Rollstuhl-Basketball: "Ich sehe keine Behinderten auf dem Platz"

Rollstuhl-Basketball: "Ich sehe keine Behinderten auf dem Platz"
Österreich hat sich für die EM-Endrunde in Madrid qualifiziert. Gegen die besten Profis des Kontinents hängen die Körbe ab Samstag jedoch hoch.
Von Uwe Mauch

Wenn der  Power Forward Mehmet Hayirli so richtig in Fahrt kommt, hat der Point Guard Matthias Wastian alle Hände voll zu tun, um im Training einen weiteren Korb seines Mannschaftskollegen zu verhindern. Die Beiden kennen und schätzen sich. Sie spielen seit Jahren schon gemeinsam bei den Sitting Bulls in Klosterneuburg und auch im Nationalteam.

Kurz vor ihrem Abflug zur A-Europameisterschaft in Madrid besuchte der KURIER die besten Rollstuhl-Basketballer Österreichs im Trainingslager. Team Austria ist im Konzert der Großen (von 4. bis 11. Dezember) krasser Außenseiter. „Wir fliegen aber sicherlich nicht nach Spanien, um sofort wieder aus der A-Gruppe abzusteigen“, betont Coach Malik Abes am Rande des Spielfelds.

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Ein gutes Händchen

Mit Abes hat der österreichische Behindertensportverband vor vier Jahren ein gutes Händchen bewiesen. Seit er, der zuvor erfolgreich Profi-Teams in Italien, Frankreich, Deutschland und Schweden gecoacht hat, an der Seitenlinie gestenreich anfeuert, geht es mit dem rot-weiß-roten Team bergauf. So hat man sich im Juli durch einen souveränen Sieg bei der B-EM in Athen für Madrid qualifiziert.

Neben Kapitän Matthias Wastian, der als Absolvent der TU Wien sein Brot in einer High-Tech-Firma mit hochkomplexer Mathematik verdient, und Topscorer Hayirli, der als 19-Jähriger einen schweren Autounfall hatte, sichtet Coach Malik Abes weitere 15, 16 Spieler. Zwölf sollen nach Madrid fliegen.

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„Dann richtig volle Kanne, bitte“, fordert der Trainer, der nicht abstreiten kann, dass er auch im Ruhrgebiet gecoacht hat. Die Arbeit seiner „Jungs“ in Österreich begeistert ihn: „Ich sehe keine Behinderten auf dem Platz, ich sehe nur Spitzensportler.“

Schon der Erfolg in Athen grenzt an ein Wunder, sagt auch Matthias Wastian. „Wir haben in Österreich gerade einmal 100 lizenzierte Spieler. So viele Klubs gibt es in Frankreich oder Italien.“

Auf Herbergssuche

In den Top-Ten-Ländern ist das Interesse von Zuschauern und Sponsoren groß, es gibt auch modern ausgestattete Trainingszentren. Anders die Situation in Österreich: Selbst das Nationalteam ist ständig auf Herbergssuche. Der leidgeprüfte Rekordnationalspieler: „Einige Hallen, die innen perfekt ausgestattet sind, sind nicht barrierefrei. Und barrierefreie Spielorte sind oft völlig veraltet.“

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Dessen ungeachtet geht es auch im Trainingslager vor der EM ordentlich zur Sache. Oft krachen die Räder der Rollstühle hart aneinander. Ab und zu hebt einer der Spieler ab und fliegt im hohen Bogen zu Boden, ohne darüber zu fluchen.

Nur wer das einmal live gesehen hat, versteht Matthias Wastian, der als Profi auch in Spanien und Deutschland gespielt hat: Für ihn ist sein Rollstuhl „kein Heilbehelf, sondern ein Sportgerät“.

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Im Vergleich zum Basketball jener, die laufen und springen können, kommt für Wastian, Hayirli und Co. eine weitere Komponente hinzu: Sie haben die Hände nicht nur für das Fangen, Dribbeln und Werfen frei, sie müssen damit auch ihre Rollstühle antauchen, um sich schnell in Position zu bringen. Der Selbst-Versuch von Unbedarften endet mit der nüchternen Erkenntnis, dass dieses Zusammenwirken der Hände fast unmöglich ist.

Umso mehr würde sich der weltgewandte Malik Abes, der in Frankreich weitherhin als Coach einer Profi-Mannschaft arbeitet, mehr Wertschätzung für seine österreichischen „Jungs“ wünschen. Die Erfahrungen hierzulande befremden ihn: „Anderswo werden Rollstuhl-Basketballer mit Respekt empfangen. In Österreich fehlt noch weitgehend der Respekt für diese Sportler.“

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Alles vergessen, wenn dem Kapitän während des Trainings ein herrlicher Drei-Punkte-Wurf oder ein ideales Zuspiel gelingt. Dann huscht ein Lächeln über sein Gesicht. Über die Liebe zu seinem Sport sagt Matthias Wastian: „Sich in einer Mannschaft zu beweisen, sich gegenseitig zu unterstützen, das ist schon ein sehr schönes Gefühl. Ich konnte mit etlichen Menschen Freundschaften schließen, und das über den ganzen Erdball.“

Spielvorschau, Tabellen, auch alle EM-Spiele der Österreicher werden auf der Webseite des europäischen Verbands im Stream zeitnah gezeigt. Hier geht es zum Link.

 

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