Rugby-WM, Tag 25: Japan braust ins Viertelfinale

Die WM-Gastgeber schlagen nach Irland auch Schottland und holen sich den Gruppensieg. Die Schotten müssen heimfahren.

Am Tag nach dem verheerenden Taifun sehnten sich die Japaner nach etwas Positivem. Und das sollte ihnen ihr Rugby-Team bringen. Jedoch: Schon 2015 hatten die Schotten den Japanern die Hoffnung auf den Einzug ins WM-Viertelfinale zunichte gemacht, am Sonntag gab es im Highlight des letzten Vorrundenspieltages bei der WM in Japan die Gelegenheit zur Revanche. Die Schotten brauchten in Gruppe A einen Sieg mit sieben Punkten Differenz zum Aufstieg, den Japanern blieb neben vier Punkten Vorsprung die breite Brust nach drei Siegen en suite, darunter dem sensationellen über Irland - und natürlich die Unterstützung der Fans.

Japan begann erwartungsgemäß stark, aber fehleranfällig - und so kam Schottland nach neun Phasen Pick and Go zum Try durch Finn Russell, Greig Laidlaw kickte die Conversion zum 7:0 zwischen die Stangen (8.). Und schon war Schottland in der Tabelle den Tapferen Blumen ganz nah, den brave blossoms, wie die Japaner ihre 15 nennen. Es entspann sich eine überaus intensive und schnelle Partie, Japan drängte und drückte, Schottland zeigte die adäquate Defensivarbeit. Und leistete sich einen Fehler, wodurch Yu Tamura aus rund 40 Metern einen Penalty Richtung Stangen kicken durfte - und im mucksmäuschenstillen Stadion von Yokohama das Ziel verfehlte (17.).

Japan blieb unbeeindruckt, zog weiter sein feines Passspiel durch und ein wunderbares Offload von Timothy Lafaele auf Kenki Fukuoka an der linken Außenbahn veredelte Kotaro Matsushima mit seinem fünften Try bei dieser WM, 5:7 (18.), Tamura sorgte per Conversion für den Gleichstand. Und, man staune: Die Blumen ließen sogar das Scrum der Schotten welk werden, die sich wie auf dem Abstellgleis fühlen mussten, während ihnen der Shinkansen um die Ohren raste.

26. Minute, abermals brillierten die Japaner mit ihrem Passspiel, dazu schnitt Matsushima elegant durch die schottische Defensive, es folgten weitere Stationen, bis Keita Inagaki den Ball ins Ziel legte. Tamura erhöhte, 14:7, Yokohama stand Kopf. Schottland war geschockt, staunend wurden die flinken Gegner beobachtet, deren Steps und Körpertäuschungen oft genug unlösbare Rätsel darstellten, dazu war das Handling auf absolutem Topniveau. Und es wäre fast noch dicker gekommen, hätte Tamura einen Penalty-Kick von der rechten Seite ins Ziel gebracht (39.). Doch auch so kam, was kommen musste, neben der 40. Minute ein Kick nach vorn an der linken Außenbahn, wieder war Kenki Fukuoka zur Stelle, 19:7, Tamura kickte den 21:7-Pausenstand herbei.

Rugby World Cup 2019 - Pool A - Japan v Scotland

Feier-Tag: Kenki Fukuoka und die japanische Jubeltraube

Die Schotten hätten die Pause nutzen können, um sich zu sammeln. Hätte, hätte, Fahrradkette: 43. Minute, Ballverlust an der Mittellinie an Kenki Fukuoka, der ebenso flink wie mühelos zum 26:7 vollendete, Tamura stellte auf 28:7. Nun gab es kein Halten mehr auf den Rängen, der offensive Bonuspunkt war erreicht. Die Bravehearts aber, sie blieben auf ihrem Abstellgleis stehen und fanden kein Mittel zur Gegenwehr.

In der 49. Minute kamen die Schotten endlich einmal mit ihrem physischen Spiel in die japanische Hälfte, in der 50. legte WP Nell den Ball zum Try, Laidlaw verkürzte auf 28:14. Das war das Startsignal: Nicht zuletzt dank des eingetauschten George Horne gewann ihr Spiel an Tempo, Jonny Gray spielte am Boden liegend ein feines Offload auf Zander Ferguson, Try (54.), Finn Russell erhöhte auf 28:21. 

