Medaillenhoffnung Martin Espernberger: Vom Spaßvogel zum Leader

Martin Espernberger
Wenn Martin Espernberger früher zu Interviews erschien, war eines gewiss: Ein lockerer Spruch lag immer auf der Zunge. Der typische „junge Wilde“: charmant, schlagfertig, ein bisschen rotzfrech und – erfolgreich. Im Wasser zählte nur der Vorwärtsdrang, daneben war die Lockerheit genauso wichtig wie das harte Training.
Nach seinen Erfolgen in den USA und bei internationalen Bewerben – darunter WM-Bronze 2024 in Doha und der 6. Platz bei Olympia in Paris – hat sich ein bisschen was verändert. Der 21-Jährige ist kein Neuling mehr im österreichischen Schwimmsport, sondern eine feste Größe.
„Natürlich verändert sich etwas im Team, wenn man älter wird“, sagt Espernberger, der immer noch in den USA an der University of Tennessee studiert und trainiert. „Man startet als Freshman, kennt wenig, schaut viel von den Älteren ab. Jetzt bin ich Senior – da schauen die anderen schon auf mich.“
Mit dieser Rolle geht der Delfin-Spezialist auffallend reflektiert um. „Ich versuche, mein Ding durchzuziehen, so wie immer. Aber klar merkt man, dass das Verhalten von einem wahrgenommen wird – wie man trainiert, wie man mit Rückschlägen umgeht, wie man sich auf Wettkämpfe vorbereitet.“ Druck verspüre er dabei kaum. „Ich mache das chillig“, sagt er und grinst.

WM und Studium
Die Reife zeigt sich auch abseits des Beckens. Der Bachelor-Abschluss an der US-Uni ist in Reichweite, der Master für 2027 geplant. Und obwohl die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028 ein großes Ziel sind, blickt Espernberger nicht zu weit nach vorne. „Es gibt so viele Schritte davor: die WM in Singapur, mein letztes Collegejahr, Prüfungen. Wer weiß, was bis dahin passiert – mit dem Körper, mit der Gesundheit. Deshalb konzentriere ich mich auf das Jetzt.“
Die Gegenwart liegt in Singapur. Dort geht er über 200 Meter Delfin an den Start. Mit 1:55,69 zählt er zur erweiterten Weltspitze, das Halbfinale ist möglich – und vielleicht mehr. „Die Zeiten im Weltklassebereich liegen eng beisammen. Da muss alles passen.“
Dass er auch über 100 Meter schneller wurde, ist kein Zufall: „Wir haben an der ersten Rennhälfte gearbeitet. Ich bin ein starker Finisher, aber wenn du vorher nicht schon dabei bist, wird’s schwer.“ Auf die Frage, ob dadurch die 200er leiden, schüttelt er entschieden den Kopf: „Nein. Das ist sogar positiv. Schnellere erste 100 helfen mir, das gesamte Rennen besser zu strukturieren.“
Bei aller Entwicklung bleibt er aber am Boden. „Ich probiere einfach, meine Ziele zu erreichen.“ Auch Erfolge bei Großereignissen haben ihn nicht abheben lassen. Olympia war ein Höhepunkt, keine Frage. Doch statt sich darauf und auf WM-Bronze auszuruhen, analysierte er nüchtern: Der Abstand zu den Medaillen war in Paris 1,37 Sekunden – diesmal will er schneller sein. Und er will sehen, was die Zukunft bringt. Ohne Druck.
Heimat USA
Dass er die nächsten Jahre weiterhin in den USA trainieren möchte, steht für ihn fest. Die Bedingungen in Tennessee sind ideal. Doch die politische Lage macht ihm leichtes Kopfzerbrechen: „Es gibt Hinweise, dass wir sehr genau auf Visa-Richtlinien achten sollen“, erzählt er. Noch sei alles gut, aber die Situation behält er im Blick.
Sein Lebensmittelpunkt ist momentan Amerika, aber seine Wurzeln bleiben in Linz. „Ich komme zwei Mal im Jahr nach Hause, trainiere dann auch mit der Oberösterreich-Gruppe.“ Besonders vermisst er seine Familie – und Gummizeug. „Das gibt’s hier zwar auch, aber da schmeckt’s anders.“
Espernberger ist kein glattgebügelter Athlet. Er spricht offen über Druck, Zweifel, mentale Stärke – und auch darüber, dass man nicht alles kontrollieren kann. „Es bringt nichts, sich über Dinge zu ärgern, die außerhalb meiner Kontrolle liegen. Im Rennen kann ein schlechter Start passieren – aber das heißt nicht, dass es vorbei ist. Ich konzentriere mich auf das, was ich beeinflussen kann.“
Vielleicht ist es genau diese Haltung, die ihn zum reiferen Athleten gemacht hat. Und dennoch sind die lockeren Sprüche nicht ganz verschwunden. Zum Glück.
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