Rückkehr nach dem Skandal: Magnus Carlsen spielte im Zillertal
Um 14.20 Uhr spielte Magnus Carlsen seinen ersten Zug, mit dem schwarzen Springer auf F6. Diesmal nicht auf der großen Bühne bei einem WM-Duell, sondern im Europahaus Mayrhofen im beschaulichen Zillertal zwischen 500 anderen Spielern, darunter 122 Großmeister, etwa Ex-Weltmeister Viswanathan Anand. Überraschend stieg der größte Star des Sports schon in der ersten Runde des Vereinseuropacups ein, einem Teambewerb.
Carlsen spielte seine ersten Züge umringt von Fotografen, die in den ersten 15 Minuten hinter der Absperrung Fotos machen durften. Danach konnte sich der 31-Jährige voll auf sein Spiel gegen den Letten Nikita Meskovs konzentrieren, in dem er letztlich remisierte.
Es war das erste Mal, dass Carlsen als Profi in Österreich auftrat – und es war sein erstes Spiel am Brett seit den Betrugsvorwürfen gegen seinen Kontrahenten Hans Niemann. Die Affäre macht seit Wochen weltweit Schlagzeilen.
Berühmt werden Schachspieler nur sehr selten. Vermutlich gibt es nur drei Namen, die selbst Nichtschachspielern spontan einfallen: Bobby Fischer, Garri Kasparow und eben Magnus Carlsen. Fischer war ein Großmaul und Skandalspieler, der immer wieder für Schlagzeilen sorgte, vor allem rund um seinen WM-Kampf 1972. Kasparow war so genial wie unbequem und verlor 1996 als würdigster Repräsentant der Menschheit gegen einen Computer. Carlsen wiederum wirkt so locker und unbekümmert, wie man es von Schachspielern nicht gewohnt ist.
Schach boomt. Durch die Digitalisierung, die Netflix-Serie „Das Damengambit“ und wegen Corona-Lockdowns. Davon profitiert auch Magnus Carlsen, doch der Norweger hat durch sein lässiges Auftreten auch selbst Anteil daran. Noch nie war ein Weltmeister so nahbar und schien so viel Spaß am Schach zu haben.
Carlsen ist nicht nur am Schachbrett zu Hause, sondern auch in den Sozialen Medien. Auf Instagram folgen ihm fast 800.000 Menschen, auf Twitter kaum weniger. Auf Youtube finden sich Videos, wie er mit Amateuren im Park Schach spielt. Mit Schauspielerin Liv Tyler modelte er für G-Star, von der Cosmopolitan wurde er bereits 2013 zu einem der „Sexiest Men“ gekürt.
Carlsens sportliche Stärke ist, dass er ausgetretene Theoriepfade meidet, die seine Gegner bestens kennen. Statt vertrauten Zugfolgen strebt er Stellungen an, in denen man sich erst zurechtfinden muss. „Er ist nicht ohne Grund Weltmeister seit zehn Jahren und seit zwölf Jahren die ununterbrochene Nummer 1 der Weltrangliste“, sagt zum KURIER Großmeister Niclas Huschenbeth, einer der populärsten Schach-Youtuber im deutschsprachigen Raum. „Seine Dominanz ist ziemlich hoch. Es gibt eine Riesen-Lücke zwischen ihm und dem Rest der Welt. 60 ELO-Punkte (die Spielstärke, Anm.) sind unheimlich viel auf diesem Level.“
Der Weltmeister
Carlsen wurde am 30. November 1990 geboren. Schach lernte er mit fünf Jahren, sein erstes Turnier spielte er mit neun. 2013 holte er gegen den Inder Viswanathan Anand in Chennai den WM-Titel. Vier Mal konnte er seitdem die WM-Krone verteidigen
2.882
war die höchste ELO-Zahl von Magnus Carlsen. Diese gibt die Stärke eines Spielers an. Nur Bobby Fischer (USA) und Michail Botwinnik (UdSSR) erreichten ähnliche Werte
8 Millionen Dollar
soll Carlsen allein an Preisgeld verdient haben
Carlsens Spiel ist unglaublich flexibel, er erkennt komplexe Stellungen und weiß, wie er damit umzugehen hat. Er summiert kleinste Vorteile und verwertet sie konsequent mit seinem großen Kampfgeist, selbst wenn eine Partie über viele Stunden geht.
Der Großverdiener
Doch Carlsen ist nicht nur seit Jahren der beste Schachspieler der Welt. Er ist auch ein Geschäftsmann. Mit zwei Partnern gründete er „Play Magnus“, das rasch zu einem großen Onlineschach-Anbieter wuchs und 2020 als weltweit erstes Schachunternehmen an die Börse ging. Erst diesen August akzeptierte Carlsen ein Übernahmeangebot von chess.com um kolportierte 82,5 Millionen Dollar.
Seinen WM-Titel wird Carlsen 2023 kampflos abgeben. Vor einem Jahr schlug er Jan Nepomnjaschtschi nach elf Partien klar mit 7,5:3,5. Nun wäre abermals der Russe sein Gegner gewesen, worüber Carlsen nicht glücklich war. Deshalb findet er „keine Motivation für einen weiteren Titelkampf“.
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