Einmal durch die Hölle

Bei Trockenheit quält der Staub die Fahrer, bei Regen wird der Sand zur Schmierseife
Auch 120 Jahre nach der Premiere bleibt Paris–Roubaix eine Tortur.

Eigentlich dürfte es solche Straßen mitten in Europa gar nicht mehr geben ...;

eigentlich sind die filigranen Rennräder für diese Belastungen nicht ausgelegt ...;

und die Fahrer schon gar nicht.

Doch ParisRoubaix ist anders, das Rennen ist die Königin der Radklassiker. Erstmals 1896 ausgetragen, erhielt es nach dem Ersten Weltkrieg, der die Region nördlich von Paris verwüstet hatte, die Bezeichnung "Hölle des Nordens".

Leidensweg

Exakt 257,5 Kilometer ist die Strecke der 114. Austragung von Paris-Roubaix lang, die am Sonntag (ab 10.15 live auf Eurosport) vor dem Schloss in Compiègne gestartet wird und kurz vor 17 Uhr im Vélodrome von Roubaix endet. Verteilt auf 27 Sektoren sind 52,8 Kilometer Kopfsteinpflaster zu bewältigen. Einige der Wege aus dem 19. Jahrhundert werden eigens für den Radklassiker erhalten. Sie sind ein Leidensweg im klassischen Sinne, eine endlos scheinende Gewehrsalve von Schlägen, die den Sportlern in die Hände, Füße und in das Gesäß fahren. Die Gefahren lauern überall: an Steinkanten platzen Reifen, in Schlaglöchern brechen Gabeln, in Spurrinnen fangen sich Vorderräder – Menschen stürzen auf die Pflastersteine. Der Sieger erhält keinen Pokal – sondern einen Pflasterstein.

"Ein Stück Scheiße"

Dutzende Geschichten ranken sich seit 120 Jahren um das Rennen. Eine davon aus dem Jahr 1985: Der Niederländer Theo de Rooij musste das Rennen nach einem Sturz aufgeben, völlig fertig saß er im Teamfahrzeug. Frustriert sagte er zu einem Reporter: "Das hier ist Schwachsinn. Du arbeitest wie ein Tier, du hast keine Zeit zu pissen und machst dir deshalb in die Hose. Du fährst durch Schlamm, du rutschst. Das ist ein Stück Scheiße!" Der Reporter fragte De Rooij, ob er dieses Rennen noch einmal bestreiten würde. Die Antwort kam ohne Zögern: "Natürlich. Das ist das wundervollste Rennen der Welt."

Im Schützengraben

Der berüchtigtste Abschnitt der Strecke, wird "La Tranchée" ("Schützengraben") genannt. 2400 Meter lang ist die Kopfsteinpflasterschneise durch den Wald von Arenberg. Zehntausende Zuschauer säumen den Abschnitt, brüllen den leidenden Gestalten ins Gesicht. Selbst der Letzte im Peloton wird gefeiert wie ein Sieger. Wer sich nicht auf dem Weg halten kann, stürzt.

Am Sonntag stehen zwei Athleten im Blickpunkt: Der Schweizer Fabian Cancellara fährt bei seinem letzten Antreten bei ParisRoubaix um den vierten Sieg, der Slowake Peter Sagan will im Weltmeister-Trikot das Klassiker-Double mit der Flandern-Rundfahrt vollenden.

Vier Österreicher

Neoprofi Michael Gogl kann die Erfolge Sagans gleich in seinem ersten Jahr auf der WorldTour aus nächster Nähe miterleben. Wie schon in Flandern zählt der Oberösterreicher zu den wichtigen Unterstützern des Tinkoff-Stars. Helferrollen erfüllen müssen auch Marco Haller, Routinier Bernhard Eisel und Ex-Stundenweltrekordler Matthias Brändle.

Für Lukas Pöstlberger war das Abenteuer schon zu Ende, bevor es begonnen hat. Am Donnerstag wollte der Oberösterreicher den tückischen Kurs kennenlernen. Er stürzte auf den nassen Pflastersteinen und musste für das Rennen w.o. geben.

Kommentare