Mit allen Abwassern gewaschen

Auf der Rennstrecke Jacarepaguá bei Rio fuhr schon die Formel 1 - hier soll der Olympia-Park entstehen.
In zwei Jahren beginnen die Spiele in Rio. Nicht nur die Wasserverschmutzung macht Probleme.

Das stinkt zum Himmel. Und Erinnerungen an Peking 2008 werden wach. Damals kämpfte das olympische Segelrevier von Qingdao mit verseuchtem Wasser und der schlimmsten Algenplage seit Menschengedenken. Die Bewerbe fanden dann doch wie geplant statt, die Kritik an der Umweltverschmutzung blieb.

Ähnliches könnte 2016 in Rio de Janeiro geschehen. Derzeit trainieren mehr als 324 Sportler aus 34 Nationen in der Bucht von Guanabara, dem olympischen Segelrevier, während zehn Müllsammel-Boote täglich mehr als eine Tonne Abfall aus dem Wasser fischen. 19 schwimmende Öko-Barrieren sollen pro Tag weitere 20 Tonnen Müll auffangen. „Das ist definitiv nicht gesund“, sagte der dänische Segler Allan Norregaard. „Ich segle seit 20 Jahren überall auf der Welt, aber dies ist der schmutzigste Ort, den ich je gesehen habe.“

Dreckslacke

70 Prozent der Abwässer fließen ungeklärt in die Bucht, das sind 10.000 Liter pro Sekunde. Sieben Tonnen Öl und 340 Tonnen organische Abfälle sollen täglich in die Bucht geraten. Die von Fäkalien verursachte Verschmutzung liegt fast 200-mal über dem Wert, der in den USA als sicher gilt. Bis zu den Olympischen Spielen in exakt zwei Jahren, will Rio de Janeiro 80 Prozent des Abwassers reinigen, die Projekte seien „weit fortgeschritten“, sagt der Leiter des Organisationskomitees Leonardo Gyner. Unabhängige Experten sprechen allerdings von sehr zaghaften Verbesserungen.

Ungeklärt fließt das Wasser aus den Favelas auch in Barra, wo der Olympia-Park entstehen soll. Der wird erbaut auf dem Gelände des Autódromo Internacional Nelson Piquet, auch bekannt als Jacarepaguá, wo bis 1989 der Formel-1-Grand-Prix von Brasilien stattfand. Vor der Copacabana, wo Marathonschwimmer und Triathleten ins Wasser gehen werden, wurden 16-mal so viele Kolibakterien gemessen, wie von der Regierung als unbedenklich eingestuft.

Alles wird gut? Vielleicht. Mit der Fußball-Weltmeisterschaft vor einem Monat hat Brasilien bewiesen, dass es eine Großveranstaltung über die Weltbühne bringen kann – mit etwas Bauchweh (Stadien, die erst am Tag vor dem Spiel fertig wurden, Demonstrationen gegen die Regierung). Die Kritik am Veranstalter, die es auch vor der Fußball-WM gegeben hatte, war rasch verstummt.

Dennoch äußerte das Internationale Olympische Komitee (IOC) bereits vor zwei Monaten Bedenken. Die Bauverzögerung soll teilweise bis zu zwei Jahre betragen, etwa beim Olympia-Park Deodoro. Nach Angaben der brasilianischen Zeitung O Estado de São Paulo, schätzt das IOC, dass zwei Jahre vor Beginn der Spiele erst zehn Prozent der Bauprojekte fertiggestellt wurden. Zum Vergleich: Vor den Spielen in London waren es zu diesem Zeitpunkt bereits 60 Prozent. IOC-Vizepräsident John Coates beschrieb schon im April die Vorbereitungen für die Sommerspiele 2016 als „die schlechtesten, die ich je erlebt habe“ und „schlechter als Athen“.