Japan versuchte, den Vorsprung über die Zeit zu bringen - aber natürlich nach Art der Brave Blossoms, nämlich mit einer Mischung aus Passspiel und Pick and Go über 21 Phasen, bis der Ball dann weg war (64.). Schottland versuchte zu kontern, kam aber nicht in die Red Zone und sah sich gleich wieder unter Druck. So ging es weiter in unfassbarem Tempo hin und her, bis sich die Japaner in den letzten zehn Minuten mehr aufs Verwalten verlegten und Pick and Go spielten. Allmählich wichen die Kräfte, Ballverluste bremsten die Offensivbemühungen auf beiden Seiten.

Die 78. Minute brachte ein Hoppala von Kotaro Matsushima, der versehentlich den Ball in die eigene Endzone trug und dann verlor, es folgte ein Scrum fünf Meter vor Japans Malzone. Und die Tapferen Blumen kämpften erst die Schotten zurück Richtung Mittellinie, gewannen dann sogar den Ball - und der Rest war Jubel. 28:21-Sieg, Gruppensieg - was will man mehr? Im Viertelfinale geht es nun gegen Südafrika, Irland trifft auf Neuseeland.

Wales musste gegen die kampfstarken Uruguayer auf seinen Kapitän verzichten, nachdem sich Dan Biggar vier Tage zuvor gegen Fidschi eine Kopfverletzung zugezogen hatte. Das Ziel war klar: Ein Sieg musste her, der vierte im vierten Spiel, um Australien noch von der Spitze in Gruppe D zu verdrängen (und im Viertelfinale die wankelmütigen Franzosen zum Gegner zu haben und nicht die Engländer). Das Müssen sorgte für einen nervösen Beginn, zwar mit Feldüberlegenheit, aber auch mit Ballverlusten und einem Try, der wegen eines Passes nach vorn nicht anerkannt wurde (5. Minute).

In der 11. Minute lief es nicht besser für die Waliser, Aaron Shingler legte zwar nach spektakulärem Flug das Spielgerät in Uruguays Malzone, zuvor hatte er aber mit einem Fuß den Boden in der Seitenauszone berührt. Die Waliser setzten sich in der uruguayischen Red Zone fest und zwangen den Gegner mit ihrem Pick-and-Go-Spiel zu Strafen, in der 15. Minute setzte es die letzte Warnung von Schiedsrichter Angus Gardner gegen die Südamerikaner: "Noch eine Strafe, und ich muss eine Gelbe Karte geben." Das blieb dem australischen Referee vorerst erspart - nach 16:20 Minuten legte Nicky Smith Wales' ersten Versuch, Leigh Halfpenny kickte die Conversion zum 7:0. Auch eine Form von Strafe.

Uruguay zeigte in Ansätzen seine Gefährlichkeit, ein Pass nach vorn vereitelte eine sehr ordentliche Try-Chance (21.), immerhin gab es nach einem walisischen Abseits einen Penalty, Felipe Berchesi kickte zum 3:7 (22.). Im Gegenzug ging es ganz flott: schöner Spielzug über die linke Seite, Hallam Amos vollendete - nicht. Pass nach vorn, kein Try (26.). Wales versuchte es wieder einmal mit dem Phasen-Spiel, nach zwölf Stationen war der Spaß vorbei und der Ball verloren (36.), auf der anderen Seite leisteten sich die Waliser die nächste Strafe und schenkten Berchesi den Penalty-Kick zum Pausenstand von 6:7 (39.).

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Akrobat schööön: Hallam Amos bekam gute Haltungsnoten, aber keinen Try

Wenn's nicht läuft, kommt oft genug auch noch Pech dazu, so bei Leigh Halfpenny, der einen Penalty-Kick aus 45 Metern in der 42. Minute an die Außenstange setzte. Nichts war's mit schnellen Punkten, also setzte Wales wieder aufs bewährte Phasen-Spiel - und stoppte selbst sich durch die nächste Strafe. In der 49. Minute schließlich sorgte Josh Adams für Klarheit, der eine Unaufmerksamkeit der Uruguayer nach einem Scrum für seinen fünften Try im Turnier nutzte, Halfpenny stellte auf 14:6.

Sicherheit gab aber auch dieser Teilerfolg nicht, Wales raufte weiter mit Handling und Nerven. 58. Minute: kein Try von Allan Hamos nach Pass nach vorn von Hadleigh Parks. Besser wurde es erst in Minute 65: Santiago Civetta holte sich stellvertretend für all die Strafen der Uruguayer eine Gelbe Karte ab, Wales bekam zehn Minuten Überzahl - und Sekunden später einen Penalty-Try, weil die Südamerikaner das walisische Paket illegal zu Boden brachten, 21:6.

