Mythos Wimbledon: Erdbeeren mit Aufschlag
Eine Walze. Eine einfache Rasenwalze war verantwortlich für das größte und prestigeträchtigste Tennisturnier. 1877 wurde eine Rechnung über 10 Pfund ausgestellt, weil eine dieser erneuert werden musste. So kam der All England Lawn Tennis and Croquet Club auf die Idee, ein Turnier auszutragen, das Eintrittsgeld wurde für die Walze aufgebracht.
Neben Erdbeeren mit Schlag werden von den Athleten auf dem Rasen knallharte Aufschläge serviert. Auf einem Rasen. „Auf diesem Belag wird nur drei, vier Wochen im Jahr gespielt, das ist einzigartig“, sagt der österreichische Trainer Günter Bresnik.“ Und in Wimbledon wird sogar die Rasenlänge vorgeschrieben, exakt 8 Millimeter muss diese betragen.
Unheile Welt
Für Thomas Muster , der sich in Paris wohler gefühlt hat, ist das Tennisturnier in Wimbledon vergleichbar mit einem „elitären Golfklub. Früher spielte man hier mit weißen Hosen und weißem Blazer. In Wimbledon wird eben fast alles auf Tradition aufgebaut.“ Noch müssen 90 Prozent des Outfits weiß sein. Das ist Gesetz. Sonst droht die Disqualifikation. Eine Regel, die beispielsweise Paradiesvogel Andre Agassi jahrelang einen weiten Bogen um Wimbledon machen ließ.
Und auch das gibt es nur in Wimbledon: Die Sieger verneigen sich vor der Royal Box und dürfen einen Knicks machen. Der siebenfache Titelträger Roger Federer wurde sogar von Queen Elizabeth zum Dinner eingeladen. Soweit hat es Jürgen Melzer noch nicht gebracht, auch wenn er dreifacher Wimbledon-Sieger ist (Junioren, Doppel, Mixed). Am Montag wartet zum Auftakt im Einzel der Italiener Fabio Fognini auf den Niederösterreicher.
Zum Knicks vor der Royal Box ist es noch ein sehr weiter Weg.
Was man über Wimbledon wissen muss:
Freilich, es ist nicht schwer, in Wimbledon aufzufallen. Jede Gefühlsregung unter Spielern ist schon ein Aufstand.
Die schönsten Aufreger auf dem feinen Rasen:
Mixed-Doppel. US-Jeff Tarango ist heute noch eine Legende in Wimbledon. 1995 schimpfte der Amerikaner Schiedsrichter Bruno Rebeuh: „Du bist die korrupteste Sau im Tennis!“ Nicht genug, es mischte sich auch Gattin Benedicte ein und verpasste Mr. Rebeuh eine Ohrfeige.
Green, green grass of home. Martina Hingis war auf andere Art verschnupft: Die Schweizerin wurde 2007 positiv auf Kokain getestet, erst Monate später machte sie den Vorfall offiziell. Im November darauf trat sie zurück – mit 27 Jahren.
Bekiffte Teilnehmer, Teil 2. Einen Mitarbeiter der BBC erwischte es vor 2007. Er wurde mit fünf Gramm Cannabis ertappt. Pikant: Der 24-Jährige war für die Bedienung des „Hawk Eye“, des TV-Beweises, zuständig. BBC-Chef Barnes tobte: „Wie kann ein Bekiffter dieser anspruchsvollen Aufgabe nachgehen?“
Legende. Jeder Tennisfan kennt diesen Aufschrei: „You can’t be serious!“ Richtig, Urheber war John McEnroe, Adressat war in einem Erstrundenspiel 1981 der Schiedsrichter. Weil es so schön war, rief es der Amerikaner noch ein paar Mal und setzte am Ende ein „Du bist ein inkompetenter Idiot, eine Beleidigung für die Welt!“ nach. McEnroe blieb sich treu, spielte zwar jedes Jahr in Wimbledon, pfiff aber beständig auf das Champions Dinner und ging stets lieber mit Freunden aus.
Heimatlos. Greg Rusedski war ursprünglich Kanadier und wurde im Laufe seiner Karriere Brite. Die Herzen der Wimbledon-Fans gewann er nie. „Er hat Schande über das britische Tennis gebracht“, schimpfte die Daily Mail über Rusedski. Warum? Er wurde 2003 etwas ausfällig, rief unter anderem das Wort „Wichser“.
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