Die Tour de France der Superlative
110 Jahre Tour de France, 100 Rennen quer durch die Grande Nation – am Samstag fiel auf Korsika der Startschuss zur Jubiläumsausgabe des wichtigsten Radrennens der Welt. Nur die beiden Weltkriege konnten die Mammutveranstaltung stoppen, ansonsten überstand die drittwichtigste Sportveranstaltung überhaupt (nach Olympia und Fußball-WM) sämtliche Skandale und Skandälchen unbeschadet.
Der KURIER wagt einen Blick auf die Geschichte, Geschichten und Zahlen hinter der dreiwöchigen Sportshow der Superlative, die im Jahr 2013 wohl das bedeutendste Ereignis im Weltsport darstellt:
1Österreicher trug bisher das Gelbe Trikot des Gesamtführenden: Max Bulla (1905– 1990) gewann 1931 drei der 24 Etappen, 1933 siegte er bei der Tour de Suisse. 2005 gewann Georg Totschnig als einziger Österreicher der Nachkriegszeit eine Etappe (in Ax-3-Domaines). Bernhard Kohl holte 2008 das Bergtrikot – und wurde danach des Dopings überführt.
3 Etappen werden heuer erstmals auf Korsika gefahren. Das kostete die Bewohner der Insel allein an Startgeld 3,5 Millionen Euro.
7 Gesamtsiege en suite feierte Lance Armstrong zwischen 1999 und 2005. Bei allen sieben war der Amerikaner gedopt, wie er im Jänner 2013 zugab. Alle Titel wurden ihm nachträglich aberkannt.
10 Kilometer lang ist die Werbekarawane, die eine Stunde vor den Rennfahrern die Strecke abfährt. Es dauert zirka 40 Minuten, bis alle 200 Fahrzeuge an einem Punkt vorbeigefahren sind.
19 Jahre jung war Henri Cornet, als er 1904 die Tour de France gewann. Der Franzose siegte nur deshalb, weil vier vor ihm platzierte Fahrer Abkürzungen oder die Eisenbahn benutzt hatten und disqualifiziert wurden.
25,6 km/h betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit bei der Tour-de-France-Premiere 1903.
50,3 km/h betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit der Etappe von Laval nach Blois am 7. Juli 1999, die Mario Cipollini nach 191 Kilometern im Sprint gewann. Beim Sieg von Lance Armstrong 2005 betrug die Durchschnittsgeschwindigkeit nach 3593 Kilometern 41,6 km/h. Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde die gesamte Tour noch mit durchschnittlich 37 km/h gefahren. Mit Beginn des EPO-Dopings anfangs der 1990er-Jahre stieg der Wert deutlich an.
198 Fahrer aus 22 Rennställen nehmen an der Tour teil. Erstmals seit 2001 ist kein Österreicher am Start.
280 Stunden überträgt Eurosport, 87 Stunden davon live.
471 Kilometer maß die längste Etappe der Tour-Geschichte, von Nantes nach Paris. 1903 gewann Maurice Garin in 18:09 Stunden, ein Jahr später brauchte Jean-Baptiste Dortignacq für die gleiche Strecke 19:28:10.
3479 Kilometer ist die Strecke heuer insgesamt lang. Die längste Tour de France führte im Jahr 1926 über 5745 Kilometer.
6057 Francs Preisgeld erhielt Maurice Garin, der erste Sieger der Tour de France, das entspricht nach heutigen Verhältnissen rund 21.000 Euro. 1903 wurden insgesamt 20.000 Francs an die Besten ausgeschüttet. Heuer gibt es insgesamt 2.023.300 Euro.
14.798 Herren haben bisher die Tour de France bestritten. 8357 kamen ins Ziel.
426.678 Kilometer wurden bei den bisherigen 99 Tours de France zurückgelegt. Das ist weiter, als es von der Erde zum Mond wäre.
450.000 Euro an Preisgeld bekommt der Gesamtsieger. Je 25.000 Euro gehen an die Gewinner des Grünen und des gepunkteten Trikots. Ein Etappensieger erhält 22.500 Euro, der Sieg beim Mannschaftszeitfahren ist 25.000 Euro wert.
2802 Meter hoch ist der Col de la Bonette, der höchste Pass, der bei der Tour jemals gefahren wurde – zuletzt 2008.
12 Mio. Fans stehen während der dreiwöchigen Rundfahrt am Straßenrand.
30 Mio. Euro spült die Tour de France Jahr für Jahr in die Kassen der Amaury Sport Organisation (ASO), die die Tour de France veranstaltet. Das Geld kommt vor allem von Sponsoren (40 Prozent) und von den TV-Anstalten, die die Rechte kaufen. Die ASO gehört zum Pressekonzern Éditions Philippe Amaury, der die Sportzeitung L’Équipe und die Boulevardzeitung Le Parisien herausgibt, und veranstaltet unter anderem auch den Radklassiker Paris–Roubaix sowie die traditionsreiche Rallye Dakar.
Tony Martin hat die Veranstalter der Tour de France erneut kritisiert: Die Abfahrt vom Col de Sarenne auf der Königsetappe am 18. Juli sei lebensgefährlich. Der zweifache Zeitfahr-Weltmeister aus Deutschland spricht vielen Kollegen aus dem Herzen: „Ich hätte kein Problem, die Sache ruhiger angehen zu lassen und nur darauf zu achten, nicht aus dem Zeitlimit zu fallen. Mein Leben ist mir lieber.“
Auch der frühere Tour-de-France-Sieger Andy Schleck stellte sich in die Reihe der Kritiker. „Da kannst du 500 Meter tief fallen, wenn du stürzt. Wir waren schockiert, als wir die Strecke nach der Dauphiné-Rundfahrt inspizierten. So etwas ist unverantwortlich. Das ist nicht zu akzeptieren“, sagte der Luxemburger.
Die Verantwortlichen des Giro d’Italia hatten vor zwei Jahren das gleiche Problem mit dem Monte Crostis nahe der Kärntner Grenze – erst nach tagelangen Protesten im Feld und Boykottdrohungen (zuvor war der Belgier Wouter Weylandt in einer Abfahrt zu Tode gestürzt) reagierten die Organisatoren.
Ob das Tour-Veranstalter ASO auch tut? Tony Martin fürchtet, dass das nicht passiert: „Die Abfahrt müsste irgendwie neutralisiert werden, aber die Tour ist zu groß – ich glaube, da passiert nichts. Ich frage mich: Wer hat das geplant?“
Und darum geht’s: Erstmals soll zwei Mal an einem Tag der legendäre Anstieg in die Skistation Alpe-d’Huez gefahren werden; damit ein Rundkurs entsteht, wird die teils nicht asphaltierte Straße über den 1999 Meter hohen Col de Sarenne genutzt und eigens für die Tour um eine halbe Million Euro befahrbar(er) gemacht. Der Haken: „Ich kenne keine Abfahrt mit diesem hohen Gefahrenpotenzial“, sagte Martin.
Schützenhilfe bekommen die Fahrer inzwischen von eher unerwarteter Seite: Umweltschützer wehren sich gegen die Passage des Tour-Trosses mit seinen Dutzenden Begleitfahrzeugen – denn die Straße führt durch ein Naturschutzgebiet.
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