Nur im Jammern ist Ferrari ganz vorne

Das erfolglose Team aus Maranello schimpft über mangelnden Spaß und die neuen Regeln.

Euphorie sieht anders aus. Bei Ferrari wird seit Tagen gesudert, nachdem Teamchef Stefano Domenicali wegen anhaltender Erfolglosigkeit das Handtuch warf und durch den bisher völlig unbekannten Marco Mattiachi ersetzt wurde. Rang vier in der WM für Fernando Alonso, 35 Punkte hinter Spitzenreiter Nico Rosberg; gar nur Rang zwölf für Kimi Räikkönen, den letzten Ferrari-Weltmeister (2007). So schlecht wie heuer ist die Scuderia schon lange nicht mehr in eine Saison gestartet.

Dicke Luft

So verwundert es nicht, dass auch die Stimmung an einem (vorläufigen?) Tiefpunkt angekommen ist. Auf den Wechsel in der Chefetage reagierte Starpilot Fernando Alonso fast provokant kühl: "Es ist noch zu früh, um zu sagen, ob der Wechsel sehr gut oder sehr schlecht ist." Klar sei aber: "Wir müssen ehrlich sein: Wir sind nicht da, wo wir sein wollten."

Große Hoffnungen hatte Ferrari in die Regeländerungen mit der Motoren-Revolution gesetzt. Doch der Erfolg blieb aus – und Ferrari kritisiert gerade diese neuen Regeln. Im Vorfeld des Grand Prix von China am Sonntag (9.00 Uhr/live ORF eins, RTL und Sky) schimpfte Firmenchef Luca di Montezemolo: "Das ist eine Formel 1, die keinen Spaß macht. Man versteht sie nicht, und sie ist zu kompliziert."

Ferrari initiierte eine Internet-Umfrage, in der 80 Prozent der Teilnehmer die neuen Reformen ablehnen und sogar der Präsident des Olympischen Komitees Italiens kritisierte: "Ich spreche im Namen aller Sportler und Fans Italiens: Ich mag diese Formel 1 nicht. Meiner Meinung nach liefert sie ein Produkt, das absolut keinen Sinn macht." Im Mittelpunkt der Kritik: der Sound und die Autos, die nicht mit Vollgas, sondern spritsparend ihre Runden drehen.

Unter Zugzwang

Dabei hatte sich bei Festlegung der Regeln im Jahr 2011 gerade Ferrari für die aktuellen V6-Turbomotoren ausgesprochen und damals die von der FIA forcierten Vier-Zylinder-Motoren abgelehnt, da Triebwerke dieser Art nicht in den Straßenmodellen des Sportwagen-Herstellers zu finden sind.

Nun sind die Regeln unumstößlich, Ferrari ist in der Defensive. Mercedes ist bereits enteilt. Jetzt droht man auch den Anschluss an McLaren, Williams und Force India zu verlieren. Deshalb spricht Ferrari-Chefingenieur Pat Fry nicht von Siegen: "Derzeit besteht unsere Priorität darin, uns als das zweitbeste Team zu etablieren." Die Baustellen der Scuderia sind umfangreich: "Wir prüfen alle Bereiche des Autos: Antriebseinheit, Aerodynamik, Aufhängung."

Viel Arbeit wartet auf den neuen Teamchef Marco Mattiaci. Doch dieser gilt vor allem als Experte für Vermarktung und Verkauf. In Italien blühen Spekulationen, der 44-Jährige sei nur Platzhalter für eine echte Formel-1-Koryphäe. Dabei fielen Namen wie Bob Bell (Mercedes-Technikchef), Ross Brawn oder sogar Gerhard Berger.

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