Die rote Gefahr meldet sich zurück

Hoch die Fahnen: Nach der starken Performance auf dem Schanghai International Circuit demonstrierten Fernando Alonso und Ferrari auch Passione beim Jubel.
Nach neun Monaten gewinnt Ferrari-Star Alonso wieder ein Rennen. Die WM ist offen wie nie.

Eigentlich ist Ferrari bereits Weltmeister. Wenn es um Leidenschaft im Grand-Prix-Sport geht, macht der stolzen Scuderia niemand etwas vor. Keiner gewinnt mit mehr Glanz, keiner verliert mit mehr Hingabe.

Sonntag, beim Großen Preis von China in Schanghai, war für den ältesten und erfolgreichsten Rennstall der Königsklasse wieder einmal Jubel angesagt. „Fenomenale, fenomenale“, knatterte es durch den Boxenfunk von Fernando Alonso. Für den Spanier war es der 31. Sieg seiner Karriere, er zog damit in der ewigen Bestenliste mit Nigel Mansell gleich und hat nur noch Ayrton Senna (41), Alain Prost (51) und Michael Schumacher (91) vor sich.

Knifflige Situation

Sieg Nummer 30 hatte Alonso bereits vor neun Monaten eingefahren. „In den kniffligen Situationen müssen wir da sein“, sagte er. Und in China war er da: Nach nur 25 Kilometern hatten sich Teamkollege Felipe Massa und er den von Platz eins gestarteten Lewis Hamilton im Mercedes geschnappt. Bereits zu diesem Zeitpunkt war zu erahnen, dass es eine Demonstration der Kraft, der Potenza, in Rot würde.

Das Ferrari-Modell der Saison 2013 ist kein Geniestreich der Ingenieurskunst, eher ein Kompromiss, aber was für einer: einigermaßen schnell im Sprint über eine Qualifikationsrunde, aber dennoch schonend im Umgang mit den Reifen. Das verbindet den roten Renner mit dem schwarzen Lotus von Kimi Räikkönen (am Sonntag Zweiter) und unterscheidet ihn – noch – vom Silberpfeil von Lewis Hamilton (Platz drei).

Denn wie erwartet flogen in Schanghai früh die Fetzen von den sensiblen Pirelli-Reifen. Die weichere Reifenmischung hielt den hohen Kräften der Formel 1 keine zehn Runden stand.

Pokerspieler Vettel

Es hat momentan nicht sehr viel mit Rennfahren zu tun, wenn man das ganze Augenmerk auf die Reifen legen muss“, meckerte daher auch Weltmeister Sebastian Vettel. Der WM-Führende im Red Bull hatte als Einziger der Top-Piloten bereits im Qualifying auf eine andere Rennstrategie gesetzt und war von Rang neun mit den härteren Reifen ins Rennen gestartet. Der Poker sollte ihn zwar in Podiumsnähe spülen, Sieger Alonso konnte der Deutsche allerdings nie in Bedrängnis bringen.

Über zehn Sekunden machte Vettel in den letzten vier Runden auf Hamilton gut, für das Podest hätten es ein paar Hundertstel mehr sein müssen. „Das Kräfteverhältnis ist momentan ein Scherz“, sagte Vettel. Fahrer von acht Teams landeten in den Top 10, die ersten sechs der WM sind lediglich durch 26 Punkte getrennt.

Prognosen traut sich ohnehin niemand mehr zu stellen – nicht einmal Niki Lauda, der es sich zum Ziel gesetzt hat, auf alles und jeden eine Antwort parat zu haben. „Ob es wirklich notwendig ist, dass die Reifen so am Limit sind?“, fragte er als Experte in die RTL-Kamera.

Als Aufsichtsratsvorsitzender von Mercedes hat sein Wort mittlerweile noch mehr Gewicht. Für das übernächste Rennen in Barcelona hat Pirelli bereits Änderungen angekündigt.

