Russland zittert vor der Doping-Entscheidung
Jetzt wird es richtig eng für Russland. Tiefe Einblicke in das staatlich gelenkte Dopingsystem liefern handgeschriebene Notizbücher von Whistleblower Grigori Rodschenkow. Und gestern wurden drei weitere Athleten lebenslang für Olympische Winterspiele gesperrt. Insgesamt sind es nun 22 Russen in fünf Wintersportarten: Bob, Skeleton, Langlauf, Eisschnelllauf und Biathlon. Unter den Gesperrten ist Langläufer Alexander Legkow. Die Urteilsbegründung lieferte das IOC auf einem 46 Seiten starken Dokument mit 495 Unterpunkten gleich mit. Der Inhalt ist erschütternd.
Welche Neuigkeiten ergeben sich aus der Veröffentlichung des Dokuments? Es untermauert alle Theorien zum Staatsdoping in Russland. Es wird bestätigt, dass ...
im Moskauer Anti-Doping-Labor systematisch Tests manipuliert wurden;
... an 19 von 80 versiegelten Proben deutliche Werkzeugspuren zu erkennen waren, die darauf hindeuten, dass die Urinproben geöffnet wurden;
... mehrere Dopingproben eine unnatürlich hohe Salzkonzentration aufwiesen – ein deutlicher Hinweis auf Manipulationen;
... Legkow, der Sieger in Sotschi über 50 Kilometer, auf der "Dutchess-Liste" stand, die jene Namen trug, die während der Spiele 2014 in Sotschi vor einer positiven Dopingprobe geschützt werden sollen;
... Legkow vermutlich den "Duchess Cocktail" konsumiert hat, einen Mix aus den wichtigsten Steroiden Oxandrolon, Methenolon und Trenbolon;
... die Urinprobe Legkows ausgetauscht wurde;
... diese Tat lange geplant und von höchsten Stellen gedeckt war.
Weshalb ist der Bericht so brisant?
Das ausführliche Urteil soll als Präzedenzfall genutzt werden, und es ist anzunehmen, dass andere russische Sportler ähnlich "betreut" wurden. Außerdem wird klargestellt, dass die beiden Reports von Chefermittler Richard McLaren absolut glaubwürdig seien, die sich um das Staatsdoping drehen. Die Reports waren unter anderem Grundlage dafür, dass die russischen Leichtathleten (für Olympia 2016) gesperrt wurden.
Was hat es mit den Notizbüchern von Grigori Rodschenkow auf sich?
Der Chemiker Rodschenkow war einst Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors. Heute ist der 59-Jährige einer der wichtigsten Kronzeugen zu den Vorwürfen des staatlichen Dopings, er lebt an einem unbekannten Ort in den USA. Die beiden Bücher wurden 2014 und 2015 verfasst und belegen detailliert die Größe des Dopingnetzwerks und auch die Verwicklung von Regierungsmitgliedern.
Welche Politiker sollen verwickelt sein?
Unter anderem Witali Mutko. Der stellvertretende Premierminister und frühere russische Sportminister soll eine zentrale Figur rund um die Manipulationen in Sotschi 2014 gewesen sein. Mutko hat bisher jede Verwicklung abgestritten, ebenso das offizielle Russland.
Wird Russland von den Olympischen Winterspielen ausgeschlossen?
Was vor wenigen Wochen noch undenkbar schien, wird nun vermehrt gefordert: ein Komplettausschluss Russlands von den Winterspielen (9. bis 25. Februar). Am 5. Dezember will die IOC-Exekutive entscheiden, welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Möglich ist vieles, die Palette der Sanktionen reicht von einer Geldstrafe bis zum Ausschluss. Der Druck auf den deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach ist enorm.
Was sagen die betroffenen russischen Sportler zu den Vorwürfen?
Die meisten betrachten die Sperre als schreckliche Ungerechtigkeit, schreibt die russische Nachrichtenagentur Tass. Harsche Kritik an den Sanktionen kam auch vom russischen Bobverband: Russland solle der große Sieg bei den Spielen in Sotschi genommen werden. Die Sportler haben angekündigt, vor den Internationalen Sportgerichtshof zu ziehen.
Sind auch russische Fußballer betroffen?
Laut Daily Mail ist Kronzeuge Rodschenkow auch zu Aussagen zu staatlich organisiertem Doping von Dutzenden russischen Fußballspielern bereit. Verdächtigungen gibt es gegen den gesamten WM-Kader von 2014. Präsident des Fußballverbandes ist übrigens Witali Mutko. Der sagt: "Es ist ein Trend, nur Russland zu beschuldigen."
Was bedeutet das für die Fußball-WM, die 2018 in Russland stattfinden wird?
Noch bekommt Russland Rückendeckung vom Weltverband FIFA. "Auf Grundlage der Berichte kann man nicht von weit verbreiteten Doping im Fußball sprechen", sagte FIFA-Generalsekretärin Fatma Samoura der BBC. Allerdings: "Wenn es spektakuläre Dinge gibt, werden wir sehr schnell handeln." Am Freitag (16 Uhr MEZ) werden die Gruppen für die WM-Endrunde ausgelost. Im besten Lostopf ist der Gastgeber.
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