Rugby-WM, Tag 31: England trifft im Semifinale auf Neuseeland
Im ersten Viertelfinale der Rugby-WM in Japan unterstrich England seine Titelambitionen und ließ Australien keine Chance.
Die Wallabies begannen mit ihrem bekannten und kräfteraubenden Spiel über die Forwards, zeigten dazu Stärke im Scrum und hatten Feldvorteile. England hatte nach der taifunbedingten Absage von "Le Clash" - dem letzten Gruppenspiel gegen Frankreich - zwar mehr Zeit zur Erholung, schien aber zunächst nicht recht in die Partie zu finden. Und so kam es, wie es kommen musste: 10. Minute, Henry Slades Pass wurde abgefangen, Australiens Full Back Kurtley Beale lief tief in die englische Hälfte und nach einem High Tackle gab es einen Penalty für die Wallabies. Christian Lealiifano traf mit seinem Kick aus 40 Metern zwischen die Stangen, 3:0 Australien.
Im Gegenzug spielten sich die Engländer bis ans Malfeld der Australier, verloren aber nach einem Einsatz von David Pocock den Ball. Den sie sich wieder erkämpften, und in der 18. Minute belohnten sie ihr nun gutes und flottes Passspiel: Line-out auf der linken Seite, Pässe bis zur rechten, mit Pick and Go und Pässen wieder retour auf die linke Außenbahn, Tom Curry gab den Ball weiter zu Jonny May, der in seinem 50. Länderspiel den ersten Try für die Engländer legte. Owen Farrell erhöhte auf 7:3.
Und es ging heiter weiter: David Pocock passte den Ball irrtümlich zu Henry Slade, der in die australische Hälfte spurtete, Jonny May bediente und das 12:3 feierte (21.). Owen Farrell kickte von der linken Seitenlinie seine Punkte Nummer 29 und 30 bei dieser WM, 14:3. Eine australische Penalty-Chance in der 26. Minute kickte Christian Lealiifano zum 14:6, es schien, die Wallabies hätten (zu) viel Selbstvertrauen, denn so kurz vor der englischen Endzone hätten sie die Situation auch ausspielen können, um in Sachen Spielstand aufzuholen. So stellte Owen Farrell in der 30. Minute per Penalty den alten Abstand wieder her, 17:6.
Die Engländer hatten vor allem ein Problem, und das war Kyle Sinckler. Der Tighthead Prop ging in nahezu jedem Scrum zu Boden, sorgte so für weitere Scrums, wurde von Schiedsrichter Jérôme Garcès ermahnt und kassierte schließlich auch noch einen Penalty, den Christian Lealiifano zum 17:9 nutzte (40.).
Die zweite Halbzeit begann mit Ballverlusten auf beiden Seiten, ehe die Australier in Person von Jordan Petaia einen Geistesblitz hatten: Seinen Pass auf die linke Seite nutzte Marika Koroibete zu seinem dritten Try in diesem Turnier (43.), Christian Lealiifano kickte die Erhöhung aus 31 Metern zum 16:17. Wer nun gedacht hatte, Australien sei in der Partie angekommen, wurde eineinhalb Minuten später eines Besseren belehrt. Kyle Sinckler machte seine Schwächen im Gedränge mit dem Try zum 22:16 mehr als wett, es war zudem sein erster für England. Owen Farrell stellte auf 24:16.
Einen weiteren Penalty-Kick nutzte Farrell zum 27:16 (51.), Matt Tomua kam ins Spiel und ersetzte Christian Lealiifano auf australischer Seite. Australien kämpfte, versuchte es mit Pick and Go, prallte aber tief in der gegnerischen Red Zone wieder und wieder an der englischen Verteidigung ab und machte sich mit leichten Fehlern selbst das Leben schwer.
England hätte nach 63 Minuten beinahe einen Try erzielt, doch Ben Youngs verlor den Ball nach vorn; einen Penalty-Vorteil, der bereits zuvor verhängt worden war, nutzte Farrell und kickte zum 30:16. Die 73. Minute brachte Farrells Penalty-Kick zum 33:16, die Messe war längst gelesen, England kickte tief in die australische Hälfte, den Wallabies lief die Zeit davon.
Einen Fehlpass von Kurtley Beale fing dann Anthony Watson ab und spurtete zum vierten Try der Engländer (76.), Owen Farrell kickte weiter makellos (40:16). Marika Koroibete hätte nach einem Sprint über 50 Meter beinahe noch einen zweiten Try für die Wallabies erzielt, dem war aber ein Pass nach vorn vorausgegangen, womit die doch deutliche Niederlage besiegelt war.
Im zweiten Samstag-Spiel bewies Titelverteidiger Neuseeland, dass die wechselhaften Leistungen der letzten Jahre und speziell auch die Niederlage gegen Australien in der WM-Vorbereitung doch eher nur Ausrutscher waren. Wenn es um Großes geht, dann wird auch groß aufgespielt.
