Von deutsch-österreichischen (Arbeits-)Beziehungen und Wiener Schmäh

Von deutsch-österreichischen (Arbeits-)Beziehungen und Wiener Schmäh
Vor dem Hit im Prater: Warum Julian Nagelsmann als PR-Manager für Wien durchgehen kann, welche Deutschen in Österreich arbeiten und umgekehrt.

Dem neuen deutschen Teamchef Julian Nagelsmann, 36, gebührt ein Dankschreiben vom Wien-Tourismus. Ließ er doch deutsche Medien wissen , wie sehr er sich auf die „wunderschöne Stadt“ und ihr traditionsreiches Stadion freue. Dort, im 92 Jahre alten Prater-Oval, gastiert Dienstag erstmals seit dem 11.September 2012, als Nagelsmann noch Jugendtrainer von Hoffenheim war und Österreich in der WM-Qualifikation 1:2 verlor, die deutsche Nationalelf.

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Inzwischen wurde der nachbarliche Einfluss auf Fußball-Österreich noch größer. ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick, 65, ist wie dessen Vorgänger Franco Foda Deutscher. Austria-Trainer Michael Wimmer, 43, ist Deutscher. Rapids neuer Finanzdirektor Marcus Knipping, 59, ist (wie der von der grünweißen Kultfigur zum Geschäftsführer gewordene Steffen Hofmann, 43) deutscher Staatsbürger. Auch der neue Sportdirektor Bernhard Seonbuchner, 40, von Meister Salzburg und der Alleroberste des sportlichen Red Bull-Konzerns, Oliver Mintzlaff, 48, sind Deutsche.

Umgekehrt genießen Ösis im kleinen Fußball-Grenzverkehr immer mehr Akzeptanz. Dass ein früherer Salzburger Zweitligakicker als Sportdirektor (Christoph Freund, 46) beim FC „Mir san mir“-Bayern amtiert, war lange Zeit undenkbar. Oliver Glasner, 49, der sich nach aufregend erfolgreichen Frankfurter Zeiten (Europa-League-Pokalsieg) eine schöpferische Pause gönnt, wird bei jedem Trainerwechsel (aktuell Union Berlin) als Topkandidat ins Nachfolgerspiel gebracht.

27 Österreicher, darunter Florian Kainz (Köln), Christopher Trimmel (Union) und Kevin Stöger (Bochum) als Kapitäne, bereichern Deutschlands Klubfußball. Es werden bald noch mehr sein, wenn die von der U-21-Auswahl des Werner Gregoritsch, 65, beim beeindruckenden 2:0 gegen Frankreich gezeigte Leistung keine Eintagsfliege bleibt. Abgesehen davon, dass sogar in der zweiten deutschen Liga besser bezahlt wird als (Salzburg ausgenommen) in Österreichs erster.

So unterschiedlich die Verdienstmöglichkeiten sind, so sehr fallen sportliche Parallelen auf: In den deutschen Ballungszentren werden ähnlich wie in Wien die Nachwuchs- und Amateurligen von Ballbegeisterten mit Migrationshintergrund dominiert. Bei den Profis trafen und treffen in Deutschland nicht deutsche Stürmer (Ausnahme war in der letzten Saison Niclas Füllkrug, 30), sondern Legionäre wie Robert Lewandowski (jetzt Barcelona) und Harry Kane, 30, plus Stuttgarts Serhou Guirassy, 27, am meisten. Während’s hierzulande der unverwüstliche Kärntner Guido Burgstaller nach der Deutschland-Heimkehr schaffte, mit 34 im Rapid-Trikot als erster Österreicher seit 2013 österreichischer Schützenkönig zu werden.

Österreich wurde Ausbildungsstätte für „Restverteidigung“ und die „falsche Neun“. So heißt’s auf Fußball-Neudeutsch. Das ist kein Wiener Schmäh. Der gerät in der humorbefreiten Kickerszene der „wunderschönen Stadt“ ohnehin aus der Mode.

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