Rugby-WM: England verabschiedet den Titelverteidiger
Auch diesen Brexit wollten die Engländer aufschieben: Das Semifinale der Rugby-WM in Japan, der ersten in Asien überhaupt, wollte die Mannschaft von Headcoach Eddie Jones keinesfalls verlieren. Und wenn schon Neuseeland, der Weltmeister der Turniere von 2015 und 2011, mit seinem Haka genannten Kriegstanz das große Spektakel vor dem Anpfiff hatte, so setzten sie ihm etwas entgegen. Frankreich hatte es vor acht Jahren mit einem Konter versucht und war gegen den Haka marschiert, die Briten stellten sich am Samstag in einem riesigen V - wie Victory (Sieg) - entgegen.
Und sie wurden schon in der zweiten Minute belohnt: Über die rechte Seite ging es mit flottem Passspiel nach vorn, und Manu Tuilagi legte den Try zum 5:0 (2. Minute), Owen Farrell kickte die Conversion zu Englands 7:0 zwischen die Stangen. Das Team of the Rose blieb dominant und schnitt nach Belieben durch die Verteidigungslinien der All Blacks, um ein Haar hätte England schon in der 6. Minute das Ergebnis weiter in die Höhe geschraubt, wäre nicht Jack Goodhue zur Stelle gewesen, um einen gekickten Ball an der eigenen Endzone abzufangen.
Neuseelands Spiel blieb vorerst Stückwerk, und es fehlte nicht viel zum nächsten Try der Engländer (9.), die einen Ball abfingen und schon wieder den Vorwärtsgang einlegten, sich dann aber durch ein Knock-on (=Ballverlust nach vorn) um ihren Lohn brachten. England blieb dominant dank starker Defensive und seines Offload-Spiels in der Vorwärtsbewegung, dazu kamen auch gute Line-outs, die in der Ära vor Eddie Jones oft ein Anlass zur Kritik waren. Der Teamchef aus Tasmanien war 2015 verpflichtet worden, und er hat eine ungeheuer vielseitige Mannschaft geformt, die sich sowohl aufs Spiel mit den Händen wie auf jenes mit den Füßen verlassen kann.
25. Minute: Sam Underhill legt den Ball in Neuseelands Endzone ab, doch eine Behinderung zuvor sorgt für die Annullierung dieses Trys. Kyle Sinckler hatte nach einem Scrum tief in Neuseelands Hälfte zu Sam Underhill gepasst, Tom Curry hatte sich allerdings als Dummy regelwidrig in die neuseeländische Verteidigung geworfen.
Neuseeland kam nicht und nicht ins Spielen. Und selbst im Scrum zeigten die All Blacks Schwächen, so in der 31. Minute, als sie sich - tief in der englischen Hälfte - einen Penalty einhandelten. George Ford scheiterte mit einem Drop-Goal-Versuch (32.), Kyle Sinckler verlor den Ball nach vorn, England begann unkonzentriert zu werden, leistete sich aber in der Defensive keinerlei Schwächen. George Ford versuchte sich im Minute 40 mit einem Penalty-Kick aus 40 Metern und traf zum Pausenstand von 10:0.
Und es ging heiter weiter, jedenfalls aus englischer Sicht: Zwar setzte George Ford einen Penalty-Kick neben die Stangen (42.), zwar wurde einem Try von Ben Youngs die Anerkennung verwehrt, weil seine Teamkollegen zuvor im Paket den Ball nach vorn verloren hatten (46.), doch an der Gesamtsituation änderte sich überhaupt nichts. Zu 70 Prozent spielte sich die Partie in der Hälfte der All Blacks ab, bei 63 Prozent lag der englische Ballbesitz.
Die Engländer waren spritziger, sicherer - und sie hatten den besseren Plan. In der 50. Minute nutzte George Ford den nächsten Penalty (vorangegangen war ein Late Tackle) zum 13:0. Erst nach 55 Minuten konnten die All Blacks einmal ihr Spiel zeigen, Sevu Reece wurde aber an der rechten Außenbahn noch rechtzeitig abgefangen. Dann ging es ganz schnell: Line-out, England schläft, Ardie Savea schnappt sich den Ball und legt den Try zum 5:13, Richie Mo'unga erhöht auf 7:13 (58.). Die Wende?
Nein. Beinahe trotzig hielt sich England weiter an seinen offensiven Plan und wurde nach 62 Minuten mit einem weiteren Penalty belohnt, den George Ford aus 18 Metern ganz sicher ins Ziel kickte, 16:7. Sam Whitelock verlor die Nerven und schlug in der 66. Minute Owen Farrell ins Gesicht, womit er den Engländern den nächsten Penalty bescherte, seinen Teamkollegen ging es ähnlich und nach 68 Minuten warnte Referee Nigel Owens die All Blacks ganz klar: Entweder spielt Ihr jetzt diszipliniert, oder ich greife richtig durch. Vorerst beließ er es aber bei einem Penalty für England, George Ford kickte das 19:7 herbei.
Neuseelands Versuch einer Schlussoffensive blieb vorerst stecken. Es wurde nicht versucht, einmal hinter die Defensive der Engländer zu kommen, kein überraschender Kick wurde gesetzt, dazu kamen ungewohnt viele kleine Fehler. Zwar setzte George Ford in der 78. Minute einen Penalty-Kick neben die Stangen und rollten die All Blacks dann nochmals Richtung Offensive, aber wieder verloren sie den Ball - und damit war die Serie des Siegers der letzten beiden Weltmeisterschaften beendet. Und England hat nun die Chance auf den zweiten Titelgewinn nach 2003.
Am Sonntag wird der Finalgegner ermittelt: Wales und Südafrika treffen um 10 Uhr MEZ (Wecker umstellen nicht vergessen) aufeinander. Und am nächsten Samstag steigt dann das letzte Spiel dieser Rugby-WM in Japan, bereits am Freitag geht es um Platz 3.
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