Stefan Denifl: Vom Titelverteidiger zum Pechvogel

Vor einem Jahr war Stefan Denifl der strahlende Triumphator.
Stefan Denifl baute beim letzten Training vor dem Start der Österreich-Rundfahrt in Feldkirch einen kapitalen Sturz.

Es gibt Momente, in denen Sieg und Niederlage nicht einmal mehr ansatzweise interessieren. Stefan Denifl, der Titelverteidiger bei der Österreich-Rundfahrt, hatte unmittelbar vor dem Start der 70. Ö-Tour genau so einen: Der Stubaitaler wollte sich im Zillertal noch ein letztes Mal in Schwung bringen für die anstehende Aufgabe – doch in einer Abfahrt stürzte der 30-Jährige schwer. Wie das Ganze passiert ist? Der Tiroler wusste es auch am Freitag noch nicht, eine schwere Gehirnerschütterung hat die Erinnerung ausgelöscht.

„Mein Helm hat mir wohl das Leben gerettet oder mich zumindest vor viel Schlimmerem bewahrt“, sagte der Vater eines knapp einjährigen Sohnes, der wohl aufgrund eines Fahrfehlers aus der Bahn geworfen wurde. Dass er damit um die Chance umfällt, sich auf der zweiten Ö-Tour-Etappe am Sonntag in seiner Heimatgemeinde Fulpmes auch einmal beruflich zeigen zu können, wurmt Denifl: „Bei meinen Fans und Unterstützern, speziell bei meiner Heimat Stubai möchte ich mich entschuldigen – ich wünschte, ich könnte dabei sein.“

Zumindest blieb Stefan Denifl ansonsten körperlich unversehrt, doch das zweite große Saisonziel – die Qualifikation für die Straßen-WM in Innsbruck – wird nun noch schwieriger zu erreichen, denn nach erneuten Knieproblemen konnte der Profi des irischen Teams Aqua Blue erst Mitte Mai ins Renngeschehen eingreifen, dies allerdings mit wechselndem bis mäßigem Erfolg (Highlight war der 14. Rang beim norwegischen Dreitagesrennen Hammer Stavanger). Umso größer waren die Erwartungen in die Ö-Tour, für die er sich nach intensiven Einheiten gut vorbereitet gefühlt hatte.

„Meine Priorität liegt nun auf einer raschen und kompletten Genesung“, sagt Denifl, dessen Traum von der Heim-WM nun schwieriger zu realisieren ist. Sein Vorteil: Die Österreicher dürfen heuer als Veranstalter mit einem zumindest sechs Mann starken Team im Straßenrennen starten.

Hohe Ziele

Während das Team Aqua Blue also auf seinen besten Mann verzichten muss, kann die Équipe Felbermayr-Simplon Wels aus dem Vollen schöpfen: Angeführt von Riccardo Zoidl, 2013 Sieger der Österreich-Rundfahrt und heuer bereits Gewinner der Tour de Savoie Mont-Blanc, wollen die Oberösterreicher auch heuer wieder aufzeigen, mit Markus Eibegger und Stephan Rabitsch hat der 30-jährige Zoidl auch starke Unterstützer neben sich.

Zudem macht sich auch der niederösterreichische Bergspezialist Hermann Pernsteiner vom World-Tour-Team Bahrain-Merida Hoffnungen auf einen Spitzenplatz – wenn er nicht seinen Teamkollegen helfen muss.

Die ersten 152,8 der insgesamt 1162,7 Kilometer werden heute um 11 Uhr in Feldkirch in Angriff genommen (Ziel am Montforthaus gegen 14.30 Uhr), und mit 2532 Metern Höhendifferenz geht es schon ordentlich zur Sache – 23.141 Höhenmeter werden bis zur letzten Zielankunft am Samstag in einer Woche in Wels überwunden sein.

Flacher Start

Ebenfalls am heutigen Samstag geht die Tour de France in ihre 105. Ausgabe, 201 Kilometer werden an der Atlantikküste von Noirmoutier-en-l’Île nach Fontenay-le-Comte absolviert (live Eurosport 11 Uhr, ARD 13 Uhr). Wie auch in den letzten Jahren schon dürfte es an den ersten Tagen im Feld wieder sehr hektisch zugehen, am Montag steht mit dem 35,5 Kilometer langen Einzelzeitfahren in Cholet ein erster Höhepunkt auf dem Fahrplan.

Einen ersten Tiefpunkt erlebte der britische Titelverteidiger Chris Froome bereits bei der Teampräsentation am Donnerstagabend: Als der vierfache Tour-de-France Sieger mit seinen Kollegen vom Team Sky zur Bühne rollte, wurden Daumen gesenkt und ein gellendes Konzert aus Pfiffen und Buhrufen dröhnte über den Platz. Das ist der Preis dafür, dass der umstrittene 33-Jährige mit viel Personal- und Materialaufwand die Welt-Anti-Doping-Agentur davon überzeugen konnte, dass seine auffällige Dopingprobe vom vergangenen September eben doch kein Doping war.

Es bleibt zu hoffen, dass sich das Ganze nun wieder beruhigt. Der Anti-Doping-Kampf und speziell seine obersten Feldherren haben jedenfalls gewaltige Schrammen davongetragen. Chris Froome wird es wohl einerlei sein – und er hat auch heuer wie schon in den letzten Jahren seinen eigenen Bodyguard um sich.

In der Tageszeitung Le Monde richtete er sich persönlich an das „faire französische Publikum“ und sprach sich dafür aus, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur die Studien in seinem Fall veröffentlicht. „Ein Rennen auf der Basis einer Lüge zu gewinnen, wäre für mich eine persönliche Niederlage. Ich könnte das niemals zulassen.“

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