Für die All Blacks ging es darum, auf dem Weg zum dritten WM-Titel in Serie nicht aus der Spur zu geraten, die Iren wollten endlich einmal mehr erreichen als den Einzug ins Viertelfinale. Immerhin hatten sie zwei der letzten drei Vergleiche mit Neuseeland gewonnen, wodurch sie zwischenzeitlich auch die Spitze der Weltrangliste erobern konnten. Doch die Niederlage gegen WM-Gastgeber Japan sorgte dafür, dass sie inzwischen nur noch Vierter sind, hinter - natürlich - Neuseeland, England und Wales.
Wie intensiv diese Partie werden würde, zeigte die 14. Sekunde (!), als es schon das erste Scrum gab. Glück hatten die Iren nach vier Minuten, als Jacob Stockdale versuchte, einen neuseeländischen Pass an der linken Seite abzufangen, jedoch mit nur einer Hand dazwischenging und den Ball nach vorne verlor; Schiedsrichter Nigel Owens beließ es bei Penalty für die All Blacks, es wäre zusätzlich auch eine Gelbe Karte (=zehn Minuten Zeitstrafe) gegen Stockdale möglich gewesen.
So durfte Richie Mo'unga zwischen die irischen Stangen kicken, Neuseeland führte mit 3:0 (6. Minute). Irland versuchte, ins Spiel zu finden, stoppte sich aber durch leichte Ballverluste - und musste höllisch auf die neuseeländischen Gegenattacken aufpassen, die in atemberaubendem Tempo vorgetragen wurden. Zwar zeigten sie gute Line-outs, sie brauchten in der Defensive aber zu lange, bis sie die Neuseeländer zu Boden brachten. Und so wurden sie in der 15. Minute durch Aaron Smith mit dem Try zum 8:0 bestraft, Mo'unga stellte auf 10:0.
Nach vorne lief bei der gesamtirischen Auswahl (traditionell spielen die Nordiren gemeinsam mit den Herren aus der Republik Irland) wenig zusammen, und in der 20. Minute fand George Bridge genug Raum, um den All Blacks an der linken Außenbahn mächtig Raum zu erlaufen. Aaron Smith legte wieder den Ball ins Malfeld, Richie Mo'unga traf zwischen die Stangen, 17:0 für Neuseeland (21.).
Einen so hohen Rückstand aufholen? Die Iren zeigten immerhin Moral, gewannen ein Line-out bei neuseeländischem Einwurf, erarbeiteten sich einen Penalty und fanden den Weg in Neuseelands Hälfte - um doch wieder nur den Ball zu verlieren.
Nicht anders in Minute 31: Johnny Sexton hatte den Rotationsellipsoid in der neuseeländischen Hälfte verloren, Richie Mo'unga kickte den Ball nach vorn, Beauden Barrett setzte nach und kickte sich selbst den Ball abermals vor, um ihn kurz vor der irischen Endzone aufzunehmen und dann zum Try abzulegen. 22:0 (33.), Mo'unga verpasste mit seinem Kick zur Conversion das Ziel. In der Nachspielzeit war Irland dann endlich einmal beinahe am Ziel - und brachte sich durch eine Undiszipliniertheit selbst um die Chance auf den ersten Try.
In der zweiten Hälfte ging es weiter nur in eine Richtung, Codie Taylor stellte per Try auf 27:0 (48.), Mo'unga legte das 29:0 nach. Die Iren, beste Mannschaft des Jahres 2018, fanden überhaupt keine Mittel. Wenn sie einmal ihr flinkes Passspiel versuchten, war bald in der neuseeländischen Defensive Endstation. Und das Kickspiel wurde mit besseren Kicks beantwortet, Befreiungsschläge brachten Raumverlust statt -gewinn.
Matt Todd vollendete den nächsten Angriff mit dem Try zum 34:0 (62.), Mo'unga zeigte sich gnädig und setzte die Conversion neben das Ziel. Danach war die Partie für Irlands Kapitän Rory Best zu Ende, seine Karriere ebenfalls, der 37-jährige Hooker aus Nordirland wurde ausgetauscht und hört nach 124 Partien im grünen Trikot mit dem Rugby auf.
Von der Bank aus durfte er immerhin Robbie Henshaws Ehren-Try zum 5:34 verfolgen, Joey Carbery stellte auf 7:34 (71.). Das weckte freilich die All Blacks aus ihrem kurzen Schläfchen auf, George Bridge legte das 39:7, Mo'unga kickte zum 41:7 (75.). Und nun wurde es doch noch - kurz - eine Partie auf Augenhöhe, denn nach einer Abseitsstellung gab es Penalty-Try für Irland, 14:41 (76.). Matt Todd hatte sich aus dem Abseits - dem eigenen Malfeld - kommend vor das Schutzpolster an der neuseeländischen Torstange geworfen, dafür gab es auch noch die Gelbe Karte.
Jordie Barrett war's einerlei, in Unterzahl und nach Pass seines Bruders Beauden legte er das 46:14 (79.), Richie Mo'unga setzte seinen letzten Kick im Spiel neben das Ziel. Was die Leistungen vom Samstag wert sind, zeigt sich am kommenden Samstag: Dann prüft England im ersten Semifinalspiel die All Blacks (10 Uhr).
Viertelfinale, Sonntag, 9.15: Wales - Frankreich. 12.15: Japan - Südafrika.
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