Champagner, Chaos, Formel 1: Der wilde Lord Hesketh
Als das neue Formel-1-Team 1973 beim Grand Prix von Monaco erstmals auftauchte, hielten das viele für einen exzentrischen Witz. Der 22-jährige Teambesitzer Alexander Hesketh war ein übergewichtiger Lord, sein einziger Fahrer James Hunt hatte sich in der Formel 3 den Ruf eines Bruchpiloten erworben, das Auto war ein gebrauchter March.
Umso mondäner waren die Begleitumstände: Um seine Gäste vom Flughafen Nizza nach Monaco zu bringen, hatte der Lord einen luxuriösen Shuttledienst eingerichtet; neben einem Porsche Carrera RS und einem Rolls-Royce stand dafür auch ein Helikopter zur Verfügung.
Champagner auf Heskeths 50-Meter-Yacht
Hauptquartier war Hesketh’ 50-Meter-Yacht "Southern Breeze", in der Box servierte ein livrierter Butler Champagner und Schalentiere – und ja, auch leicht bekleidete junge Frauen waren anwesend, das war damals so in der Formel 1.
Die Racing-Snobs wurden belächelt. Aber dann machte Hunt in seinem ersten Grand Prix beinahe einen WM-Punkt; als er fünf Runden vor Schluss wegen eines Motordefekts ausschied, lag er auf Platz sechs. "Die Formel 1 ist wie eine ausgerauchte Flasche Champagner", erklärte Lord Hesketh. "Wir wollen sie kräftig durchschütteln."
Lord Hesketh (Mitte) und sein Fahrer James Hunt (re.) begrüßten in der Box immer wieder illustre Gäste wie Prinz Philip.
„Eine richtig nette Truppe“
"Alexander und seine Freunde machten Party, aber hinter den Rauchschwaden – und zugegeben, es war nicht immer ganz leicht, da durchzuschauen – war da ein sehr ernsthaftes und professionelles Team am Werken", sagte James Hunt rückblickend. "Es war einfach eine richtig nette Truppe, genau das Richtige für mich. Während des Rennens war ich voll konzentriert, da konnte ich das ausblenden. Aber nach dem Rennen habe ich dann gern mitgefeiert."
Hesketh-Teamchef Anthony "Bubbles" Horsley war Rennfahrer, Autohändler und Schauspieler – alles eher erfolglos –, als er auf einer Hochzeit Hesketh kennenlernte. Er hatte mitgekriegt, dass der Lord Geld hat, und wollte ihm einen Rolls-Royce verkaufen, doch daraus wurde nichts. „Es endete damit, dass ich ihm einen Mercedes abgekauft habe“, erinnerte sich Horsley. "Es stellte sich heraus, dass er erst 17 war und das Auto seiner Mutter gehörte. Seit damals sind wir befreundet."
Ein Formel-1-Team als Hobby
Das Team haben Hesketh und Horsley als "eine Art Hobby" gegründet. Sie fingen 1972 in der Formel 3 an und wechselten 1973 zunächst in die Formel 2. Aber nach zwei erfolglosen Rennen war der Lord so frustriert, dass er beschloss, es lieber gleich in der Formel 1 zu versuchen.
Ungewöhnlich an dem Team waren auch das Logo (ein süßer Teddybär mit Sturzhelm) und das extrem reduzierte Design des Rennwagens: weiß mit einem roten und einem blauen Streifen, keine Sponsorenlogos.
Die Farben standen für die chauvinistische Seite des Lords. "Ich glaube stark an diese Nation, daher haben wir die Farben des Union Jack gewählt." Sponsoren fand er unfein, "Sponsored by Hesketh Finance" stand auf dem Teamtransporter.
Das Design des Hesketh-Boliden war stark reduziert. Es gab keine Sponsoren-Logos und nur die Farben des Union Jack: Weiß, Rot, Blau.
Hunt nannte Hesketh gern "The Good Lord" (Lieber Gott), Hesketh rief Hunt "Superstar". Apropos: Auf der Rückseite von Overalls und Jacken seiner Teammitarbeiter standen ihre Spitznamen geschrieben, das hatte Hesketh sich vom American Football abgeschaut. Auf seinem Rücken stand "Le Patron".
Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Lords
Auf Easton Neston, dem prachtvollen "Country House" der Familie Hesketh in Northamptonshire (nicht weit von Silverstone), wurden Teile der Stallungen zur Werkstatt umgebaut. Der vom March-Team abgeworbene Konstrukteur Harvey Postlethwaite ("Sie haben mich betrunken gemacht") arbeitete dort am ersten originären Hesketh-Boliden. Der Hesketh 308 kam erstmals 1974 zum Einsatz, ein Jahr später, beim Grand Prix der Niederlande in Zandvoort, gelang der erste und einzige Sieg.
Aber die Tage von Hesketh Racing waren da schon gezählt. Der Lord steckte in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, er hatte den Heli und den Rolls verkauft und für das Team die Devise "Entertainment wird auf ein Minimum reduziert" ausgegeben. Shocking! Sogar einen Sponsor suchte Hesketh, so weit war es gekommen. Aber als sich bis zur dafür gesetzten Deadline – dem 14. November 1975 – keiner gemeldet hatte, verkündete der Lord am nächsten Tag seinen Rückzug aus der Formel 1.
Entgegen der von Lord Hesketh ausgegebenen Devise ("Bei uns wird nicht geheiratet") ehelichte James Hunt das Model Suzy Miller. Auf ihrem T-Shirt: das bärige Hesketh-Logo.
Hunt (gestorben 1993) wechselte zu McLaren und wurde 1976, nach einem filmreifen Duell mit Niki Lauda, Weltmeister. Postlethwaite (gestorben 1999) war danach Konstrukteur bei Wolf, Ferrari, Tyrrell und Honda. Hesketh (75) saß bis 1999 im House of Lords und ist heute leider Mitglied der rechtspopulistischen UK Independence Party. Horsley (82) führte das Team bis 1978 weiter, aber mit der Idee von Hesketh Racing hatte das nichts mehr zu tun.
Die Party war, nach nur zweieinhalb Jahren, vorbei. Höchste Zeit, dass die Formel 1 wieder einmal gründlich durchgeschüttelt wird.
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