rio Olympiasieger wurde und dabei den 17 Jahre alten Weltrekord von Michael Johnson auslöschte. Eine Strecke, auf der er derzeit unschlagbar scheint.

Van Niekerk ist dabei, sich an die kürzeren Distanzen heranzuarbeiten: "Ich arbeite an meinen 100 und 200 Metern, das ist meine erste Liebe im Sport." Schon jetzt ist er der erste Mensch der Welt, der die 100 Meter in weniger als zehn Sekunden lief, die 200 unter 20 und die 400 unter 44 Sekunden.

Der nächste Bolt?

Selbstredend wird der Südafrikaner als potenzieller Nachfolger von Usain Bolt gehandelt, dem Superstar, der am Samstag mit der 4x100m-Staffel ein letztes Mal seine Spikes in die Bahn rammen wird. Der Jamaikaner hätte nichts gegen Van Niekerk als Nachfolger: "Er hat schon bewiesen, dass er ein Weltstar ist. Er hat gezeigt, dass er die Herausforderung annimmt."

Erstaunlich ist, mit welcher Ruhe Van Niekerk in seine Rennen geht; erstaunlich ist, welche Zeiten er in die Bahnen brennt; fast noch erstaunlicher ist aber seine Trainerin: Sie ist 75 Jahre alt und hat vier Urenkel.

Das erste Ziel

2010 wurde Ans Botha bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Kanada aufmerksam auf den damals gerade 18-Jährigen, der über 200 Meter Vierter wurde. Olympia in London verpasste er 2012 wegen einer Verletzung. "Damals habe ich mir vorgenommen, in Rio Olympiasieger zu werden", erzählte er einmal. Eine Zusammenarbeit mit Ans Botha wurde beschlossen, ein Ziel definiert: Gold. Dieses allerdings sollte Van Niekerk nicht über 100 oder 200 Meter holen, sondern über die 400 Meter, die grausamste der Sprintdisziplinen. Auf dieser Strecke sollte sich der junge Athlet die nötigen Steherqualitäten erwerben.

2013 fehlten ihm noch vier Sekunden auf die Weltstars. Doch Botha trieb ihn an die Spitze. "Sie hat dafür gesorgt, dass ich diszipliniert und fokussiert bleibe", sagte Van Niekerk nach dem Olympiasieg. Die alte Frau mit den weißen Haaren sei ein Mensch, der nach Gefühl coacht. Im Gespräch mit dem Spiegel sagte sie, dass es nichts bringe, Athleten zu quälen, sie gegen ihren Willen zu schinden. Spaß machen müsse das Training.

Zu Beginn der Zusammenarbeit ließ Van Niekerk seine Verletzungen in Ruhe ausheilen. Nun ist er seit vier Jahren schmerzfrei. Wer keine Schmerzen hat, kann viel trainieren und schnell laufen.

Ans Botha ist eine erfahrene Trainerin, eine Expertin im Spitzensport. Vor mehr als zwei Jahrzehnten trainierte sie Frankie Fredericks. Der Sprinter aus Namibia wurde einmal Weltmeister und gewann vier olympische Silbermedaillen, ein Top-Athlet.

Doch Van Niekerk läuft in einer anderen Liga als Fredericks. Läuft er gar in der Liga eines Usain Bolt?

"Ich würde nie sagen, dass er der neue Bolt ist", sagt Ans Botha. "Sie sind verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Persönlichkeiten." Der extrovertierte Showman Bolt auf der einen Seite, der ruhige Van Niekerk auf der anderen. Geschmeichelt über den Vergleich fühlt sich der 25-Jährige dann doch: "Jeder von uns hat großen Respekt vor Usain. Und jeder hat Motivation gezogen aus dem, was er für die Leichtathletik getan hat. Es ist eine riesige Ehre, in dem Licht erwähnt zu werden, in dem ich gerade bin. Ich muss das akzeptieren und die Verantwortung übernehmen."

Das nächste Gold?

Verantwortung übernehmen wird Wayde van Niekerk heute abermals. Sollte bis dahin alles klappen, wird er um 22.50 Uhr (live ORF Sport +, Eurosport, ZDF) auf der halben Stadionrunde um Gold über die 200 Meter laufen. Er wäre der erste Double-Gewinner über diese Distanz bei einer WM seit 1995. Damals schaffte das Kunststück ein gewisser Michael Johnson.

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