Im Auftrag des Diktators: Kim Jong-uns Schwester auf Charmeoffensive
Es ist fast 68 Jahre her, dass ein Mitglied der nordkoreanischen Diktatoren-Dynastie Kim zuletzt einen Fuß in die südkoreanische Hauptstadt gesetzt hat. An die Ankunft von Machthaber Kim Il-sung 1950 erinnert man sich in Seoul nur ungern – hatte doch der kommunistische Norden den Süden der Halbinsel kurz zuvor überfallen und Seoul erobert. Drei Jahre Krieg unter Beteiligung von USA, UNO, Russland und China waren die Folge.
Die Ankunft von Kim Il-sungs Enkelin Kim Yo-jong, der Tochter des 2011 verstorbenen Diktators Kim Jong-il, auf dem Flughafen Incheon nahe Seoul am Freitag wurde dagegen großteils positiv bewertet.
Ihre Teilnahme an der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele, bei denen Athleten aus den beiden Koreas gemeinsam einzogen, galt als Beweis der jüngsten, noch zaghaften Annäherung der so unterschiedlichen Bruderstaaten.
Rechtlich gesehen herrscht bis heute nur ein Waffenstillstand zwischen Nord und Süd, Frieden wurde nie geschlossen.
Schwarze Liste
Kim Yo-jong soll an die 30 Jahre alt sein, doch sie ist schon lange ein wichtiger Bestandteil der nordkoreanischen Führung, was ungewöhnlich für eine Frau ist. Als Büroleiterin ihres Bruders, des jetzigen Diktators Kim Jong-un, als Vize-Chefin der KP-Propagandaabteilung und als Mitglied des Politbüros gilt sie als wichtigste und einflussreichste Beraterin des Machthabers.
In den USA steht die junge Frau deshalb auf einer schwarzen Liste von Personen, deren Konten und Besitz im Land eingefroren werden und mit denen keine Geschäfte gemacht werden dürfen.
Politisches Talent
Kim Yo-Jong ist eines von drei Kindern aus der Ehe Kim Jong-ils mit Ko Yong-hui (Insgesamt hatte ihr Vater drei Söhne und zwei Töchter von drei Frauen, darunter der 2017 mutmaßlich vom nordkoreanischen Geheimdienst ermordete Kim Jong-nam).
Sie wuchs in Pjöngjang und in der Schweiz auf, wo sie gemeinsam mit ihrem Bruder von der Öffentlichkeit abgeschirmt eine Privatschule besuchte. Spätestens seit damals sollen sich die Geschwister sehr nahe stehen.
Bereits als Teenagerin wurde Kim Yo-Jong von ihrem Vater Kim Jong-il als politisches Talent bezeichnet und wohl auch militärisch geschult. Beobachtern zufolge war die junge Frau, die fließend französisch und englisch spricht, nach dem Tod des Diktators 2011 viel besser auf die Regierungsführung vorbereitet als ihr nur wenig älterer Bruder Kim Jong-un. Der heute 34-Jährige war erst 2009 zum „Thronfolger“ ernannt worden war. Bei der Beerdigung des Vaters trat sie erstmals öffentlich in Erscheinung.
Funkstille
Ob ihr jetziger Besuch in Südkorea mehr als nur symbolische Bedeutung hat, ist umstritten. Die einen sehen ihn als Beginn eines politischen Tauwetters, die anderen als reine Propagandamaßnahme, die den Norden im Konflikt um sein Atomwaffenprogramm in ein besseres Licht rücken soll.
Während es am Rande der Eröffnungszeremonie ein persönliches Treffen zwischen Kim Yo-jong und Südkoreas Staatschef Moon Jae-in gab, war ein Gespräch mit US-Vertretern nicht vorgesehen. Gelegenheit dazu hätte es dabei ausreichend gegeben: Bei der Eröffnungszeremonie saß US-Vizepräsident Mike Pence direkt vor Kim Yo-Jong.
Kommentare