Tour: Cadel Evans siegt und weint
Wer schläft, sündigt zwar nicht - wer zu lange schläft, wird zuweilen aber trotzdem bestraft.
Da hatten die luxemburgischen Gebrüder Schleck alles dafür getan, endlich einmal bei der Tour de France den prestigeträchtigen Sieg davonzutragen, ein eigenes, sündteures Team gegründet, das beste Material eingekauft, die besten Betreuer um sich geschart, und dann passiert am wichtigsten Tag in der Karriere von Andy und Fränk Schleck das:
Der Gesamtführende und sein zweitplatzierter Bruder reisten am Samstag zu spät nach Grenoble, wo das entscheidende Einzelzeitfahren auf dem Fahrplan stand. Und als die beiden mit ihrem Schweizer Leopard-Trek-Kollegen Fabian Cancellara, immerhin der weltbeste Zeitfahrer der Gegenwart, die 42,5 Kilometer besichtigen wollten, da war die Strecke schon gesperrt.
Déjà-vu
Zeitfahren? Leopard-Trek? Da war doch was? Richtig, da war was, und es trug sich exakt am Samstag zwei Wochen zuvor am Neusiedler See zu: In Podersdorf war nämlich Schleck-Schleck-Cancellara-Teamkollege Thomas Rohregger bester Dinge, aufs Podium der Österreich-Rundfahrt zu düsen. Weil es aber sein Techniker verabsäumte, den Chip für die Zeitnahme zu montieren, setzte es 20 Sekunden Zeitstrafe und 20 weitere, weil der Tiroler später auch noch eine Kurve schnitt - futsch war der dritte Platz.
Nicht viel anders verhielt es sich am Samstag mit den Favoriten der Tour de France. Der Australier Cadel Evans, der die Strecke in den Hügeln rund um Grenoble erst vor einem Monat beim Critérium du Dauphiné gefahren war, nutzte seinen Vorteil, und er nutzte auch seine Fähigkeiten im Kampf gegen die Uhr ideal. Platz 2 hinter dem Deutschen Tony Martin (der schon die Generalprobe gewonnen hatte) genügte, um komfortabel ins Gelbe Trikot zu schlüpfen, und dieses wird der 34-Jährige am Sonntag nach Paris tragen. Denn wie es Brauch ist bei Rundfahrten, wird der Führende im Gesamtklassement nicht mehr attackiert.
Evans konnte seinen Erfolg kaum fassen - und ließ seinen Freudentränen freien Lauf.
Vorgeschmack
Eine letzte Entscheidung steht am Sonntag freilich noch an: jene über den Gewinner des grünen Trikots. In der Poleposition steht der Brite Mark Cavendish, der auf den Pariser Champs-Elysées erstmals als bester Sprinter der Tour de France ausgezeichnet werden möchte.
Mitfreuen würde sich nur zu gern auch der österreichische Einzelkämpfer bei der heurigen Frankreich-Rundfahrt: der Steirer Bernhard Eisel, Cavendishs Team- und Zimmerkollege, der von HTC-Highroad mit der Kapitänsehre ausgezeichnet wurde. Am Samstag gab es schon einmal einen Vorgeschmack - Etappensieger Tony Martin ist nämlich auch ein Teamkollege des Duos.
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