IOC-Präsidentin Coventry: Hoffnungsträgerin oder Erbin eines Systems?

IOC Executive Board Meeting - Photo Opp
Kristy Coventry wird heute als erste Frau an der IOC-Spitze angelobt – doch Vorwürfe um mögliche Einflussnahme trüben den historischen Moment.

Zusammenfassung

  • Kristy Coventry wird als erste Frau und Afrikanerin zur IOC-Präsidentin ernannt, strebt Dialog und Gemeinsinn an.
  • Vorwürfe über Einflussnahme durch Thomas Bach trüben Coventrys Wahl, trotz ihrer Bescheidenheitsbekundungen.
  • Das IOC weist Vorwürfe zurück, die Entscheidung sei unter unzulässigem Druck gefallen, und es gibt keine Eingaben bei der Ethikkommission.

Wenn Kirsty Coventry heute in einer 75-minütigen Zeremonie im Hauptquartier in Lausanne das Amt des IOC-Chefs von Thomas Bach übernimmt, wird die 41-Jährige zur ersten Frau an der Spitze des internationalen Olympischen Comités. Gleichzeitig ist sie die erste Person aus Afrika an dieser Position – in der 131-jährigen Geschichte der Institution – und nach neun Männern aus Europa sowie den USA an der Spitze.

Die Schwimmerin aus Südafrika, die sieben Olympiamedaillen gewonnen hat, ist seit 2013 Mitglied des IOC, wo sie als Athletenvertreterin begann. Zuletzt war sie Sportministerin in ihrer Heimat.

Sie will sich von ihrem Vorgänger abheben, sagt sie und setzt laut eigenen Aussagen auf Dialog und Beteiligung aller Mitglieder. Die Ubuntu-Philosophie aus Südafrika sei ihr Motto: Teil eines Ganzen sein, Menschlichkeit, Gemeinsinn.

Kritik an der Wahl

Anders als ihr Vorgänger Bach, der im Fünf-Sterne-Hotel residierte, betont Coventry ihre Bescheidenheit: Sie möchte normal leben, ihre Kinder selbst erziehen und den Bezug zur Realität nicht verlieren. Sie will sich stilistisch von Bach unterscheiden, unter dem viele Entscheidungen im kleinen Kreis gefallen sind.

Und doch bleibt bei so manchem IOC-Mitglied ein ungutes Gefühl nach Coventrys Wahl. Hat die neue IOC-Präsidentin vom Netzwerk ihres Vorgängers profitiert, der für sie gezielt Einfluss genommen hat?

Eine entsprechende Recherche der Süddeutschen Zeitung erhärtet den Verdacht. Mehrere IOC-Mitglieder, Berater und Kenner der Szene berichten von massivem Lobbydruck – insbesondere zugunsten Coventrys.

Reisen von Thomas Bach quer durch die Kontinente, die als „Abschiedstournee“ deklariert wurden, hätten demnach auf sie wie verdeckte Wahlkampfhilfe gewirkt. Manche Mitglieder fühlten sich regelrecht gedrängt, Coventry ihre Stimme zu geben.

IOC weist Vorwürfe zurück

Viele IOC-Mitglieder sollen überrascht gewesen sein, dass die Entscheidung gleich in der ersten Runde fiel, wenn auch mit der kleinstmöglichen Mehrheit. An ihrem fulminanten Wahlkampf habe das nicht gelegen, laut Süddeutsche wird die neue Chefin von Comité-Mitgliedern als blasse Persönlichkeit beschrieben. Umso mehr befürchten die Kritiker der Wahl, dass Thomas Bach sich durch ihre Bestellung längerfristigen Einfluss erhofft.

Doch der Vorwurf, er habe sie unzulässig unterstützt, wird vom IOC entschieden zurückgewiesen – es lägen keine Beschwerden bei der Ethikkommission vor. 

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