Alles eitel Wonne? Keineswegs, Uruguay gab nicht auf, zeigte 13 Phasen Pick and Go und wurde durch den Try von German Kessler zum 21:11 belohnt (71.), Berchesi traf die Conversion, 21:13. Doch Wales konterte mit Tomos Williams' Try zum 26:13 (74.), Halfpenny stellte auf 28:13. Hallam Amos verwechselte in der 77. Minute die Sportart und warf den Ball im spektakulären Flug in Uruguays Malfeld, was natürlich nichts Zählbares bedeutete, aber immerhin hübsch anzusehen war.

Gareth Davies belohnte die Beharrlichkeit der Waliser in der Nachspielzeit mit einem Sprint von der Mittellinie zum Bonuspunkt-Try, Halfpenny kickte zum 35:13-Endstand. Damit war's erledigt, Wales darf sich nun gegen Frankreich beweisen.

Den USA blieb es auch im letzten Anlauf verwehrt, das Gefühl des Sieges zu spüren. Tonga ging im finalen Spiel in Gruppe C von Beginn an forsch zu Werke und belohnte sich nach dem Break von Viliami Lolohea und einigen Spielzügen über die Forwards mit dem Try durch Siegfried Fisiihoi, Sonatane Takulua kickte die Conversion zum 7:0 (19.).

Die Amerikaner - zuvor noch punktelos - reagierten. Und wie: Cam Dolan passte zum freistehenden Mike Teo, der seinen Lauf in der tongaischen Endzone beendete. AJ MacGinty kickte zum Gleichstand (22.), und nur drei Minuten später legte Teo auch noch seinen zweiten Try, dieses Mal verfehlte MacGinty, die USA führten 12:7 und taten dies auch zur Pause.

Einen Penalty gegen die USA nutzte Sonatane Takulua aus 22 Metern zum 10:12 (50.), und nach einem Ballverlust der Amerikaner war Full Back Telusa Veainu mit einem weiten und hohen Kick zur Stelle, den er selbst erlief und dann abermals nach vorn beförderte, wo der Ball von Viliami Lolohea aufgenommen wurde. Es folgte ein Offload auf Malietoa Hingano, der Tongas zweiten Try legte. Takalua kickte zum 17:12 (59.). Das 22:12 war Chefsache: Tongas Kapitän Siale Piutau belohnte sich an seinem 34. Geburtstag mit einem Versuch, James Faiva verwertete die Conversion, Tonga führte mit 24:12, die Vorentscheidung (63.).

Zwar kamen die Amerikaner kurz vor dem Ende durch den Try von Tony Lamborn und die Conversion von AJ MacGinty noch einmal auf 19:24 heran, doch Tonga wusste zu kontern. Telusa Veainu legte den Ball ins Malfeld der Amerikaner und Siale Piutau kickte per Penalty in der Nachspielzeit die letzten Punkte seiner Karriere zum 31:19-Endstand.

Abgesagt werden musste die Partie zwischen Namibia und Kenia: Nachdem es rund um den Spielort Kamaishi seit Samstag geschüttet hatte und im Hügelland rund ums Stadion etliche Erdrutsche abgegangen waren, sahen sich Behörden und Organisatoren außer Stande, eine sichere Partie zu garantieren. Immerhin: Die Ticketbesitzer bekommen ihr Geld zurück. "Es war eine schwierige, aber die richtige Entscheidung", sagte Turnierdirektor Alan Gilpin.

Gruppe A: Japan - Schottland 28:21 (21:7). - Endstand: 1. Japan 19/4, 2. Irland 16/4 (im Viertelfinale), 3. Schottland 10/4, 4. Samoa 5/4, 5. Russland 0/4.

Gruppe B: Namibia - Kanada abgesagt (Wertung 0:0, beide Teams erhalten je 2 Punkte). - Endstand: 1. Neuseeland 16/4, 2. Südafrika 15/4 (im Viertelfinale), 3. Italien 12/4, 4. Namibia 2/4, 5. Kanada 2/4.

Gruppe C: USA - Tonga 19:31 (12:7). - Endstand: 1. England 17/4, 2. Frankreich 15/4 (im Viertelfinale), 3. Argentinien 11/4, 4. Tonga 6/4, 5. USA 0/4.

Gruppe D: Wales - Uruguay 35:13 (7:6). - Endstand: 1. Wales 19/4, 2. Australien 16/4 (im Viertelfinale), 3. Fidschi 7/4, 4. Georgien 5/4, 5. Uruguay 4/4.

Viertelfinale, Samstag, 19.10., 9.15 MESZ: England - Australien. 12.15: Neuseeland - Irland.
Sonntag, 9.15: Wales - Frankreich. 12.15: Japan - Südafrika.

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