Adrenalinstoß

Rio de Janeiros Bürgermeister Eduardo Paes ist wild entschlossen, nicht alle Sportstätten erst in letzter Minute fertigzustellen. Allerdings warnte er zugleich vor der Mentalität der Brasilianer: „Sie mögen den Adrenalinstoß, es in letzter Minute zu schaffen. Wir müssen ihnen erklären, dass dies bei den Spielen nicht so sein darf.“
Und sollte es doch so sein? Plan B? Gibt es nicht. „Wir werden nach Rio gehen“, sagt IOC-Vize Coates. „Wir müssen es möglich machen. Genau das ist die Herangehensweise des IOC.“

In London vor zwei Jahren schrieben Österreichs Sportler Geschichte. Erstmals seit den Olympischen Spielen 1964 in Tokio kehrte die rot-weiß-rote Delegation ohne Medaille zurück. Konsequenz aus der Nullnummer: Das "Projekt Rio“. "Schluss mit dem Gießkannensystem, stattdessen konkrete Spitzenförderung“ versprach Sportminister Gerald Klug. Fünf Millionen Euro pro Jahr wurden für die Jahre 2013 bis 2016 festgelegt. 20 Millionen gesamt. Chef-Koordinator Peter Schröcksnadel gibt als Ziel aus: "Drei bis fünf Medaillen.“

Auf Kurs

39 Sportler umfasst der Kader für die Spitzenförderung, darunter 12 Paralympics-Teilnehmer. "Die jüngsten Erfolge stimmen uns sehr hoffnungsfroh“, sagt Sportminister Klug zwei Jahre vor dem Beginn der Spiele. "Der Kurs stimmt.“
Thomas Daniel gehört zum Kreis der Medaillen-Anwärter. Der Moderne Fünfkämpfer sorgte schon in London 2012 mit Rang sechs für eine Top-Platzierung. Bei der EM vor einem Monat wurde er erneut Sechster. Auch Österreichs Segler waren bei der EM erfolgreich: Lara Vadlau und Jolanta Ogar holten in Athen in der 470er-Klasse Gold, Matthias Schmid und Florian Reichstädter sorgten mit Silber für die erste Herren-Medaille in dieser Klasse. Auch mit den 49er-Seglern Delle Karth/Resch wird gerechnet.
Die Ruder-Brüder Bernhard und Paul Sieber (Leichtgewicht-Zweier) müssen bei der WM in drei Wochen beweisen, dass sie bereits zur Weltspitze zählen. Dies hat die ehemalige Wildwasser-Kanu-Weltmeisterin Corinna Kuhnle bereits zeigen können. Den erfahrenen Beachvolleyballern Clemens Doppler/Alexander Horst darf aus heutiger Sicht viel zugetraut werden. Ob Stefanie Schwaiger mit ihrer neuen Beach-Partnerin Lisa Chukwuma harmoniert, wird sich zeigen. Einzige Hoffnung bei den Schwimmern ist Dinko Jukic. Der Vierte von London fiel zuletzt mehr durch Streitereien mit dem Verband als mit Spitzenzeiten auf.

Viva sua Paixao! Lebe Deine Leidenschaft. Sport heißt im konkreten Fall diese Leidenschaft. Und leidgeprüft war Brasiliens Leidenschaft für den Sport schon bei der Fußball-WM 2014.

Die Abwicklung der Weltmeisterschaft war gut, besser als vom Chor der Pessimisten vorausgesagt. Aufräumungsarbeiten gibt’s für Rio de Janeiro aber nicht. Kaum ist der Schlusspfiff der WM verhallt, geht es weiter mit der Vorbereitung für Olympia 2016, mit dem Bau der Infrastruktur, die eine viel aufwendigere ist. Und wohin schubst man wieder die großen Teile der armen Bevölkerung, deren Favelas dem sportfestlichen Treiben im Wege stehen? Es fehlt an Hotelzimmern und an den verkehrstechnischen Einrichtungen, um die Sportstätten überhaupt einigermaßen komfortabel zu erreichen. Denn Barra Tijuca, ein Hauptschauplatz der Spiele, hat nur am äußersten Rande etwas mit Rio zu tun. Wer keinen Drang zur Mobilität verspürt, sollte einen Besuch der Spiele erst gar nicht als Reiseziel andenken.

Der stellvertretende Präsident des Olympischen Komitees ließ erst im vergangenen April seiner Ernüchterung freien Lauf. Die Vorbereitungen auf die Sommerspiele von Rio seien die schlechtesten, die er je gesehen habe. Rio wird die Rechnung bezahlen für den brasilianischen Traum, den eine politische Minderheit irgendwann einmal begonnen hat. Leidenschaft wird da sein. Vor allem Leidenschaft, dagegen zu protestieren.

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