Tour de France: Sagan heißt der Verteufelte

Der Abschied hatte Stil: Ohne ein böses Wort zu verlieren, verließ Sagan die Tour.
Der Slowake wurde nach seinem Ellenbogencheck von der Tour de France ausgeschlossen.

Noch ist Peter Sagan nicht in Sphären, in denen einst Mario Cipollini war. Der "schöne Mario" gewann in der Hoch-Zeit des EPO-Dopings 57 (Sprint-)Etappen bei großen Rundfahrten, im Ziel warteten Fans und kreischende Frauen auf den schillernden Italiener.

Doch Peter Sagan ist zumindest auf den Spuren Cipollinis. Der Slowake ist derzeit der Star unter den Männern mit den schnellsten Beinen. Der 27-Jährige ist ein Medienstar, als "Rockstar" wird er von diesen gerne bezeichnet. Er weiß, wie er sich inszenieren muss. Lange Haare, Drei-Tage-Bart, kurze Antworten, manchmal frech, manchmal ironisch. Kaum ein anderer Fahrer hat so viele Fans wie Sagan.

Doch der Sprinter ist nicht nur cool, er ist auch schnell. Er ist zweifacher Weltmeister, Sieger der Flandern-Rundfahrt, fünffacher Gewinner des Grünen Trikots des besten Sprinters bei der Tour de France. Dass er dieses auch 2017 gewinnen würde, schien Formsache zu sein.

Schien. Denn Peter Sagan wird bei der Frankreich-Rundfahrt 2017 nicht mehr sprinten, der Slowake wurde am Dienstagabend nach einem Ellenbogenstoß gegen Mark Cavendish ausgeschlossen. Auch für den Briten ist die Tour vorbei, er brach sich die Schulter. "Ich bin gegen die Entscheidung der Jury, aber ich akzeptiere sie", sagte der Weltmeister am Mittwoch in einem knappen Statement nach dem gescheiterten Protest gegen seinen Ausschluss und fügte hinzu: "Es tut mir leid, dass Mark Cavendish zu Fall gekommen ist und sich verletzt hat. Ich habe aber nichts falsch gemacht. Das war ein Sprint, wie es ihn früher gab und auch weiter geben wird." Sagan ist kein Kind von Traurigkeit, Cavendish auch nicht, kaum ein Sprinter ist das.

Die bösen Buben

Ein Ausschluss aus der Tour de France ist kein Novum. Meistens sind es Dopingsünder, die abreisen müssen, wie etwa nach dem Festina-Skandal im Jahr 1998 oder nach dem Start der Operación Puerto rund um die Affäre um Dopingarzt Eufemiano Fuentes. Es gibt aber auch andere Unsportlichkeiten, die zum Ausschluss führten:

1904: Einige Fahrer benutzen auf langen Etappen das Auto oder die Eisenbahn. Nach langen Untersuchungen werden die besten Vier des Klassements ausgeschlossen.

1985: Der "blonde Engel" Dietrich Thurau bekommt wegen Windschattenfahrens eine Strafe, dann attackiert er einen Offiziellen. Die Tour ist für ihn vorbei.

1997: Der Belgier Tom Steels wirft im Sprint eine Flasche nach einem Kollegen. Ausschluss.

2010: Mark Renshaw soll für seinen Teamkapitän Mark Cavendish den Sprint anziehen. Im Gedränge attackiert der Australier mit Kopfstößen den Neuseeländer Julian Dean und sieht die Rote Karte.

Ausschluss von der Tour de France. Die Höchststrafe. Es gibt für einen Radprofi kein härteres Urteil als jenes, das der Radsportweltverband UCI gegen Peter Sagan getroffen hat. Das wichtigste Radrennen der Welt ist für den schillerndsten Sprinter vorbei. Es war mutig, den Vorzeige-Athleten auszuschließen. Die Entscheidung ist eine Sensation. Doch ist sie auch richtig?

Trotz der fatalen Folgen für Sturzopfer Cavendish scheint das Urteil zu hart. Hätte nicht eine Zeitstrafe gereicht? Für die besten Sprinter sind die Flachetappen bei der Tour Höhepunkte ihrer Karrieren. Das ganze Jahr bereiten sie sich auf die Sekunden im Sprint vor, 206 der 207 Kilometer fiebern sie dem entscheidenden Moment entgegen. Dann legen sie los. Mehr als 1000 Watt treten sie, der Puls geht gegen 200. Mit 65 km/h rasen sie Schulter an Schulter dem Ziel entgegen. Voller Adrenalin versuchen sie Lücken zu finden, wo vielleicht keine Lücken sind.

Auf TV-Bildern ist zu erkennen, dass genau dies Mark Cavendish versuchte. In der Hektik lehnte sich der Brite mit der Schulter an Sagan an, dieser wehrte sich mit dem Ellenbogen.

Zwei unkluge Handlungen. Aber kein grobes Foul. Dennoch: Für beide ist die Tour vorbei.

Kommentare