Endstand - GP von China
1. Fernando Alonso (ESP) Ferrari 1:36:26,945 Std.
2. Kimi Räikkönen (FIN) Lotus 10,168
3. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 12,322
4. Sebastian Vettel (GER) Red Bull 12,525
5. Jenson Button (GBR) McLaren 35,285
6. Felipe Massa (BRA) Ferrari 40,827
7. Daniel Ricciardo (AUS) Toro Rosso 42,691
8. Paul di Resta (GBR) Force India 51,084
9. Romain Grosjean (FRA) Lotus 53,423
10. Nico Hülkenberg (GER) Sauber 56,598
11. Sergio Perez (MEX) McLaren +01:03,860
12. Jean-Eric Vergne (FRA) Toro Rosso +01:12,604
13. Valtteri Bottas (FIN) Williams +01:33,861
14. Pastor Maldonado (VEN) Williams +01:35,453
15. Jules Bianchi (FRA) Marussia +1 Runde
16. Charles Pic (FRA) Caterham +1 Runde
17. Max Chilton (GBR) Marussia +1 Runde
18. Giedo van der Garde (NED) Caterham +1 Runde

Ausgeschieden: Esteban Gutierrez (MEX) Sauber, Nico Rosberg (GER) Mercedes, Adrian Sutil (GER) Force India, Mark Webber (AUS) Red Bull

Schnellste Runde: Sebastian Vettel (GER) Red Bull 1:36,808 Min. in Runde 53 (202,710 km/h Schnitt)

Fahrerwertung (nach 3 von 19 Rennen)

Konstrukteurswertung (nach 3 von 19 Rennen)

Bilder vom China-GP

Die rote Gefahr meldet sich zurück

CHINA FORMULA ONE GRAND PRIX
Die rote Gefahr meldet sich zurück

CHINA FORMULA ONE GRAND PRIX
Die rote Gefahr meldet sich zurück

Second-placed Lotus Formula One driver Raikkonen c
Die rote Gefahr meldet sich zurück

Red Bull Formula One driver Webber's car is remove

Die Reise nach Schanghai hätte sich Mark Webber sparen können. Die Chronologie der Ereignisse:

Donnerstag Nach dem Streit mit Vettel in Malaysia reist Webber mit Kurzhaarschnitt nach China. Kaum angekommen, fliegen ihm die Worte um die freirasierten Ohren. Vettel: „Mark hätte den Sieg nicht verdient gehabt.“

Samstag Im Qualifying rollt Webber mit zu wenig Sprit aus und wird auf den letzten Startplatz strafversetzt.

Sonntag Der 36-jährige Australier zieht es vor, aus der Boxengasse zu starten. Die Aufholjagd wird in Runde 15 gebremst, als er mit Vergne (Toro Rosso) kollidiert. Zwei Runden später ist sein Rennen beendet: Der rechte Hinterreifen hat sich vom RB9 gelöst. Im Fahrerlager folgt dann die Hiobsbotschaft: Aufgrund der Kollision wird Webber in Bahrain drei Startplätze zurückgereiht. „Das komplettiert ein tolles Wochenende für mich“, sagt er.

Die rote Gefahr meldet sich zurück
Ein Pleiten-, Pech- und Pannenwochenende erlebte Webber in Schanghai.

GP-Siege - Ewige Bestenliste
1. Michael Schumacher (GER) 91 (1991-2012)
2. Alain Prost (FRA) 51 (1980-1993)
3. Ayrton Senna (BRA) 41 (1984-1994)
4. Nigel Mansell (GBR) 31 (1980-1995)
. Fernando Alonso (ESP) * 31 (2001- )
6. Jackie Stewart (GBR) 27 (1965-1973)
. Sebastian Vettel (GER) * 27 (2007- )
8. Niki Lauda (AUT) 25 (1971-1985)
. Jim Clark (GBR)) 25 (1960-1968)
10. Juan Manuel Fangio (ARG) 24 (1950-1958)
11. Nelson Piquet (BRA) 23 (1978-1991)
12. Damon Hill (GBR) 22 (1992-1999)
13. Lewis Hamilton (GBR) * 21 (2007- )
14. Mika Häkkinen (FIN) 20 (1991-2001)
. Kimi Räikkönen (FIN) * 20 (2001- )

Die schnell abbauenden Reifen stehen auch nach dem dritten Saisonrennen in der Kritik. Die Situation dürfte sich aber zumindest ab dem Europa-Auftakt Mitte Mai in Barcelona etwas entspannen. Ab dann will der Hersteller Pirelli haltbarere Pneus liefern, bestätigte Dreifach-Weltmeister Niki Lauda, der Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams. Mehr Reifendruck soll der Schlüssel dazu sein.

