Race Across America: Zwischen Qual und Passion

Christoph Strasser
Christoph Strasser fährt seinem vierten Sieg entgegen. Geschlafen hat er 5,5 Stunden – in sieben Tagen.

"Race Across America". Synonym für Sport im Extrembereich. 4940 Kilometer und 50.000 Höhenmeter von der Westküste der USA zur Ostküste, zurückgelegt in weniger als acht Tagen – auf einem Rennrad.

Das Race Across America ist das längste Zeitfahren der Welt, das härteste Radrennen, eine der extremsten Sportveranstaltungen. Über Highways und Passstraßen führt die Strecke, durch das mit bis zu 40 Grad glühend heiße Monument Valley und über die mehr als 3000 Meter hohen Pässe der Rocky Mountains. Die Fahrer kämpfen gegen zermürbenden Gegenwind und schwere Gewitter. Und sie kämpfen gegen die Müdigkeit.

In Führung

Der Steirer Christoph Strasser ist der Extremste unter den Extremen. Drei Mal hat der 34-Jährige das Race Across America bereits gewonnen. Derzeit steht er vor seinem vierten Gesamtsieg. Tausend Kilometer vor dem Ziel lag er am Dienstag mehr als 500 Kilometer vor seinem ersten Verfolger, dem Tiroler Patric Grüner. Heute, Mittwoch, zwischen 18 und 20 Uhr Ortszeit sollte Strasser das Ziel in Annapolis an der US-Ostküste erreichen.

"Jetzt wird es noch sehr hart", lässt Strasser über sein Medien-Team ausrichten. "Aber ich fühle mich sehr gut, habe wenige Schmerzen oder Abnützungserscheinungen. Das Wetter ist jetzt perfekt, die Hitzewellen und Minusgrade in der Nacht sind Geschichte."

In den ersten Tagen hat Strasser insgesamt 5,5 (!) Stunden geschlafen. Wer zu lange schläft, verliert Zeit. Wer gar nicht schläft, verliert das Rennen. Die wenigen Pausen sind akribisch geplant. Ausziehen, Pflegen, Massieren, Schlafen, Anziehen, Weiterfahren. Teamchef Michael Kogler vergleicht sie gar mit Boxenstopps in der Formel 1: "Der Rhythmus im Team ist perfekt und Chris war danach punktgenau wieder munter. Ich betreue ihn seit zwölf Jahren bei Extremrennen. Von der mentalen Stärke her gesehen, ist das sein bestes Rennen."

Rund 600 Kilometer legt Strasser pro Tag zurück, die gesamte Strecke ist um 30 Prozent länger als die dreiwöchige Tour de France. Eine Qual für den Athleten, für Psyche und Körper. Vor allem für jene Körperstellen, die direkten Kontakt mit dem Fahrrad haben: Hände, Fußsohlen, Gesäß. Mit seinem Ausrüster hat Strasser einen speziellen Sitzpolster entwickelt, mit einem Mediziner eine Sitzcreme. Denn gerade Sitzprobleme können zermürben. "Nur so lange es einem körperlich gut geht, macht auch die Psyche kein Problem", sagt Strasser.

Am Limit

Extremsport ist ein Unternehmen am Limit. Die fittesten Sportler riskieren im Wettbewerb ihre Gesundheit. Zwar unterliegen auch sie den Anti-Doping-Regeln der WADA, doch drohen bleibende Gelenk-, Muskel- oder Knorpelschäden. Sollte zu wenig Flüssigkeit aufgenommen werden, können die Nieren Schaden nehmen, der Schlafentzug kann zu späteren Schlafstörungen führen.

Erstmals in Strassers Betreuerteam ist der Arzt Florian Wimmer. "Es ist bei dem Rennen ein schmaler Grat zwischen Dehydrierung und Leistungserbringung", sagt er. "Aber aufgrund der Drosselung der Geschwindigkeit am ersten Tag geht alles voll auf. Die Flüssigkeitszufuhr funktioniert perfekt und die Leistungswerte stimmen."

Warum man solche Belastungen auf sich nimmt? Manche Menschen streben nach dem Außergewöhnlichen, dem Extremen. Sie klettern ungesichert durch die Eiger-Nordwand, sie besteigen den Mount Everest ohne Sauerstoff, sie springen aus Hubschraubern, segeln alleine um die Welt – oder fahren in acht Tagen auf einem Fahrrad quer durch die USA.

Ausdauernd
Franz Spilauer gewann 1988 als erster Nicht-Amerikaner das Race Across America. Dem Niederösterreicher folgte Wolfgang Fasching, der drei Mal das Rennen gewann. Severin Zotter siegte 2015.

Vier am Start
Heuer starteten vier Österreicher in den Einzelbewerb. Christoph Strasser fährt dem Sieg entgegen, Patric Grüner lag auf einem sicheren zweiten Platz. Gerhard Gulewicz musste nach etwas mehr als drei Tagen aufgeben. Alexandra Meixner lag gestern in der Damenwertung auf Rang zwei.

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