KTM und die Dakar: Wie die Oberösterreicher Staub aufwirbeln
Wenn der Weg tatsächlich das Ziel ist, dann hat Heinz Kinigadner alles richtig gemacht bei der Rallye Dakar. Der mittlerweile 62-jährige Tiroler gilt bis heute als einer der spektakulärsten Motorradfahrer überhaupt, der das Wüstenabenteuer auf sich genommen hat. Siebenmal hat er in den 1990er-Jahren daran teilgenommen und dabei Grenzen ausgelotet sowie auch welche überschritten, nur Dakar selbst, das Ziel in der senegalesischen Hauptstadt, hat er nie gesehen.
„Mein Motocross-Stil war eigentlich nicht gemacht für dieses Rennen“, erinnert sich Kinigadner im Gespräch mit dem KURIER, „ich bin einfach jeden Tag blind drauf los gefahren.“ Nicht die beste Strategie für ein Rennen in oft feindlichem, jedenfalls aber unbekanntem Gelände.
Gewaltige Spuren im Wüstensand hat Heinz Kinigadner dennoch hinterlassen, vielleicht bedeutendere als viele Dakar-Sieger.
Denn der Tiroler war es, der vor bald 30 Jahren den oberösterreichischen Hersteller KTM zum werksseitigen Einstieg bei der Dakar überzeugte. „Bei den Alteingesessen im Unternehmen war viel Überzeugungsarbeit nötig“, sagt Kinigadner rückblickend.
Die Dakar sei damals etwas für Aus- und Umsteiger wie ihn gewesen, doch genau darin sah der Tiroler das Potenzial, aus zwei Gründen. „Um diese Jahreszeit findet kein anderer Motorsport statt. Alle Motorradfahrer sitzen zu Hause und sehnen sich nach Motorradsport. Und dann kommen die Bilder von der Dakar.“
Zweitens erkannte er vor Ort, „dass 95 Prozent der Teilnehmer Privatfahrer waren, die das Abenteuer ihres Lebens suchten. Allerdings waren die meisten heillos überfordert mit den schweren Zweizylinder-Maschinen“. Motocross-Weltmeister Kinigadner kam die KTM mit ihrem schlanken 1-Zylinder-Motor in den Sinn, „wenngleich ein Spruch damals lautete: ‚Eine KTM schafft keine 1.000 Meter!‘ Wir hatten natürlich riesigen Respekt vor dem Projekt.“
Aus dem Projekt wurde eine Erfolgsgeschichte. Die Produkte aus Mattighofen sind mittlerweile das Nonplusultra in der Wüste, nicht nur bei den Privatpiloten. Seit 2001 stellt KTM 18 Gesamtsieger und damit doppelt so viele wie der Zweite in der ewigen Bestenliste, Yamaha. Insgesamt feierten KTM-Piloten 228 Tagessiege, einige der ersten gingen auf das Konto von Heinz Kinigadner, der mittlerweile als Sportmanager im Konzern tätig ist. Zur diesjährigen Dakar, bei der am Sonntag die erste Etappe ansteht, reist der Wegbereiter am 3. Jänner.
Was er in Saudi-Arabien zu Gesicht bekommt, ist eine alle Bereiche des Rennens umfassende Professionalität, vom einstigen Abenteuer sind nur noch Erinnerungen übrig. Auffrischen kann sie Kinigadner im Fahrerlager. Wenn er etwa vom 86-Oktan-Benzin in Afrika erzählt, der ihm damals regelrecht die Kolben zerfressen hat; oder von der Navigation mittels Kompass, „obwohl ich keine Ahnung davon hatte. Wir alle sind einfach so gut es ging dem Peterhansel nachgefahren“.
Jener Franzose ist mit 14 Gesamtsiegen, sechs mit dem Motorrad, acht im Auto, der Mister Dakar. Auch dieses Jahr ist der 57-Jährige für Audi mit dabei.
Es ist jetzt nicht so, dass Radarboxen in der Wüste aufgebaut werden, aber aufs Tempo müssen die Rallye-Piloten bei der vierten Ausgabe der Dakar in Saudi-Arabien schon achten. Mehr als 160 km/h sind nicht mehr erlaubt. Das soll der Sicherheit dienen, diese Marke wird laut Matthias Walkner ohnehin nur selten in den Dünen erreicht.
Der Salzburger KTM-Werksfahrer, der im Jahr 2018 als erster Österreicher den Gesamtsieg bei dem Motorsportspektakel erringen konnte, will auch 2023 aufs Podest. „Ich bin so gut vorbereitet wie es möglich war, alles, was ich mir vorgenommen habe, kann ich abhaken“, sagte der 36-Jährige. Eine Schulter-Operation im Sommer kostete ihn wertvolle Trainings- und Wettkampfzeit.
Die Feinabstimmung auf das Motorrad, eine Evolution des Bikes, mit dem er bei der vorangegangen Ausgabe Dritter wurde, holte er sich in den USA und Mexiko.
Neue Regeln
Weniger Freude haben Walkner und Kollegen mit dem ständig wechselnden Regelwerk. Die Idee mit unterschiedlichen Routenplänen nach dem Zufallsprinzip wurde kurz vor dem Start von den Veranstaltern verworfen: „Die Regeln sind schon so komplex, dass sich das ganze Team schwertut, sie zu verstehen.“
Dennoch soll die Navigation im Mittelpunkt des Abenteuers über 14 Etappen und 8.500 Kilometer stehen. Um taktische Spielchen zu vermeiden und um den Zeitverlust für Vorausfahrende zu minimieren, bekommen die Top 3 des Vortages eine Zeitgutschrift.
Ebenfalls neu: Piloten werden disqualifiziert, sobald sie eine Etappe nicht beenden oder gar erst nicht starten. Bisher durften sie die Rallye mit einer Zeitstrafe und damit außer Konkurrenz fortsetzen und so mitunter ihren Teamkollegen helfen.
Kommentare