Marathon im Big Apple: Lauf der Superlative
Das Wettrennen im Big Apple, der Lebenstraum vieler Läufer. Traditionell am ersten Sonntag im November startet auch heute (TV-Übertragung ab 15.15 Uhr MEZ/ live Eurosport) der New-York-Marathon auf Staten Island. Im Vorjahr erreichten 51.338 Läufer nach 42,195 Kilometern das Ziel im Central Park, 2,5 Millionen Zuschauer standen an der Strecke. Damit ist der Lauf der weltweit größte und beliebteste. Mit den Marathons von Boston, Chicago, London, Berlin und Tokio hat er sich zu den World Marathon Majors zusammengeschlossen.
"The Big Six" – wie sie genannt werden – zu finishen, ist der Traum vieler Hobbyathleten. Einer, der diesen Traum hat, ist Herbert Kapfinger. Vier davon hat der Niederösterreicher schon in den Beinen. Am 1. November 2015 lief er in New York. Es war sein erster Major. London und Tokio fehlen noch, um die heiß begehrte Six-Star-Finisher-Medaille zu bekommen. "Die Jagd nach dieser speziellen Finisher-Medaille ist die Karotte vor der Nase", sagt er.
Der Marathon findet heute trotz des Terroranschlags am Dienstag statt.
Acht Todesopfer forderte der Anschlag eines Usbeken mit einem Kleintransporter Anfang der Woche in New York. Das Rennen wird heute aber stattfinden, sagte Bürgermeister Bill de Blasio, es werde "zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen " geben. Sandgefüllte Lastwagen, Scharfschützen, bewaffnete Teams, Polizeihunde und Hubschrauber sollen die Sicherheit der Läufer garantieren.
Die Läufer werden bereits am Freitag vor dem Lauf wie Helden gefeiert.
Herbert Kapfinger ist mittlerweile sieben Marathons gelaufen, zuletzt im Oktober in Chicago. "Was New York von den anderen Marathons unterscheidet ist die Show rundherum", sagt er. So findet am Freitag vor dem Lauf die Opening Ceremony statt, die "Parade of the Nations". Dabei ziehen alle teilnehmenden Länder mit ihren Fahnen ein, ähnlich wie bei Olympischen Spielen. "Die Menschen freuen sich aufrichtig, dass du in ihre Stadt kommst, um ihren Lauf zu laufen. Jedes zweite Schaufenster begrüßt die Läufer, wildfremde Menschen klopfen dir auf die Schulter, Verkäufer wünschen dir Erfolg und können es eigentlich nicht glauben, wie man so eine Leistung überhaupt schaffen kann."
Die Startplätze sind sehr begehrt und werden teilweise verlost.
Bis zu 130.000 Menschen wollen Jahr für Jahr in New York laufen. Das Prozedere für die Vergabe der Startnummern ist wie bei allen Majors einzigartig – und kompliziert. Einen fixen Startplatz kann man über Agenturen in Verbindung mit einer gebuchten Reise erwerben oder durch einen hohen Spendenbetrag an wohltätige Organisationen zusätzlich zur Startgebühr von 358 Dollar (308 Euro). Fix starten dürfen u.a. auch ...
– Personen, die bestimmte (tief angesetzte) Zeitlimits unterschritten haben,
– Mitglieder der New York Road Runners, die bestimmte Kriterien erfüllen,
– Läufer, die schon 15 New-York-Marathons absolviert haben.
Die verbleibenden Startplätze werden über eine Lotterie verteilt. Ein Drittel dieser Plätze geht an den Großraum New York, ein Drittel in den Rest der USA, ein Drittel in den Rest der Welt.
Herbert Kapfinger ging den sicheren Weg über einen Reiseveranstalter. Rund 2500 Euro hat er für das Gesamtpaket bezahlt.
Persönliche Bestzeiten sind kaum zu erwarten.
Ein Weltrekord ist in New York nicht zu erzielen, allein schon deshalb, weil keine Pacemaker engagiert werden. Auch persönliche Bestzeiten sind schwer möglich auf der Strecke von Fort Wadsworth auf Staten Island über Brooklyn, Queens und die Bronx nach Manhattan. Denn die Strecke ist anspruchsvoll, immer wieder sind kleine Steigungen zu absolvieren.
