Fliegen als Last: Warum Stabhochspringer lieber mit dem Auto fahren
Manchmal wird sich Riccardo Klotz wohl denken: Wäre ich doch besser ein Kugelstoßer geworden und kein Stabhochspringer. So eine Kugel geht praktisch nie kaputt, sie passt locker ins Handgepäck und kostet außerdem auch keine Unsummen.
Wenn Riccardo Klotz hingegen auf Reisen geht, dann kann er keine ruhige Kugel schieben. Mit zehn Stäben ist der Tiroler dann meist unterwegs, ein jeder von ihnen um die fünf Meter lang. Handlich geht anders. „Es gibt inzwischen fast keine Fluglinien mehr, die die Stäbe mitnehmen. Und wenn doch, dann gehen sie verloren oder kommen kaputt an.“
Heimspiel
Riccardo Klotz hat sich daher einen speziellen Dachträger organisiert und fährt nahezu alle Destinationen in Europa mit dem Auto an. Der Wettkampfkalender meint es gut mit dem 24-Jährigen. Die WM findet heuer in Budapest statt, die Olympischen Spiele 2024 sind in Paris, die EM ist später in Rom – „das geht alles mit dem Auto.“
Der erste große Wettkampf in diesem Jahr ist ohnehin nur einen Katzensprung von seiner Wohnung entfernt. Riccardo Klotz geht heute beim legendären Golden Roof Meeting in die Luft, die Maria-Theresienstraße im Herzen von Innsbruck bildet die außergewöhnliche Kulisse für die Höhenjagd.
Obwohl Klotz Heimvorteil genießt, betritt der Lokalmatador am Mittwochabend in Innsbruck in gewisser Weise auch Neuland. Denn der 24-Jährige nimmt die Saison mit längeren Stäben in Angriff. Bisher hatte Klotz auf 5-Meter-Stäbe gesetzt, die neuen Sportgeräte sind zehn Zentimeter länger. „Ich bin ein sehr großer und kräftiger Stabhochspringer und sollte daher längere Stäbe nehmen. Es wäre sinnlos, eine Stärke zu vergeuden“, sagt Klotz, der sich von der Umstellung einen nachhaltigen Effekt erhofft. „Ich will mehr Energie aus dem Stab rausholen.“
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Disziplin Österreichischer Rekord Saisonbestmarke in Österreich Weltrekord
400 m Hürden: 30. 8. 1985 Thomas Futterknecht 49,33 Leo Köhldorfer 50,93 Karsten Warholm (NOR/2021) 45,94
Hochsprung: 18. 5. 1986 Markus Einberger 2,28 m Lionel-Afan Strasser 2,05 Javier Sotomayor (CUB/1993) 2,45
Kugelstoßen: 13. 6. 1987 Klaus Bodenmüller 20,79 m Wil Dibo 17,24 Ryan Crouser (USA/2021) 23,37
Hammer: 24. 6. 1987 Johann Lindner 79,70 m Kilian Moser 57,13 Jurij Sjedych (UdSSR/1986) 86,74
Weitsprung: 4. 6. 1988 Andreas Steiner 8,30 m Samuel Szihn 7,53 Mike Powell (USA/1991) 8,95
Dreisprung: 13. 7. 1988 Alfred Stummer 16,57 m Jordan Lindinger-Asamoah 15,53 Jonathan Edwards (USA/1995) 18,29
100 Meter: 15. 8. 1988 Andreas Berger 10,15 Markus Fuchs 10,31 Usain Bolt (JAM/2009) 9,58
Stabhochsprung: 5. 7. 1991 Hermann Fehringer 5,77 m Riccardo Klotz 5,35 Armand Duplantis (SWE/2022) 6,21
800 Meter: 19. 7. 1992 Michael Wildner 1:46:21 Fabio Fister 1:52,33 David Rudisha (KEN/2012) 1:40,91
Zehnkampf: 29. 5. 1993 Gernot Kellermayr 8.320 Punkte Dominique Hall 7.498 Kevin Mayer (FRA/2018) 9.126
Puzzlespiel
Ein zehn Zentimeter längerer Stab bedeutet in der Stabhochspringer-Theorie, dass der 24-jährige Tiroler auch zehn Zentimeter höher springen kann. Das wird auch notwendig sein, um die hohen Ziele zu erreichen, die sich Klotz gesetzt hat. Er will einerseits 2024 bei den Sommerspielen in Paris starten (Limit 5,80 Meter), und er möchte den österreichischen Uraltrekord von Hermann Fehringer aus dem Jahr 1991 (5,77 Meter) brechen.
Klotz’ Bestmarke liegt aktuell bei 5,65 Metern, „wenn es gut rennt, dann könnte sich der österreichische Rekord noch heuer ausgehen. Physikalisch sollte es möglich sein“, glaubt der Heeressportler. Zwischen der grauen Theorie und der Praxis liegt freilich diese hochkomplexe und diffizile Sportart namens Stabhochsprung, in der neben Athletik, Kraft und Akrobatik auch sehr viel Körpergefühl gefragt ist. Klotz vergleicht Stabhochspringen gerne mit einem Puzzlespiel, bei dem die Teile nur schwer zusammenpassen.
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„Es ist immer schwierig, wenn man etwas verändert, wie zum Beispiel jetzt bei mir die Stablänge. Das hat sofort Auswirkungen auf den gesamten Ablauf“, erklärt Riccardo Klotz. In Hinblick auf Olympia hatte er eigentlich vor, in dieser Saison auch den Anlauf zu adaptieren. Von 18 auf 20 Schritte. Mehr Schritte heißt mehr Tempo, bedeutet im Endeffekt mehr Energie und Höhe – so die Rechnung. „Aber zwei Dinge auf einmal zu verändern, das wäre dann doch zu viel.“
Im Endeffekt kommt es bei Riccardo Klotz dann sowieso weniger auf die Länge seiner Stäbe und die Schritte im Anlauf an. Je höher sein Wohlfühlfaktor, desto höher geht’s beim Athleten aus Scharnitz. „Ich muss hungrig auf das Springen sein. Nur wenn ich Spaß habe, läuft es.“
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