Rugby-WM: Südafrika beendet Englands Titelträume

Entscheidend: Makazole Mapimpi legte Südafrikas Try zum 23:12
Die Springboks holen zum dritten Mal den Titel. Die übernervösen Engländer fanden nie ins Spiel.

13 Niederlagen, ein Remis, drei Siege: Der direkte Vergleich hatte nur wenige Mutmacher für England im Gepäck vor dem Finale der Rugby-WM in Japan. Südafrika hatte in fast allen Belangen die Nase vorn - jedoch: Die letzten beiden Duelle hatte der Weltmeister von 2003 für sich entschieden, und die Art und Weise, wie die Engländer durch das Turnier in Japan marschiert waren, ist mit "beeindruckend" nur unzureichend beschrieben.

Eddie Jones hatte die Mannschaft nach dem Debakel bei der Heim-WM 2015 übernommen, damals reichte es nach Niederlagen gegen Wales und Australien nur zum dritten Gruppenrang. Vier Jahre später aber ist da eine Mannschaft am Werk, die alles kann. Und wie: Das 19:7 im Semifinale gegen Titelverteidiger Neuseeland war die Reifeprüfung für das Team of the Rose, sie wurde mit Auszeichnung bestanden. Und doch: So ein Finale ist eine ganz andere Situation, wie sich auch am Samstag gegen die Springboks wieder einmal zeigen sollte.

Rugby World Cup - Final - England v South Africa

Gezeichnet: Englands Billy Vunipola

Die englischen Fans hatten noch gar nicht recht begonnen, "Swing Low Sweet Chariot" zu singen, da setzte es schon den ersten Penalty für Südafrika - 41 Sekunden waren absolviert. Handre Pollard entschied sich zum Kick zwischen die Stangen, setzte den Ball aber aus rund 40 Metern neben das Ziel. In der dritten Minute wurde es nicht besser, in einer Tackling-Situation ging Englands Forward Kyle Sinckler benommen zu Boden, nachdem er Körperkontakt mit seinem Teamkollegen Maro Itoje hatte. Sinckler musste ausgetauscht werden, Dan Cole kam ins Spiel.

Südafrika spielte offensiv wie selten bei dieser WM in Japan. Offenkundig hatten die Springboks genug vom defensiven Stiefel, den sie in den Partien zuvor gezeigt hatten, mit Glanz und Gloria sollte der dritte Weltmeistertitel erspielt und nicht verteidigt werden. Und das zeigte Wirkung: Die achte Minute brachte den nächsten Penalty für Südafrika, Handre Pollard stellte auf 3:0.

In der zehnten Minute stand England erstmals in der Red Zone der Südafrikaner, blieb aber ungewohnt nervös und leistete sich viel zu viele kleine Fehler. Immerhin, in der 15. Minute kam das Team of the Rose zum ersten Line-out in Südafrikas Hälfte, verlor aber gleich wieder den Ball. Dennoch: Schön langsam arbeiteten sich die Engländer in die Partie, die 19. Minute brachte nach einer südafrikanischen Abseitsstellung ein Line-out in der gegnerischen Hälfte und eineinhalb Minuten später den ersten Penalty. Owen Farrell kickte sicher zum 3:3.

Südafrika musste Lodewyk de Jager ersetzen, dessen linke Schulter bei einem Tackling zu Bruch ging, und auch für Mbongeni Mbonambi war die Partie nach einem harten Kontakt mit dem Kopf nach 21 Minuten bereits zu Ende. Dennoch blieb der zweifache Weltmeister bei seiner offensiven Linie und verdiente sich den nächsten Penalty. 26. Minute, Handre Pollard, 6:3. Nun hatten die Engländer wahrlich genug - mehr als drei Minuten lang versuchten sie es tief in der Hälfte der Springboks rein über die Physis, Pick and Go, brutaler Körperkontakt auf brutalen Körperkontakt, drei Mal verdienten sie sich einen Penalty-Vorteil, doch zum ersehnten Try kamen sie nicht, zu stabil blieb trotz allen Anrennens die Defensive der Südafrikaner.

So gab es nur den Kick von Owen Farrell zum 6:6 (35.). Und es wurde nicht besser: Handre Pollard stellte nach einem Penalty in Minute 39 auf 9:6. In der Nachspielzeit folgte der nächste Penalty nach Problemen im englischen Scrum, 12:6 führten Handre Pollard und seine Kollegen zur Pause.

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Brillant: Cheslin Kolbe (li.), hier im Duell mit Englands Owen Farrell

Auch nach dem Seitenwechsel änderte sich zunächst wenig am Charakter der Partie. Abermals bescherten Probleme im englischen Scrum den Südafrikanern einen Penalty, bereits den vierten (!) in der 46. Minute. Handre Pollard kickte zum 15:6.  48. Minute: Wieder detonierte Englands Scrum in der südafrikanischen Hälfte unter dem Druck der Springboks, nächster Penalty.

Mit einem Line-out ging es weiter, der glücklose George Ford wurde ausgetauscht und durch Henry Slade ersetzt, nächstes Scrum - und dieses gewann England eindrucksvoll, der Lohn war ein Penalty. Ein Ruck ging durch die Mannschaft, Owen Farrell stellte auf 9:15 (52.), vergab aber in der 55. Minute die Chance aufs 12:15.

Doch es war nur ein Strohfeuer. Nächste Attacke der Springboks, nächster Regelverstoß Englands, Handre Pollard kickte zum 18:9 (58.). 60. Minute: Penalty für England, Farrell stellte auf 12:18. Im Gegenzug hatte Pollard die Chance, den Neun-Punkte-Abstand wieder herzustellen, 59 Meter Entfernung zum Ziel waren aber selbst für ihn zu viel.

67. Minute: Makazole Mapimpi vollendet eine feine Offensivaktion mit dem ersten Try der Partie für Südafrika. Ein Kick über die englische Defensive, ein Doppelpass mit RG Snyman, schon stand es 23:12. Handre Pollard verwandelte die Conversion zum 25:12. Die Vorentscheidung.

Ein Geniestreich von Cheslin Kolbe beendete die letzten englischen Träume: Der 1,70 Meter kleine Flügel ließ Owen Farrell mit einem Sidestep stehen und flitzte in der 74. Minute zum zweiten Try der Südafrikaner, Handre Pollard veredelte zum 32:12.

So ist Südafrika zum dritten Mal nach 1995 und 2007 Weltmeister. Und es ist zu hoffen, dass wie nach dem ersten Titelgewinn abermals ein Ruck durch das von Kriminalität und Korruption so gebeutelte Land geht. "Wir hatten so viele Probleme, in unserer Mannschaft, aber auch in unserem Land. Aber wir haben gezeigt, was man erreichen kann, wenn alle miteinander arbeiten, egal, ob Schwarz oder Weiß", sagte Siya Olisi, der erste dunkelhäutige Weltmeister-Kapitän in Südafrikas Geschichte.

Was noch bleibt: die Erinnerung an eine wunderbare WM. Die nächste gibt's in vier Jahren in Frankreich.

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