Susie Wolff: „Jetzt bin ich bereit“

Wenn es eine Frau in den kommenden Jahren in ein Formel-1-Cockpit schaffen sollte, dann ist es Susie Wolff. Die 30-jährige Schottin ist die Frau von Toto Wolff und Testfahrerin bei Williams.

Vor einem Monat pilotierte Susie Wolff bei den Young-Driver-Tests den aktuellen Williams Formel-1-Wagen. In fast perfektem Deutsch spricht die zierliche Schottin über ihren Traum von der Formel 1.

KURIER: Wie war das Gefühl, im Formel-1-Auto zu sitzen?
Susie Wolff:
Es war super. Ich habe zuvor sehr hart gearbeitet, mich wochenlang vorbereitet. Ich habe gewusst, dass alle auf mich schauen werden, wie ich in einem Formel-1-Auto fahre. Und ich habe es richtig genossen. Es war meine zweite Fahrt in einem Formel-1-Auto, nach einem Medien-Event im Oktober 2012.

Was sind die Herausforderungen im Formel-1-Auto?
Das Auto hat einfach eine unglaubliche Leistung. Es hat so viel Abtrieb, man kann so spät bremsen ... Am Anfang denkt man, das kann sich nicht ausgehen. Aber sehr viel Freude hat es mir gemacht, mit den ganzen Jungs zusammenzuarbeiten. In unserem Team passt alles zusammen.

Selbst top-trainierte Männer gehen in einem Formel-1-Auto an ihre körperlichen Grenzen. Kann da eine Frau mithalten?
Ich habe es bewiesen. Ich habe bei den Tests in Silverstone 89 Runden geschafft. Ich habe sehr lange dafür trainiert und es war nicht leicht. Frauen haben 30 Prozent weniger Muskeln als Männer. Aber schon nach den ersten 15 Runden habe ich gemerkt, dass es körperlich keine Probleme geben wird.

Ihre Vize-Teamchefin Claire Williams hat gemeint, dass sie irgendwann eine Frau in die Startaufstellung eines Formel-1-Rennens bringen will. Damit kann sie nur Sie gemeint haben.
Für mich ist es toll, eine Frau als Chef zu haben. Besonders in einer Männerdomäne wie der Formel 1. Ich kämpfe für meine Chance, weiß aber nicht, ob ich sie einmal bekommen werde.

Sie sind mit Ihren 30 Jahren kein junges Talent mehr.
Ja. Aber vor fünf Jahren wäre ich noch nicht bereit gewesen. Ich war noch nicht fit genug. Die Belastung in einem Formel-1-Cockpit ist enorm, nicht nur körperlich. Bei meinem Test haben alle genau auf mich geschaut, um zu sehen: Schafft das eine Frau? Jetzt kann ich mit diesem Druck umgehen.

Haben Sie einen Zeitplan?
Nein, das ist nicht möglich. Ich bin hier, und arbeite auf meine Chance hin. Vielleicht bekomme ich mit 32 Jahren meine erste Chance. Wenn ich in zwei, drei Jahren merke, dass die Chance nicht kommt, werde ich aufhören.

Für Williams wäre es fantastisch, eine Fahrerin wie Sie in ein Rennen zu schicken. Die ganze Aufmerksamkeit würde sich plötzlich auf das Team richten.
Ja natürlich. Aber ich bin überzeugt, dass ich die Chance nur bekomme, wenn ich auch meine Leistung bringe.

Die Formel 1 ist im positiven Sinne weiblicher geworden. Weniger Grid-Girls, mehr Frauen in wichtigen Positionen. Sie haben eine Teamchefin – und Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn wurde von Bernie Ecclestone gar als mögliche Nachfolgerin für ihn bezeichnet. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Ich finde das toll. Monisha und Claire machen den Job nicht deshalb, weil sie Frauen sind, sondern weil sie fantastische Arbeit machen. Es gibt aber noch andere Frauen hinter den Kulissen, auch wir haben eine Ingenieurin. Viele sagen: ,Bernie hat da etwas dagegen’, aber das stimmt überhaupt nicht. Nach meinem Test hat er mich sofort angerufen und mir gratuliert.

Sie sind mit Toto Wolff verheiratet, der seit ein paar Monaten Mercedes-Motorsportchef ist. Hat sich die Beziehung verändert? Gibt es Betriebsgeheimnisse?
Lustig, dass mir so viele Leute diese Frage stellen ...

Es ist auch eine gute Frage ...
Unsere Ehe ist nicht so schlecht, dass wir nur über Motorsport reden. Ich habe ein Riesen-Glück, mit ihm zusammen zu sein. Ich finde ihn toll, er unterstützt mich sehr viel in der Formel 1. Es ist hier oft sehr schwierig.

Was ist schwierig?
Jeder kämpft um einen Platz in der Formel 1. Jeder will hier drinnen sein. Es gibt 20 Personen hinter einem, die genau den Job wollen. Deswegen muss man stark sein. Ich habe das Glück, dass wir zusammen reisen können, zusammen wohnen. Aber ich kann ihm kaum Informationen geben, die er verwerten kann. Das sind zwei komplett verschiedene Teams und wir haben verschiedene Aufgaben.

Ist es noch immer so, dass er am Steuer sitzt, wenn Sie miteinander im Auto fahren.
Ja.

Aber Sie sind doch die Formel-1-Fahrerin.
Genau, aber er ist ein sehr schlechter Beifahrer.

Sind Sie schon einmal gegeneinander Rennen gefahren? Etwa im Kart?
Ja.

Und?
Ich war schneller. Aber das ist ja mein Beruf.

Der weibliche Einfluss im Grand-Prix-Zirkus ist größer denn je. Die in Indien geborenen Österreicherin Monisha Kaltenborn führt den (derzeit erfolglosen) Sauber-Rennstall an. Claire Williams hat sich im Rennstall ihres Vaters gegen dessen Willen durchgeboxt. Denn Frank Williams wollte ursprünglich keine Familienmitglieder in seinem Team. Doch über die PR- und Marketing-Abteilung diente sich die heute 36-Jährige hoch bis (fast) an die Spitze. Derzeit ist sie Vize-Teamchefin – und designierte Nachfolgerin ihres querschnittgelähmten Vaters.

Unisono bestätigen beide Damen, dass das Geschlecht in der angeblichen Männerdomäne Motorsport keine Rolle spielt. „Ich mache mir darüber keine Gedanken“, sagt Claire Williams. „Es gibt keinen Grund, warum Frauen nicht in die Formel 1 kommen können, ob als Fahrer oder Techniker. Schickt einfach euren Lebenslauf.“

Die Frauen in der Formel 1 sind längst mehr als nur schmückendes Beiwerk in der Boxengasse. In den PR-Abteilungen der Teams sind Frauen bereits in der Mehrzahl. Immer mehr Technikerinnen arbeiten bei den Mannschaften an der Strecke oder in den Fabriken.

Bereits 37 Jahre sind allerdings vergangen, seit mit Lella Lombardi (It) eine Frau in einen Formel-1-Grand-Prix gestartet ist. Im Vorjahr machte die Spanierin Maria de Villota negative Schlagzeilen, als sie bei Geradeaus-Testfahrten für Marussia in einen Laster raste, in Lebensgefahr schwebte und ein Auge verlor.

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