Italienischer Heimsieg auf der 18. Etappe des Giro d'Italia
„Was ich immer gesagt habe: Das Rennen ist erst in Mailand zu Ende. Du kannst an einem Tag alles verlieren.“ Der kolumbianische Giro-Leader Egan Bernal vom Team Ineos kennt die Probleme des Radsports nur zu gut, und am Mittwoch waren sie abermals deutlich vor Augen geführt worden.
Der Belgier Remco Evenepoel, der in der ersten Woche des 104. Italien-Rundfahrt noch so stark unterwegs war, verzichtete nach seinem Sturz auf den Start am Donnerstag. Inzwischen war der 21-jährige Profi von Deceuninck-Quick Step bei seiner ersten Grand Tour von Platz zwei auf Platz 27 durchgereicht worden, erklärbar mit Pech, seinem Alter – und der schmerzhaften Vorgeschichte.
Im vergangenen Jahr war Evenepoel bei der Lombardei-Rundfahrt über ein Brückengeländer gestürzt und mit einem Beckenbruch liegen geblieben, der Giro war sein erster Einsatz seit dem 15. August.
Und auch Giulio Ciccone trat nach seinem Mittwoch-Crash nicht mehr zur 231-Kilometer-Marathon-Etappe von Rovereto nach Stradella an, der Italiener von Trek-Segafredo verabschiedete sich als Gesamtzehnter, am Mittwochmorgen war er noch Sechster. Zu schmerzhaften Prellungen war in der Nacht auch noch Fieber gekommen, das war zu viel für den 26-Jährigen.
Die Geschichte der langen Flachetappe am Donnerstag ist schnell erzählt: Nach rund 25 Kilometern formierte sich eine 23-köpfige Fluchtgruppe, die ihren Vorsprung auf mehr als 16 Minuten steigerte. Die Favoriten gönnten sich einen entspannten Tag und rollten am Ende mit mehr als 23 Minuten Rückstand auf die Schnellsten über die Ziellinie.
Späte Attacken
Eine Tempoverschärfung 30 Kilometer vor dem Ziel sprengte die Ausreißergruppe, 25 Kilometer vor Schluss ließ dann der französische Zeitfahrspezialist Rémi Cavagna seine verbliebenen Begleiter stehen und düste dem Ziel entgegen. Der erste Sieg von Deceuninck-Quick Step bei der 104. Auflage der Italien-Rundfahrt? Und der erste für das belgische Team beim Giro seit dem 24. Mai 2018, als der Deutsche Maximilian Schachmann die 18. Etappe gewonnen hatte?
Nein. Alberto Bettiol schaffte es, die Lücke zum bald ziemlich entkräfteten Cavagna noch einmal zu schließen – und den Franzosen sieben Kilometer vor dem Ende stehen zu lassen. Der 27-Jährige von EF-Nippo, 2019 Sieger der Flandern-Rundfahrt, gewann schließlich nach 5:14:43 Stunden mit 17 Sekunden Vorsprung auf seinen Landsmann Simone Consonni (Cofidis) und den Iren Nicholas Roche (DSM). Weitere sieben Sekunden später wurde Rémi Cavagna Neunter. "Für uns war es die vielleicht letzte Chance auf einen Etappensieg, also habe ich es versucht. Aber es war dann schon frustrierend", gestand Cavagna.
Und Alberto Bettiol hatte einfach nur jede Menge Freude mit diesem Tag. "Es war wirklich eine sehr harte Etappe, auch sehr warm im Vergleich zu den letzten kalten Tagen. Zum Glück hatte ich am Ende noch gute Beine, und ich habe wirklich Spaß gehabt. Dass ich Rémi noch erwischt habe, hätte ich mir nicht gedacht, er ist ja so stark. Aber ich habe im letzten Anstieg attackiert, und ich habe es geschafft. Ich widme das meinen Kollegen, meinen Freunden und meiner Familie."
Heißes Finale
Die letzten drei Tage werden noch einmal alle Reserven fordern: Am Freitag gibt es eine Bergankunft im Valsesia nahe der Schweizer Grenze, am Samstag geht es durch die Schweiz und am Ende hinauf ins italienische Madesimo. Und am Sonntag folgt das finale Einzelzeitfahren über 30,3 Kilometer in Mailand, diese Disziplin zählt nicht zu den größten Stärken des 24-jährigen Egan Bernal.
"Es war ein sehr langer Tag und sehr warm, endlich", sagte Bernal. "Ich hatte viel Zeit, um über die nächsten drei Etappen nachzudenken. Und ich habe lange mit Damiano Caruso gesprochen." Das mit guten Grund: "Wir beide kämpfen um den Sieg", 2:21 Minuten liegt der zweitplatzierte Italiener vom Team Bahrain hinter Bernal.
18. Etappe (Rovereto-Stradella, 231 km): 1. Bettiol (ITA) EF-Nippo 5:14:43, 2. Consonni (ITA) Cofidis +17, 3. Roche (IRE) DSM gleiche Zeit, 24. Ganna (ITA) +23:30, 29. Bernal (COL) beide Ineos,.33. Caruso (ITA) Bahrain, 38. S. Yates (GBR) Bike Exchange, 45. Wlasow (RUS) Astana, 52. Carthy (GBR) EF-Nippo, 98. Großschartner (AUT) Bora-hansgrohe, 140. Brändle (AUT) Israel alle gl. Zeit.
Gesamt: 1. Bernal 77:10:18, 2. Caruso +2:21, 3. S. Yates +3:23, 4. Wlasow +6:03, 5. Carthy +6:09, 58. Großschartner +2:03:51, 131. Brändle +3:58:00.
Kommentare