Die Favoriten kommen aus Kenia.
Im Feld der Damen dürfte heuer Mary Keitany kaum zu schlagen sein. Die 35-jährige Kenianerin hat in New York bereits drei Mal gewonnen. Bei den Herren wurde kurzfristig Wilson Kipsang verpflichtet. Der Kenianer musste Ende September in Berlin nach 30 Kilometern aufgeben. Er hielt ein Jahr lang den Weltrekord, seine Marathon-Bestzeit steht bei 2:03:13.
Die Organisation ist nahezu perfekt.
12.000 Helfer arbeiten rund um das Rennen. "Die Organisation ist, wie in Amerika üblich, großartig", sagt Kapfinger. Allerdings sind die Teilnehmer sehr diszipliniert. "Solche Unsitten wie in Wien, sich einfach in einen vorderen Startblock zu stellen, gibt es nicht. Es ist aber erlaubt, nach hinten zu gehen." Standard sind zudem Security-Checks im Startbereich.
Die Anreise zum Start muss Monate vorher geplant werden.
Der Transport zum Startgelände wird vom Veranstalter des Marathons organisiert, Monate zuvor muss man sich für eine der beiden angebotenen Varianten anmelden. Entweder man entscheidet sich für eine Fähre von der Südspitze Manhattans, oder man nimmt einen der Busse. Egal, für welche Variante man sich entscheidet, die Läufer müssen früh aufstehen.
Schon drei bis vier Stunden vor dem Start sind die Läufer an der Strecke.
In Wien kann man zum Start bequem mit der U1 anreisen. Da die Busse in New York nur über jene Brücke auf die Insel kommen, über die dann auch der Marathon gelaufen wird, muss der letzte Bus um sieben Uhr auf der Insel sein, dann wird die Brücke gesperrt. "Es ist schon ein echtes Erlebnis, unter Polizeigeleit in der langen Kolonne der Busse durch die Stadt gelotst zu werden, die angeblich niemals schläft", schildert Kapfinger seine Erlebnisse.
Gestartet wird in vier Wellen mit 30 Minuten Abstand.
Die Zuteilung zur Startwelle erfolgt aufgrund der bisher gelaufenen Zeiten. Gestartet wird an der Verrazano Narrows Bridge, die Staten Island und Brooklyn verbindet. Diese wird auf beiden Ebenen überlaufen. Um 8.30 Uhr erfolgt der Start für die Rollstuhlfahrer. Um 9.20 Uhr wird die Frauenelite losgeschickt, und um 9.50 Uhr erfolgt schließlich der offizielle Startschuss für die Herren-Elite sowie alle Läufer der ersten Welle. Um elf Uhr startet die vierte und letzte Welle.
Die Stimmung ist großartig.
Es gibt an der Strecke nur zwei Stellen, an denen keine Zuschauer stehen: An der Verrazano Bridge und der Queensboro Bridge. "Die Menschen stehen da stundenlang, um wildfremden Läufern mit Schildern, Zurufen, Musik und allem, was Lärm macht, Motivation und Anfeuerung zu geben", sagt Kapfinger. Vergleichbar ist die Atmosphäre am ehesten noch mit dem letzten Kilometer beim Wien-Marathon am Ring.
Läufer mit körperlichen Handicaps sind dabei.
Nach den Rollstuhlfahrern um 8.30 starten um 8.52 Uhr die Handbiker und die anderen Athleten mit körperlichen Einschränkungen. "Was mich besonders beeindruckt hat, war die Vielzahl an Läufern mit verschiedensten körperlichen Behinderungen" erzählt Herbert Kapfinger. "Einen Mann zu überholen, der auf zwei Krücken die 42,2 km bewältigt, lehrt Demut und Hochachtung."
The day after: Jeder ist ein Held.
"Als wir am Montag nach dem Lauf im Central Park unterwegs waren, natürlich mit unserer Medaille um den Hals, ist uns eine Volksschulklasse mit ihrer Lehrerin begegnet. Die Lehrerin hat die Klasse angehalten und den Kindern erklärt: ,Schaut, Kinder: Das sind die Helden, die gestern den Marathon gelaufen sind.‘ So etwas merkt man sich ein Leben lang, das ist New York!"
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