In Shanghai waren die ersten Piloten bereits nach vier Runden an die Box gekommen, weil die erstmals in dieser Saison eingesetzte weiche Mischung einfach nicht länger gehalten hätte. "Ob es wirklich notwendig ist, dass die Reifen so am Limit sind, dass sie gleich nach dem Start alle in die Box fahren müssen, das muss man sich schon überlegen", kritisierte Lauda. "Das ist kompliziert, auch für die Zuschauer."

Pirelli hat einen Plan

Abhilfe soll beim übernächsten Rennen in Spanien (12. Mai) geschaffen werden. "Es gibt einen Plan von Pirelli, den kenne ich", verriet Lauda, der auch als RTL-Experte tätig ist. Für den nächsten Grand Prix kommenden Sonntag in Bahrain komme die Änderung allerdings zu spät, weil der italienische Hersteller die Produktion bereits abgeschlossen hat. Lauda: "Aber ab Barcelona wird etwas mehr Luft in die Reifen gebracht."

Darauf hofft auch Weltmeister Sebastian Vettel, dessen Poker in Shanghai nicht aufgegangen ist. Der Deutsche hatte im Qualifying auf einen vorderen Startplatz verzichtet, um mit der härteren, weil haltbareren Reifenmischung ins Rennen gehen zu können. Trotz einer Aufholjagd im Finish reichte es nur zu Platz vier. "Das hat im Moment nicht viel mit Rennfahren zu tun, wenn man die ganze Zeit nur auf die Reifen achtgibt", kritisierte Vettel.

Im Rennverlauf etwa hatte der Red-Bull-Pilot zweimal den späteren Sieger Fernando Alonso passieren lassen müssen. "Da habe ich mich nicht einmal gewehrt, sonst hätte ich mir selbst ins Bein geschossen", meinte Vettel. Positionswechsel gibt es mittlerweile en masse, echte Zweikämpfe sind aber Mangelware. Zu wichtig ist es für die Piloten, ihre sensiblen Reifen nicht über Gebühr zu beanspruchen.

Dabei hatte der Auftrag an den Hersteller gelautet, die Rennen durch die neuen Pneus spannender zu machen. Laut Meinung vieler Beobachter sind sie aber höchstens unübersichtlicher geworden. Die Frage nach der aktuellen Hackordnung in der Königsklasse stellt sich daher für Vettel derzeit nicht. "Das Kräfteverhältnis ist im Moment ein Scherz", sagte der WM-Leader. Der Reifenlotterie sei Dank.

Die rote Gefahr meldet sich zurück

DEUTSCHLAND:

Bild: "War DAS wirklich nur Schlamperei? Nach Tank-Panne flog Vettel-Feind Webber auch noch der Reifen weg. (...) Alonso noch zehn Siege hinter Senna - Ferrari ist zurück im WM-Kampf!"

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Der Duft des Erfolgs. Es riecht weiter nach Ärger in der Formel 1 - und nach Gummi: Nicht nur Weltmeister Vettel schiebt Frust wegen der alles entscheidenden Reifenfrage. Konkurrent Alonso dominiert in Schanghai, weiß aber nicht genau, warum."

Hamburger Abendblatt: "Ferrari ist wieder da. Formel-1-Weltmeister Vettel hadert in Shanghai mit den Reifen und wird Vierter."

Stuttgarter Zeitung: "Alonso tut was für sein Ego - und siegt. Der Spanier setzt sich vor Räikkönen und Hamilton durch - während sich Vettel als Vierter ärgert."

Süddeutsche Zeitung: "Schwarzfahrer. Drittes Formel-1-Rennen, dritter Sieger: Eine perfekte Strategie bringt Fernando Alonso in Shanghai den Sieg. Titelverteidiger Sebastian Vettel wird lediglich Vierter und hadert mit den Reifen - 'man fährt im Dunkeln'.

