Thiem schreibt Krankengeschichte: Was ihm für die Nr. 1 fehlt
Gründe für eine Verkühlung oder einen im Körper einquartierten Virus zu finden, sind Angelegenheit der Mediziner. Bei der Viersatz-Niederlage gegen den Italiener Thomas Fabbiano zum Auftakt der US Open, war klar ersichtlich: Dominic Thiem hat es nicht geschafft, rechtzeitig spieltauglich zu werden, nimmt es aber nicht dramatisch: "Ich glaube, dass zwei Verkühlungen pro Jahr relativ normal sind. Es hat jeder von den Spielern immer wieder irgendwelche Problemchen." Blöd, dass dies heuer zum zweiten Mal bei einem Grand-Slam-Turnier passierte, bei den Australian Open musste er in Runde zwei gar aufgeben.
Gewiss, Thiem, der als Teenager aufgrund eines Darmbakteriums sogar Jahre verlor, ist einer der wenigen, die auch aufgrund seiner Fitness und der guten Arbeit von Pyhsio Alex Stober noch keine schwere Verletzungen hatten. Doch Erkrankungen versauten die Grand-Slam-Bilanz heuer.
Djokovic hatte erst vor kurzem verkündet, dass Thiem die künftige Nummer eins wird. Vor Erkrankungen ist man nie gefeit, doch was kann der bald 26-Jährige beitragen, um Djokovic’ Prophezeiungen umzusetzen:
Weniger kleinere Turniere
Wenn das Ausnahmetalent Nummer eins werden will, muss er weniger auf kleineren Hochzeiten tanzen. Der Ranglisten-Vierte spielte heuer neben den Grand-Slam-Turnieren und den ATP-1.000-Events zudem bei drei ATP-500- bzw. ebenfalls drei ATP-250-Turnieren. Was taten die Stars vor ihm im Ranking abseits der Top-Turniere (Grand Slams und ATP-1.000): Der Ranglisten-Erste Novak Djokovic konzentrierte sich komplett auf das Wesentlichste, er spielte nur das Vorbereitungsturnier in Doha (250er) zu Jahresbeginn, wo die Stars mit Geld „zugeschüttet“ werden.
Rafael Nadal, die Nummer zwei, nahm lediglich zwei 500er-Turniere mit (Acapulco und Barcelona) genauso wie Roger Federer (Dubai und Halle). Gewiss: Djokovic ist 32, Nadal 33 und Federer mittlerweile 38, alle drei spielten in Thiems Alter ähnlich viel. Aber: Auch eine erlesene Auswahl an Turnieren sorgt dafür, dass diese drei Herren seit mehr als einem Jahrzehnt jetzt noch an der Spitze zu finden sind.
Früher nach Amerika
Der Abstecher zum bestens organisierten Turnier in Kitzbühel mit dem lang ersehnten Heimsieg stärkte das Selbstvertrauen. Auf lange Sicht muss freilich die Sinnfrage gestellt werden.Wäre Thiem eine Woche früher nach Übersee gereist, hätte er die Viruserkrankung nicht verhindert, aber an Ort und Stelle mehr Zeit gehabt, fit zu werden. Denn am meisten geschwächt ist Thiem nach langen Reisen. Ideal wäre eine Vorverlegung des Kitzbüheler Turniers.
Weniger Verpflichtungen eingehen
Tennis ist ein Einzelsport. Auch, wenn Thiem, was auch für ihn spricht, immer gerne für Österreich spielt: Wichtiger als eine Daviscup-Teilnahme in Finnland (13. und 14. September), wäre eine vollständige Regenation und ein guter Aufbau. Er wird wieder spielen, wenn er gebraucht wird, in Finnland geht’s ohne ihn. Im Februar verzichtete er auf das Chile-Spiel, agierte dann zwar in Buenos Aires und Rio nicht hochklassig, holte aber (nach einem kurzen Aufbau) in Indian Wells seinen größten Titel. Djokovic (zwei Jahre nicht dabei), Nadal (eine Teilnahme in drei Jahren) und Federer (zuletzt 2015) sagen öfter ab als zu.
Dominic Thiem, die Eckdaten
Preisgeld: Dominic Thiem hat in seiner Karriere bislang 27.302.125 Dollar verdient (etwa 23 Mio. Euro). Das Preisgeld von den ATP Finals nicht dazugerechnet.
4,3 Millionen Euro hat Dominic Thiem allein in diesem Jahr an Preisgeld verdient.
Stärken: Der Aufschlag und die Vorhand sind die Schläge, mit denen er die Matches gewinnt. Thiem ist zudem extrem ausdauerstark.
Schwächen: Mittlerweile ist Thiem vielseitiger, auch der Return ist verbessert. Anfällig war er in den letzten Jahrem immer wieder für Erkrankungen.
Zauber: Dominic Thiems sehenswertester Schlag ist die Rückhand. Sein Ex-Trainer Günter Bresnik ließ ihn diese auf eine einhändige umstellen, als er zwölf war.
Verletzungen: Dominic Thiem blieb von schweren Verletzungen verschont. 2018 pausierte er mehrere Wochen wegen eines Knochenmarksödems im Knöchel.
Team Thiem: Der Chilene Nicolas Massu (39) folgte auf Günter Bresnik als Trainer, dazu kommt Physio Alex Stober und Fitnesscoach Duglas Cordero. Manager ist Herwig Straka.
National-Thiem: Thiem war sechs Mal im Daviscup-Team, im Einzel gewann er acht von elf Partien.
Allrounder: Thiem gewann als einziger Österreicher ATP-Turniere im Einzel auf allen Belägen (Sand, Hartplatz, Rasen).
Grand-Slam-Bilanz: Sein Top-Turnier sind die French Open. Dort stand er 2016 und 2017 im Semifinale, 2018 und 2019 unterlag er im Finale jeweils Rafael Nadal. Mit seiner Final-Teilnahme bei den Australien Open 2020 konnte er seine dritte Finalteilnahme verbuchen. Jedoch verlor er auch dieses Endspiel knapp.
Titel: Der größte seiner 16 Turniersiege gelang letztes Jahr in Indian Wells. Es war sein erster Triumph bei einem ATP-1000-Event. Der emotionalste Sieg war jener in Kitz’ 2019, wo er den „Heimsieg“ holte.
Lieblingsorte: Thiem liebt New York und privat die deutsche Insel Sylt.
Sponsoren: Thiem setzt auf Bank Austria, Adidas, Kia, Babolat, Rolex und Red Bull. Was den Brutto-Medienwert betrifft, war im Februar 2019 Thiem mit 3,8 Millionen Euro hinter Ski-Star Marcel Hirscher (10,4 Mio.) Nummer zwei.
Fußball: Seine große Leidenschaft neben dem Tennis. Thiem ist Fan des englischen Topklubs Chelsea und hat selbst ein Team, den TFC Matzendorf.
Familie: Vater Wolfgang und Mutter Karin sind Tennislehrer. Wolfgang Thiem leitet mit Günter Bresnik das Leistungszentrum in der Südstadt. Bruder Moritz spielt ebenso.
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