Thiem nach Bresnik-Aus: "Glaube, dass der Schritt notwendig war"
Er arbeitet das ganze Jahr auf seinen großen Saisonhöhepunkt hin, nun ist es so weit: Für Dominic Thiem stehen seine sechsten French Open vor der Tür, und der 25-jährige Niederösterreicher ist erstmals als Nummer 4 gesetzt. Nach seinem ersten Training auf dem brandneuen Center Court gab Thiem bereitwillig lange Auskunft. Noch nie war der Eindruck so klar: Er ist gekommen, um den Titel zu holen.
"Der Center Court taugt mir richtig. Er schaut ein bisserl wie ein Fußball-Stadion aus, weil es oben in den Ecken so rund ist", freute sich Chelsea-Fan Thiem nach der Einheit. Am Montag geht es endlich los für den Vorjahresfinalisten, sein erster Gegner ist der US-Amerikaner Tommy Paul. "Ich bin auf alles vorbereitet, es ist gut gegangen die letzten Tage. Ich freue mich, dass es am Montag losgeht."
Zuversichtlich
Und der Blick zurück gerade auf Roland Garros gibt ihm Zuversicht. "Ich habe die letzten drei Jahre hier immer sehr, sehr gut gespielt. Semifinale, Semifinale, Finale - das einzige verbliebene Ziel bei diesem Turnier ist der Turniersieg", sprach der diesjährige Indian-Wells- und Barcelona-Champion Klartext. Dem ordnet er alles unter. Gleichzeitig wisse er aber auch, wie schwer sein Vorhaben zu realisieren ist.
Dennoch zählt Thiem noch mehr als vor einem Jahr neben Rafael Nadal und Novak Djokovic zum engsten Favoritenkreis. "Ich glaube, dass ich auf jeden Fall zur Zeit das beste Tennis spiele, das ich je gespielt habe", sagt der Lichtenwörther. Auch seine Saison ist für ihn bisher die beste. "Nadal ist immer der Topfavorit da auf den Titel. Ich glaube und hoffe, dass die Lücke zu ihm ein bisserl kleiner geworden ist. Aber es sind auch ein paar neue Spieler hinzugekommen, die ein heißes Wort um den Titel mitreden werden. Wie zum Beispiel für mich (Stefanos) Tsitsipas.
"Wir haben 17 Jahre unglaublich gut zusammengearbeitet"
Thiem blickt nicht nur auf bereits große Erfolge 2019 zurück, sondern auch auf einschneidende Veränderungen in seinem Umfeld. Zunächst wurde Nicolas Massu zum Touring-Coach, und dann erfolgte stufenweise die komplette Abnabelung von Langzeit-Trainer, Mentor und Manager Günter Bresnik. Erst am Donnerstag wurde bekannt, dass Herwig Straka Bresnik als Manager ablöst.
Es war ein Prozess, der sich über mehrere Wochen gezogen hat. "Die ganze Situation hat mich jetzt nicht wirklich belastet, aber es war schon ein gewisser Stress die ganze Zeit da. Weil ich bin von richtig langen Turnierreisen zurückgekommen und habe mich dann halt meistens zu Hause nur um das gekümmert, weil halt sehr viele Dinge zu erledigen waren", gestand Thiem. Die Beziehung zu Bresnik sei sehr speziell: "Weil es so früh begonnen hat, weil wir gemeinsam so viel erreicht haben." Thiem spricht von einer großen emotionalen Bindung, dabei seien Trennungen im Sport etwas völlig Normales.
"Wir haben 17 Jahre unglaublich gut zusammengearbeitet. Der Günter hat mich von einem Kind, das nicht Tennis spielen hat können, bis ganz nach oben geführt, was ein Wahnsinn ist, und wofür ich ihm auch ewig dankbar bin. Aber ich glaube auch, dass der Schritt notwendig war", erklärte der Weltranglisten-Vierte. Und er sieht darin auch eine Chance, nun den Weg für Größeres freigemacht zu haben. "Hoffentlich war es der letzte große Schritt in meiner Karriere, der mich zu den ganz großen Erfolgen führt. Deshalb habe ich es gemacht. Natürlich haben ein paar andere Dinge auch eine Rolle gespielt."
Ob die wochenlangen Gespräche natürlich auch mit Straka zu einer einmaligen Abschlagzahlung oder einer zusätzlichen weiteren finanziellen Beteiligung von Bresnik geführt haben? "Über das werden wir sicher nicht reden", stellte Thiem klar. Im Gegensatz zu Alexander Zverev, der sich mit seinem Ex-Manager gerichtlich auseinandersetzen muss, ist es bei Thiem/Bresnik aber nie so weit gegangen. Thiem: "Nein, das überhaupt nicht. Wir haben immer eine sehr gute Beziehung gehabt, und die haben wir noch immer. Es hat nie einen großen Streit gegeben. Das war das Letzte, was wir beide wollten, dass wir uns vorm Richter sehen."
Die Anforderungen an einen Top-Five-Spieler sind noch mehr geworden. Erhöhtes Medien- und Fan-Interesse, Sponsorentermine, Videodrehs - dafür braucht es ein hochprofessionelles Umfeld. "Genau deshalb, weil ich so weit oben stehe, auch schon seit drei Jahren, habe ich auch den Schritt gemacht, dass ich jetzt mit Herwig zusammenarbeite, weil der das perfekt abwickeln kann alles, der mir die Sachen so leicht wie möglich macht, was in den letzten drei Jahren immer wieder schwierig war."
Nun gilt aber der volle Fokus auf die French Open. "Die Auslosung ist richtig schwierig", erklärte Thiem. Paul etwa hat 2015 in Roland Garros den Juniorentitel geholt. "Der hat gar nichts zu verlieren und das wird schon mal richtig gefährlich. Ich kenne die ganze Auslosung, aber trotzdem schaue ich nur, dass ich einmal die erste Runde überstehe. Ich muss von Anfang an hellwach sein."
"Deutsche und Schweizer haben uns auf der Schaufel"
Thiem, der wie im Vorjahr bei seiner Freundin Kiki Mladenovic unweit der Anlage wohnt, äußerte sich darüber hinaus auch zu ein paar anderen Themen - auch zu den beiden Österreich bestimmenden Nachrichten der vergangenen Woche.
Zum Ableben von Niki Lauda: "Für mich ist das der größte Sportstar aller Zeiten in Österreich. Dreimal Formel-1-Weltmeister ist ein Wahnsinn. Und auch sonst war er eine unglaubliche Persönlichkeit - jedes Mal, wenn er gesprochen hat, habe ich natürlich zugehört, weil immer irgendetwas Interessantes gekommen ist. Wirklich eine einmalige Persönlichkeit. Er ist leider zu früh von uns gegangen, aber ich glaube auch, dass er sehr viel mehr erlebt hat in einem Leben, als andere in zehn Leben erleben würden. Der hat sein Leben schon sehr ausgekostet, trotzdem ist es traurig. Aber er wird niemals in Vergessenheit geraten."
Zur Regierungskrise in Österreich: "Ich sage nichts, aber ich habe natürlich das Video gesehen." (lacht) - Ob er von seinen Tenniskollegen deshalb veräppelt wird? "Sicher werde ich gerollt, es ist bitter, dass in Österreich so etwas passiert, weil uns jetzt die Deutschen und Schweizer auf der Schaufel haben."
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