Sexuelle Belästigung: Eine Olympionikin bricht ihr Schweigen

Greek president meets Olympic athlete Sofia Bekatorou
Die zweifache Segel-Olympiasiegerin Sofia Bekatorou ging mit Vorwürfen an die Öffentlichkeit - und traf sich sogar mit der griechischen Staatspräsidentin.

In Griechenland mehren sich die Anzeigen von Frauen, die in der Vergangenheit Opfer sexueller Belästigung geworden sind. Die zweifache Segel-Olympiasiegerin, Sofia Bekatorou, hat als erste Frau sexuellen Missbrauch durch einen hohen Verbandsfunktionär im Jahr 1998 angezeigt und ebnete damit anderen Frauen den Weg, entsprechend Ähnliches anzuzeigen.

Knapp neun Minuten sprach die 43-Jährige. Was sie schilderte, schockierte die griechische Öffentlichkeit. Sie war einer Onlinetagung unter dem Motto „Start to talk – Brich dein Schweigen“ zugeschaltet, bei der es um sexualisierte Gewalt im Sport ging. Es handelt sich um eine Initiative des Europarats und des griechischen Sportministeriums zum Schutz MInderhähriger im Sport.

Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou traf Bekatorou, um ihr Interesse und ihre Unterstützung für die Sportlerin zu bekunden. Sie wertete das Treffen mit Bekatorou positiv und betonte, es sei das Mindeste gewesen, was sie für Bekatorou tun könne. Sie würdigte den Mut der Athletin, ihre traumatische Erfahrung öffentlich erzählt zu haben.

Olympic sailing champion Sofia Bekatorou leaves the prosecutor's office in Athens

Bekatorou steht im Zentrum des medialen Interesses. 

22 Jahre geschwiegen

Im Alter von 21 Jahren, erzählt Bekatorou, habe sie mit ihrem Segelteam an einem Wettkampf teilgenommen und sich für die Olympischen Spiele in Sydney qualifiziert. Ihre Freude sei unbeschreiblich groß gewesen, da sie zum ersten Mal in ihrem Leben an Olympischen Spielen teilnehmen würde.Nach dem Abendessen sei die Mannschaft ins Hotel zurückgekehrt. Ein Funktionär des Segelverbands sei dabei gewesen, der die Athletinnen und Athleten auf ihrer Wettkampfreise begleitete. Der Funktionär habe sie in sein Hotelzimmer gelockt und vergewaltigt. „Ich habe befürchtet, dass ich, wenn ich etwas sagen würde, alles ruinieren würde.“ Sie hätte auch niemals mit ihren Eltern darüber sprechen können, denn die hätten ihr bestimmt verboten, mit dem Segeln weiterzumachen. Deshalb hat sie geschwiegen.

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Ein Bild aus der aktiven Zeit: Bekatorou durfte bei Olympia 2016 in Rio die Flagge tragen. 

Der Funktionär trat mittlerweile zurück

Von Anfang an haben sich der griechische Premierminister Kyriakos Mitsotakis und die griechische Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou hinter Bekatorou gestellt und sich bei ihr für ihren Mut, über das Erlebte zu sprechen, bedankt. Der griechische Segelverband hingegen hat die Schilderungen seiner Spitzenathletin anfänglich in Frage gestellt. Der Funktionär war mittlerweile der stellvertretende Präsident des Segelverbandes. Dieser forderte ihn schließlich doch zum Rücktritt auf, der Beschuldigte handelte kurz darauf wie gewünscht. Er weist allerdings alle Vorwürfe von sich und spricht von Verleumdung seitens der Athletin.

Vorfälle aus allen Lebensbereichen kommen zum Vorschein

Bekatorou hat damit eine griechische MeToo-Bewegung ins Rollen gebracht. Immer mehr Athletinnen gehen inzwischen an die Öffentlichkeit und reden über ihre Erlebnisse. Darunter die ehemalige Wasserballspielerin Mania Bikov, die Schwimmerin Rabea Iatridou, die Hochspringerin und Olympiazweite Niki Bakoyianni. Und es melden sich Frauen aus anderen Lebensbereichen zu Wort, wie etwa Politikerinnen, Schauspielerinnen und Studentinnen, die von Parteifunktionären, Regisseuren oder Hochschulprofessoren sexuell belästigt wurden. Die stellvertretende Pressesprecherin der Oppositionspartei "Bewegung der Veränderung (KinAl), Zefi Dimadama, erklärte, dass sie vor 20 Jahren in einem Personenaufzug von einem Parteimitglied sexuell belästigt worden war. Sie meinte zudem, dass solche Vorfälle nicht nur im Sport oder in der Politik bekannt seien, sondern auch in den Medien, im Theater, in Fabriken und in Büros.

Neues Gesetz verkürzt die Amtszeiten von Funktionären

Der griechische Sportminister Leiterin Avgenakis sieht sich durch die Schilderungen der Athletinnen in seiner Politik bestätigt, gegen die erstarrten Strukturen im griechischen Sport vorzugehen. Ein vor Kurzem in Kraft getretenes Gesetz verpflichtet die Sportverbände, den Vorstandsvorsitzenden nach drei und andere Vorstandsmitglieder nach zwei aufeinander folgenden Amtszeiten auszuwechseln. Die festgefahrenen Strukturen im griechischen Sport würden die sexuelle Belästigung und die sexualisierte Gewalt im Sport oft erst möglich machen, denn die Funktionäre hätten bisher das Gefühl, absolute Macht über die Athletinnen zu besitzen.

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