Tabak im Spitzensport weit verbreitet
Jeder vierte Spitzensportler konsumiert nikotinhaltige Produkte wie Kautabak, Schnupftabak oder "Snus". Das zeigt eine Untersuchung des Schweizer Labors für Dopinganalysen am Universitätsspital Lausanne. Die Forscher hatten 2.185 Urinproben von Athleten aus 43 Disziplinen untersucht.
Das Team um Laborleiter
Francois Marclay hatte bereits gezeigt, dass während der Eishockey-Weltmeisterschaften 2009 in der Schweiz mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Spieler kurz vor oder gar während des Spiels Tabakprodukte einnahmen. Am ehesten in Frage kommt "Snus" - Tabak, der in Säckchen verpackt zwischen Zahnfleisch und Oberlippe geklemmt wird.
Doch die Eishockeyspieler sind nicht alleine: In der neuen, im Fachmagazin Forensic Science International publizierten Studie bestätigen Marclay und seine Kollegen den Verdacht, dass auch viele andere Spitzensportler Tabakprodukte nehmen. Insgesamt fanden die Forscher in 23 Prozent der untersuchten Urinproben Nikotinspuren.
Aufputschmittel
Laut den Forschern deuten die Nikotinkonzentrationen darauf hin, dass viele Sportler unmittelbar vor oder während des Wettkampfs Nikotin zu sich nehmen, für die Forscher ein Beleg, dass sich die Athleten mit Nikotin aufputschen wollten.
Nikotin hat einen stimulierenden Effekt. Es erhöht den Puls und den Blutdruck und steigert den Adrenalinspiegel. Daneben entspannt es aber auch, indem es Stress abbaut. So werden die Aufmerksamkeit und die kognitiven Funktionen verbessert. Nikotin mache gleichzeitig hellwach, konzentriert und entspannt, sagte Marclay.
Die Forscher untersuchten für die Studie Urinproben von Schweizer Sportlern oder von Sportlern, die an Wettkämpfen in der
Schweiz teilnahmen. Sie verglichen die Werte von so verschiedenen Sportarten wie Eishockey, Ski alpin, Biathlon, Bobfahren, Fußball, Basketball, Volleyball, American Football, Ringen und Turnen.
Je nach Disziplin konsumierten 19 bis 55 Prozent der untersuchten Athleten Nikotinprodukte. Am höchsten waren die Werte im American Football (55 Prozent), gefolgt von Eishockey und Ringen (je 32), Bobfahren (30), Turnen (29), Rugby (28), Ski Alpin (26) und Basketball (25). Die Resultate seien alarmierend, schreiben die Forscher.
Die Praxis gelte in Sportlerkreisen als offenes Geheimnis, sagte Marclay. Gerade bei jungen Sportlern bestehe die Gefahr einer Art Gruppenzwang, wenn etwa in der Umkleidekabine "Snus" konsumiert werde. Hier gehe es auch um Gesundheitsprävention: "Snus" kann zu Nikotinabhängigkeit führen und das Risiko für Bauchspeicheldrüsen-und Mundhöhlenkrebs erhöhen.
Doping?
Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat
Nikotin derzeit nicht auf die Liste der verbotenen Substanzen gesetzt. Als Folge der Lausanner Studie gehört es aber zum Überwachungsprogramm 2012. Diverse Labors analysieren heuer die Proben aus Wettkämpfen aller Sportarten auch auf Nikotin.
"Das ein guter erster Schritt auf dem Weg, dieses Problem ernster zu nehmen", sagte Marclay. Um im Sport verboten zu werden, muss die WADA für eine Substanz drei Kriterien erfüllt sehen: Sie steigert die Leistung, sie beinhaltet Gesundheitsrisiken und sie widerspricht dem Sportgeist.
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