4. 9. 1972: Alles war bei den ersten deutschen Olympischen Spielen der Nachkriegsgeschichte von Veranstalterseite her auf die erst 16-jährige Ulrike Meyfarth fokussiert. Sie brauchte erst anzulaufen, wenn es still war im Olympiastadion. Bei der Bulgarin Yordanka Blagojewa und Gusenbauer wurde weniger Rücksicht genommen. So forderte ein bayrischer Kampfrichter, während bereits die Fanfare für die Siegehrung eines Herrenbewerbs ertönte, die Wienerin energisch auf: „Madl, spring!“
Gusenbauer sprang (mit dem inzwischen längst aus der Mode gekommenen Wälzerstil) 1,88. So wie Blagojewa. Meyfarth katapultierte sich per Flop (= mit dem Rücken zur Latte) über 1,92 zu Gold. Trotzdem war im KURIER des 5. September ’72 Seite 1 für Ilonas Bronze reserviert.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem der Sport plötzlich zur beklemmenden Nebensache werden sollte. Wegen des palästinensischen Überfalles. Alle israelischen Geiseln tot!
Keine TV-Bilder
Ilona hörte um 4.55 Uhr früh Schüsse. Mitbekommen hat sie, obwohl vom Haus Connollystraße 31 (in dem Israels Team gewohnt hatte) nur 50 Meter entfernt gewesen, vom Terror weniger als TV-Zuschauer. „Weil wir in unserem Frauendorf keinen Fernseher hatten. So einen gab’s nur für die Männer.“
Die Olympiazweite Blagojewa fragte Ilona gar erst während der Trauerveranstaltung im Stadion, wo IOC-Präsident Avery Brundage die Worte „The Games must go on“ ins Mikrofon rief, was denn überhaupt passiert sei.
Wegen Knieproblemen machte Ilona Schluss mit der Leichtathletik. Körbe aber verteilte sie danach noch als Bundesliga-Basketballerin. Vielseitigkeit zeichnete sie auch abseits des Sports aus.
U.a. begann Gusenbauer zu malen. Etliche Werke waren in Vernissagen zu bewundern. Heute greift die mehrfache Omi nur noch auf Wunsch von Bekannten („Vor allem für Porträts“) zu Stift, Farbe und Pinsel. Wiederholt galt es zudem, gesundheitliche und familiäre Tiefschläge zu verkraften.
Umso mehr freut die Ex-Weltrekordlerin jetzt, dass Enkel Noah, gecoacht von Ilonas Ex-Trainer- Gatten Roland Gusenbauer, als spätberufenes Talent beachtliche Sprungkraft beweist. Vor allem aber, dass dessen Vater einen brutalen Überfall auf einer dem mittelamerikanischen Staat Belize zugeordneten Insel überlebte.
Rückkehr
„Sieben Kugeln stecken noch in seinem Körper“, weiß Ilona von ihrem Sohn Christian Gusenbauer (48), der inzwischen an die Stätte des Verbrechens zurückgekehrt ist. Die Täter wurden gefasst.
Christian „Gigi“ Gusenbauers Hund soll beim versuchten Raubmord das Ärgste verhindert haben. Näheres ist im Buch zu erfahren, das vom (schon vor dem Belize-Abenteuer schriftstellerisch tätig gewesenen) Opfer verfasst wurde. Titel: „21 Kugeln im Paradies“.
Das Buch-Cover grafisch gestaltet hat das einstige Wiener Cover-Girl der Pariser L’Equipe – die soeben 75 Jahre alt gewordene Oma Ilo.
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