Auftakt zur Jubiläums-Tortur in Korsika
Doping, Doping, Doping! Fast jedes Jahr ein neuer Skandal. Oder ein spätes Geständnis. Oft schon wurde das Ende des Radsports prophezeit.
Doch der Radsport hat die Tour de France, und die Rundfahrt durch Frankreich ist längst ein Mythos, der durch nichts und niemanden umzubringen ist.
„J-7“ – noch sieben Tage! Corse Matin zählt in ihrer Samstags-Ausgabe den Countdown bis zum Start in Porto Vecchio herunter. Mit einem großen Logo auf dem Cover und einer dicken Extra-Beilage zur Tour de France. „Eine historische Tour, und das bei uns zu Hause!“ steht auf der Titelseite. Eine Boutique in der Hauptstadt Ajaccio feiert das Ereignis mit einem „Tour-de-France-Ausverkauf“, ein Supermarkt in Porto Vecchio wird am Samstag Freibier ausschenken. „Wir haben 3,5 Millionen Euro und wahnsinnig viel Arbeit investiert, damit wir die Tour für drei Etappen nach Korsika holen“, sagt Stėphane Orsoni vom korsischen Tourismusverband. „Aber angeblich bekommen wir für jeden Euro, den wir investieren, zehn Euro zurück. Die Insel wird bekannter in der Welt. Vier Milliarden Menschen werden Bilder von der Tour sehen.“
1903 wurde die legendäre Rundfahrt zum ersten Mal ausgetragen, paradoxerweise organisiert von der Zeitschrift L’Auto, die ihren Umsatz steigern wollte. Nur während der Weltkriege fiel die Veranstaltung aus. Heuer findet die 100. Ausgabe der Tour de France statt. Der Klassiker ist mit keinem anderen Sportereignis zu vergleichen. Er ist der Traum jedes Hobby-Radsportlers, Synonym für Leiden und Ekstase, Doping und Medienwahnsinn.
Sommer für Sommer brechen Millionen Menschen in Richtung Alpen und Pyrenäen auf, sie investieren Geld und Urlaub, sie campieren auf Passhöhen und Feldern. Alles nur, um ein Mal einen kurzen Blick auf ihre Helden zu erhaschen.
Ein kilometerlanges Menschenband bildet sich an den legendären Aufstiegen zu Tourmalet, Galibier, Mont Ventoux und nach Alpe d’Huez. Namen, die ebenso Legende geworden sind wie jene der Seriensieger: Fausto Coppi (It) gewann zwei Mal, Jacques Anquetil (F), Eddy Merckx (Bel), Bernard Hinault (F) und Miguel Indurain je fünf Mal. Lance Armstrong (USA) wurde nach seinen sieben Siegen als größter Doping-Betrüger der Sportgeschichte entlarvt.
Wertvollster Titel
Ein Etappensieg zählt oft mehr als ein WM-Titel, ein Gesamtsieg deutlich mehr als ein Olympiasieg. Wer sich gut präsentiert, steigert seinen Marktwert exponentiell, wer die Tour de France gewinnt, hat ausgesorgt: Überraschungssieger kann es nach drei Wochen Schinderei nicht geben.
Doch die Tour ist auch ein jährlich wiederkehrendes Theater in 21 Akten. Aufwendig produziert, mit 200 Schauspielern und Tausenden Statisten. Die Bühne hat heuer eine Länge von 3360 Kilometern, Kulisse sind die schönsten Berge und Schlösser Frankreichs. Stets hat die Aufführung zwei Hauptdarsteller: den Favoriten auf den Gesamtsieg, Christopher Froome (Gb). Und seinen von den Medien zum schärfsten Widersacher hochstilisierten Gegner, heuer Alberto Contador. Der Spanier ist bereits zweifacher Sieger der Tour de France. Ein dritter Erfolg wurde ihm nachträglich aberkannt.
Wegen Dopings.
Die Jubiläumstour beginnt am 29. Juni erstmals auf Korsika (Startort ist Porto Vecchio) und endet am 21. Juli in Paris. Erstmals wird der Anstieg nach Alpe d’Huez auf einer Etappe zwei Mal befahren, und erstmals gibt es heuer eine Nachtetappe – der letzte Abschnitt nach Paris beginnt erst am Nachmittag, die Zielankunft auf den Champs-Élysées wird rund um den Sonnenuntergang geschehen.
Außerdem wird der Rundkurs über die Prachtstraße nicht schon vor dem Arc de Triomphe wenden, sondern erst auf der Place Charles-de-Gaulle dahinter.
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