Tagesspiegel: "Erfolgreicher Gummi-Manager. Fernando Alonso trifft die richtige Reifenwahl und gewinnt den Großen Preis von China - für Sebastian Vettel reicht es nur zu Platz vier."

ITALIEN:

La Gazzetta dello Sport: "Ein roter Stern über China. China ist Ferrari-Rot. Dieser Sieg zählt doppelt. Ein phänomenaler Alonso schlägt Räikkönen. Der Titel ist keine Utopie. Ferrari ist wieder einer der Großen. Red Bull ärgert sich über die Reifen."

Corriere dello Sport: "Alonso-Delirium! Ferrari triumphiert im Grand Prix von China und dominiert Räikkönen und Hamilton. Ein Beweis der Stärke in Shanghai."

Tuttosport: "Alonso dominiert in China."

Corriere dello Sport: "Dieser Sieg kam genau zur rechten Zeit."

La Repubblica: "Ein Traum-Ferrari dominiert mit Alonso."

La Stampa: "Ein Roter erobert China."

SPANIEN:

El Mundo Deportivo: "Alonso war nicht zu stoppen. Der Ferrari-Pilot hat vom Start bis zur Zieleinfahrt eine Lehrstunde gegeben."

As: "Alonso gewinnt und weckt Hoffnungen. Der große Sieg mit Ferrari erlaubt es, vom Titelgewinn zu träumen."

El Pais: "Alonso hat wieder ein Siegerauto."

Marca: "Alonso löst Euphorie aus."

El Mundo: "Alonso hat am Steuer seines vielversprechenden und wettbewerbsfähigen Boliden einen unanfechtbaren Sieg errungen. Er hat von Anfang bis Ende dominiert."

GROSSBRITANNIEN:

Daily Mail: "Alonsos Sieg rechtfertigte sicherlich die Theorie, dass er zu den klügsten Fahrern gehört, was die Umsetzung eines Plans angeht. Aber ob diese derzeitige Version der Formel 1 das ist, worum es in dem Sport wirklich geht, steht nun zur Debatte."

The Independent: "Fernando Alonso genießt einen Traumtag in Shanghai, während Sebastian Vettel Reifen-Ärger plagt."

The Guardian: "Das Rennen war ein Gummi-Fest. Und die Leute bezahlen nicht teure Tickets, um Reifenwechsel zu sehen."

The Daily Telegraph: "In seiner 13. Formel-1-Saison zementiert dieser komplexe Sohn Oviedos langsam seinen Status in der Ruhmeshalle des Sports - mit seinem 31. Sieg schloss er zu Nigel Mansell auf Platz vier in der ewigen Bestenliste auf. (...) Die Fahrer in China benötigten weniger ein Renn-Gehirn als einen erweiterten Chemie-Abschluss."

The Times: "Fernando Alonso hat China im Ferrari-Rot angemalt, aber Pink angelaufen vor Scham war die blamierte Formel 1. Sie musste erklären, weshalb Fahrer um Erlaubnis bitten mussten, in einem Event mitzufahren, das mehr mit chemischem Ingenieurswesen zu tun haben schien als mit Sport."

SCHWEIZ:

Blick: "Ferrari zieht Vettel die Gummi-Hosen aus. Vettel: Ein schlechter Sieger - und jetzt auch ein schlechter Verlierer?"

Neue Zürcher Zeitung: "Das Red-Bull-Team des deutschen Titelverteidigers kommt anscheinend nicht zur Ruhe... Und die gewagte Reifenstrategie des Weltmeisters, im Gegensatz zu den Favoriten mit harten Reifen zu beginnen und dann auf die weniger haltbaren weichen Pneus umzusteigen, ging ebenfalls nicht ganz auf."

Tages-Anzeiger: "Den Titelverteidiger treffen die Neuerungen am härtesten. Red Bull hat auch in diesem Jahr ein besonders schnelles Auto gebaut. Für einige Gummimischungen ist es offenbar sogar zu schnell."

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