Mathieu van der Poel: Ein Multi-Talent auf dem Rad
Diese Familienbande hat es in sich: Schon seit 1960 sorgen Raymond Poulidor und seine Nachfahren für Aufsehen im Radsport. Den Anfang hatte der Franzose mit Platz fünf bei der Straßen-WM 1960 gelegt, acht Mal landete er auf dem Podium der Tour de France, die er aber nie gewinnen konnte. Dafür tröstete er sich mit dem Gewinn der Vuelta a España 1964.
Dann übernahm Poulidors niederländischer Schwiegersohn Adrie van der Poel den Lenker, 1983 wurde er Vizeweltmeister im Straßenrennen, er krönte sich 1996 zum Querfeldein-Weltmeister und gewann auch diverse Klassiker, so etwa Lüttich–Bastogne–Lüttich, Flandern-Rundfahrt und Amstel Gold Race.
Und aktuell ist die nächste Generation am Werk: Mathieu van der Poel krönte sein starkes Frühjahr mit dem Sieg beim Pfeil von Brabant am Mittwoch, 34 Jahre, nachdem sein Vater Adrie dort gewonnen hatte. Selbstredend ist der 24-jährige Junior auch im Gelände stark (Querfeldein-Weltmeister 2015 und 2019 und Gewinner der Superprestige-Serie mit acht Siegen in acht Rennen), sein um drei Jahre älterer Bruder David kann da nicht mithalten, hat aber immerhin 2010 die Junioren-Wertung im Cyclocross-Weltcup geholt.
Hohe Ziele
Am kommenden Sonntag wird es für Mathieu van der Poel stressig, denn nach dem Amstel Gold Race steht für ihn – wieder – ein Radwechsel an: Danach wird sich der Tausendsassa auf die Mountainbike-Saison vorbereiten.
Zuvor aber gilt es für ihn, die Ruhe zu bewahren, denn schon wird ihm die Favoritenrolle zugeschoben. „Was die anderen sagen, ist mir eigentlich egal“, sagte Van der Poel nach seinem fünften Erfolg in dieser Straßen-Saison, „ich mache mir selbst schon genug Druck. Nur weil ich den Pfeil von Brabant gewonnen habe, heißt das noch lange nicht, dass ich auch das Amstel Gold Race gewinne.“
Wobei es schon beeindruckend war, wie er den Zielsprint einer Vierergruppe von vorne anzog und sich gegen Julian Alaphilippe, Tim Wellens und Michael Matthews durchsetzte. Speziell, wenn man berücksichtigt, dass Van der Poel beim zweitklassigen Rennstall Corendon–Circus sein Geld verdient und nicht wie die namhafte Konkurrenz bei Teams der ersten Kategorie. Doch wie lange noch? Zwar läuft sein Vertrag noch bis Ende 2022, aber schon hat Patrick Lefevere sein Interesse angemeldet, den 24-Jährigen zu Deceunick-Quick Step zu holen. „Er ist ein Siegertyp, er hat einen Killerinstinkt.“
Lefevere hatte schon Adrie van der Poel betreut. „Als Mathieu zehn Jahre alt war, hat sein Vater gesagt: Von dem Kleinen wird man in Zukunft noch einiges hören.“ Bis zu den Sommerspielen 2020 in Tokio will er dreigleisig fahren („Danach wird eine Disziplin wegfallen“), und die Straßen-WM Ende September in Yorkshire hat er auch in seinem Fahrplan. Und ein französisches Vorbild: 2015 war die Französin Pauline Ferrand-Prévot die erste Athletin, die auf der Straße, im Cross und auf dem Mountainbike gleichzeitig amtierende Weltmeisterin war.
Ester Ledecka hat es vorgemacht, und die Tschechin ist seit den olympischen Winterspielen 2018 eine lebende Legende: Auf Skiern holte sie in Südkorea Gold im Super-G, wenig später siegte sie auf dem Snowboard im Parallel-Riesenslalom. Im heurigen Weltcup-Winter war es für die 24-Jährige erwartungsgemäß etwas weniger leicht, auf die Snowboard-WM verzichtete sie zugunsten der Ski-WM in Åre, bestes Resultat dort war Platz 15 in der Abfahrt; zum Gewinn des Parallel-Weltcups auf dem Snowboard aber reichte es einmal mehr.
Zuletzt hat Ledecka in Frankreich (Ski-)Material getestet und bei einem Besuch am Schießstand auf einem Kirtag auch Können mit dem Luftgewehr bewiesen; obendrein hegte sie schon im vergangenen Jahr Gedanken an einen Start im olympischen Surfbewerb im kommenden Jahr in Tokio.
Von ausgetretenen Skipisten hatte auch Luc Alphand bald einmal genug: 1997 holte der Franzose den Gesamtweltcup, bis heute als Einziger, der das nur mit Starts in Speedrennen geschafft hat. 2005 wurde er im Auto Zweiter bei der Rallye Dakar, 2006 gewann der heute 53-Jährige das Rennen als erster Quereinsteiger. Ein folgender Ausflug ins Hochseesegeln blieb ein Hobby.
Überaus vielseitig ist auch Nasser Al-Attiyah aus Katar: 2011 und 2015 gewann er jeweils die Autowertung der Rallye Dakar; bei den Olympischen Spielen 2012 holte sich der heute 48-Jährige in London die Bronzemedaille im Skeet-Bewerb der Sportschützen.
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