Ski-Exoten: Wie von einer anderen Welt
Noelle Barahona sieht zufrieden aus. Die 24-jährige Chilenin schält sich im Zielraum von Beaver Creek gerade aus ihrem knallgelb-blauen Rennanzug. "Ich bin happy", sagt sie. Als Beweis setzt sie ein breites Lächeln auf. Barahona hat gerade ihr bestes WM-Ergebnis eingefahren: Rang 22 in der Kombination.
"Meine Eltern waren Sportler. Sie haben mich dazu ermuntert", erzählt Noelle Barahona, die Tochter einer Windsurferin und eines Seglers. "Ich habe vieles ausprobiert: Golf, Tennis, aber das hier hat mir am besten gefallen", sagt sie und zeigt auf die verschneiten Hänge der Umgebung. Die Geschwindigkeit ist es, die die Chilenin fasziniert. "Es ist wie mit einem Cabrio auf einem Highway, wenn man den Wind im Gesicht spürt", sagt Barahona, die während der Monate, die sie in Europa verbringt, mit dem französischen Team trainiert. Nach Abfahrt (35.) und Super-G (33.) will Barahona auch in Riesentorlauf und Slalom starten – wenn sie schon einmal da ist.
Die Chilenin ist längst nicht die einzige Exotin bei der WM. Schon ein alter Hase ist Jean-Pierre Roy, der 2011 in Garmisch-Partenkirchen sein WM-Debüt für Haiti gegeben hat. Er gründete den nationalen Skiverband, denn er wollte helfen, nach dem Jahrhundert-Erdbeben, das 2010 seine Heimat verwüstet hatte. Seine unbekannte Heimat – im Alter von zwei Jahren war Roy mit seinen Eltern vor der Diktatur von François "Papa Doc" Duvalier nach Frankreich geflüchtet. In der Nähe von Paris baute er sich später eine Existenz mit einer Computerfirma auf.
Keine Normalität
Das Beben, das rund 300.000 Menschenleben gefordert hatte, liegt nun schon lange zurück, doch Normalität gibt es auf Haiti noch immer nicht. "Es gibt kaum staatliche Strukturen, die Hilfe kommt nur selten an", weiß Roy, der inzwischen seine Firma verkauft hat, aber dort nach wie vor arbeitet.
Jean-Pierre Roy ist inzwischen ein Star: Felix Neureuther hat ihn schon um ein gemeinsames Selfie gebeten (!), und Ted Ligety hat überlegt: "Also ich bin jetzt 30, und du fährst immer noch WM und hast drei Enkel..." Roy will gerade noch sagen, dass er am Mittwoch eine Pressekonferenz mit dem Jamaikaner Michael Williams gibt, doch dann muss er schon mit 15 kroatischen Fans wieder auf der Medal Plaza posieren. Als er fertig ist, sagt er: "Ich habe Angst." Wovor? "Vor den eisigen Pisten." Viel Zeit ist dem Vielbeschäftigten nicht fürs Training geblieben, "aber heute, heute war er echt gut", sagt Thierry Montillet.
Cool Runner
"In der Woche nach der WM wurde ich operiert, das Knie ist wieder in Ordnung", sein Ski-Talent hat er einfach zu spät entdeckt: "2011 habe ich ja erst angefangen, wenn ich zehn Jahre früher begonnen hätte, wäre ich vielleicht zu den Olympischen Spielen gekommen." So aber blieb ihm die Reise nach Sotschi mangels Ergebnissen verwehrt, "obwohl ich extra für Rennen nach Japan geflogen bin – aber es hat nicht gereicht."
Der Sales Manager einer Schweizer Uhrenfirma für Westeuropa und Kanada sammelt Geld für Kinder auf Jamaika. Und er geht immer nach dem Motto seiner Oma vor: One coco fills the basket (ungefähr: eins nach dem anderen). Die Oma ist im Mai 2013 gestorben. 94 war sie. "Ich habe immer gedacht, dass sie 100 werden würde. Ich bin hier, um ihr die Ehre zu erweisen. Und ich ich bin sicher", sagt Michael Williams, "dass sie mir von oben zuschaut. Denn nur wegen ihr fahre ich ja für Jamaika."
Wer ihm noch zuschaut? Jean-Pierre Roy. Denn seit 2013 fahren die beiden den Karibik-Cup bei der WM aus. Und sie sind Freunde geworden. Auch das ist der Sport.
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