Pit Beirer: "Das ist ein Gänsehaut-Gefühl"
Ein Wort schien bei KTM heuer aus dem Vokabular gestrichen worden zu sein: "Druck". Im ersten Jahr in der MotoGP wolle man geduldig sein, langsam Fortschritte machen, sich an die Weltbesten herantasten. Nur eines wolle man sicher nicht: Druck verspüren von außen.
Doch was sagt KTM-Pilot Pol Espargaró vor dem ersten Heimrennen in Spielberg für KTM in der MotoGP? "Ich freu mich drauf. Aber den Druck spüre ich schon." Nun ist er also da, der Druck, und Herr Espargaró und KTM sind selbst schuld daran. Hätte man nicht diese großen Fortschritte gemacht, würde man nicht regelmäßig WM-Punkte sammeln, wäre Espargaró zuletzt in Brünn nicht in die Top Ten gefahren, ... dann wäre von einem Druck nichts zu spüren.
Doch nun sind die Erwartungen gestiegen, nicht nur bei den 7200 in orange gekleideten Fans auf der KTM-Tribüne im Innenfeld.
Neue Welt
Das österreichische Team ist erfolgsverwöhnt. Seriensieger im Offroad-Bereich, 73-facher Grand-Prix-Sieger in den kleineren Klassen, Weltmeister 2016 mit Brad Binder (RSA) in der Moto3. Doch die MotoGP ist ein anderes Kaliber, in der Königsklasse gipfelt die Technologie. 2014 startete KTM das Abenteuer, 30 Millionen Euro Jahresbudget wurden in die Schlacht geworfen, 100 Personen aus 18 Nationen kümmern sich um das MotoGP-Projekt, und beim ersten Rennen im März waren die Fahrer Pol Espargaró und Bradley Smith ... ganz hinten.
Wie es zu erwarten war.
"Wir haben von null weg ein Motorrad aufgebaut", sagt der deutsche KTM-Motorsportdirektor Pit Beirer am Freitagabend bei einem Treffen in der pompösen Hospitality des Teams. "Ein MotoGP-Bike besteht aus 2800 Teilen. Wir haben nichts gehabt, außer den Griffgummis. Und selbst die haben Bradley Smith nicht gepasst."
Eigener Weg
Einzelteile gibt es in der MotoGP nicht zu kaufen, jedes Stück wird im Hauptquartier im oberösterreichischen Munderfing gefertigt. Dort baute das Team einen soliden Motor, und es setzte als einzige Mannschaft auf einen Rahmen aus Stahl statt aus Alu. "Diesen können wir selbst fertigen", sagt Beirer. "Dadurch waren wir bei unserer Entwicklung sehr flexibel."
Schon im zweiten Rennen kamen beide Piloten in die Punkteränge (Top 15), im Qualifying arbeitete sich das Team ins Mittelfeld vor, vorige Woche überraschte Espargaró in Brünn als Neunter. "Es ist ein tolles Gefühl, die anderen plötzlich überholen zu können", sagt der Spanier über zuvor nicht gekannte Freuden. "Es scheint, als würden die Typen in der Fabrik nie schlafen gehen."
Mittlerweile ist die Spitze weniger als eine Sekunde entfernt. "Wir haben in dieser Klasse 20 Jahre Entwicklungsrückstand", sagt Motorsportdirektor Beirer. "Natürlich fragen wir uns, was noch fehlt. Aber wir sind viel weiter, als alle erwartet haben. Jetzt dürfen wir diesen Moment auch genießen. Das ist ein Gänsehaut-Gefühl."
Und zum Thema "Druck" hat das Team die Einstellung mittlerweile geändert. "Irgendwann möchten wir den größtmöglichen Druck haben", sagt Beirer. "Denn den haben die, die ganz vorne stehen."
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