Schrott: "Schneller heißt nicht gleich gedopt"

Beate Schrott erhielt am Dienstag mit drei Jahren Verspätung die EM-Bronzemedaille
Hürdensprinterin Beate Schrott, 27, über Betrügereien und ihr Leben zwischen Uni und Laufbahn.

Beate Schrott ist derzeit Österreichs beste und erfolgreichste Leichtathletin. Die Hürdensprinterin lief 2012 ins Olympia-Finale von London und ist auch eine Hoffnung für die Spiele in Rio 2016. Mit drei Jahren Verspätung bekam sie gestern in St. Pölten die Bronzemedaille für die EM 2012 überreicht. Die damalige Siegerin Nevin Yanit aus der Türkei wurde des Dopings überführt und nachträglich disqualifiziert.

KURIER: Frau Schrott, können Sie sich über diese Medaille freuen?

Beate Schrott: Ja, sehr. Es war damals sehr knapp, ich bin um eine Hundertstelsekunde an der Bronzemedaille vorbeigelaufen. Jetzt bin ich richtig glücklich. Das ist meine erste internationale Medaille.

Sie könnten der Gedopten böse sein: Weil sie betrogen hat, was für die Leichtathletik schlecht ist. Und weil sie Ihnen die Chance genommen hat, die Medaille bei der EM entgegenzunehmen. Wie ist ihre Gefühlslage?

Ich hege keinen Groll. Zwar habe ich die Siegerehrung im Stadion nicht miterleben dürfen und ich habe einen Verdienstentgang gehabt. Aber es überwiegt die Freude.

Haben Sie manchmal das Gefühl, dass bei einigen Kontrahentinnen nicht alles mit rechten Dingen zugehen kann?

Es gibt Leistungsentwicklungen, die stutzig machen. Die Türkin, die damals gewonnen hat, hat uns schon verwundert. Sie hat sich nach einer Verletzung innerhalb weniger Monate von 13,30 Sekunden auf 12,50 verbessert. Da haben wir schon darüber geredet, dass die nicht clean sein kann.

Gibt es diese Situationen öfter?

(überlegt lange) Ja. Es hat in der Türkei Leistungssprünge gegeben, vor allem bei den Mittelstreckenläufern, wo sich jeder gedacht hat: "Wie soll das gehen?"

Werden Sie als Athletin aus Mitteleuropa genauer kontrolliert als Läuferinnen aus dem Osten oder aus Asien?

Ja. Aber ich glaube nach wie vor, dass unter normalen Umständen viel möglich ist. Diese Einstellung taugt mir an meinen Trainingskollegen. Auf diesem Spitzenniveau sind sie noch mehr mit der Thematik konfrontiert. Nur wenn jemand schneller ist, heißt das nicht gleich, dass er gedopt ist. Der Glaube an den sauberen Sportler ist extrem wichtig.

Sie haben Ihren Lebensmittelpunkt in die Niederlande verlegt, wo Sie mit der Trainingsgruppe rund um Ihren neuen Coach Rana Reider trainieren. Weshalb?

Ich arbeite mit einem der besten Trainer der Welt, seine Athleten haben schon viele Medaillen gewonnen. Und ich trainiere in einer Gruppe mit starken Partnern. Zum Beispiel mit Tiffany Porter, einer der besten Hürdenläuferinnen der Welt, oder mit Christian Taylor, dem Olympiasieger im Dreisprung. Die Einstellung, die ich bei diesen Leuten sehe, bringt schon viel. Sie sind im Training richtige Tiere.

Auf den Punkt gebracht: Muss ein Leichtathlet Österreich verlassen, um in die Weltspitze zu kommen?

Nicht unbedingt. Ich habe mit meinem ehemaligen Trainer in Österreich auch sehr gut zusammengearbeitet. Aber die internationale Zusammenarbeit ist wichtig, denn man braucht das Know-how der Besten. Wer eigenbrötlerisch unterwegs ist, wird keine Chance haben.

Neben Ihrem Beruf als Spitzensportlerin studieren Sie Medizin. Wie geht sich das aus?

Relativ leicht. Man kann ja nicht den ganzen Tag trainieren – und ich brauche diesen Ausgleich unbedingt. Derzeit arbeite ich nur noch an der Diplomarbeit. Man kann mit einer anderen Einstellung in den Sport gehen, wenn man ein zweites Standbein hat. Das sieht man auch am Beispiel Amerika.

Sie kennen auch das College-System in den Vereinigten Staaten. Was läuft im Sport dort anders als bei uns?

In Österreich muss ich mein Training um die Vorlesungen herum legen. In den USA bekommt man einen Trainingsplan und hat daneben die Vorlesungen, viele davon auch online. Und zweitens ist die Dichte in Amerika viel höher. Bei uns gibt es Einzelkämpfer, dort ein funktionierendes System.

Was kostet Sie eine Saison – und wie wird sie finanziert?

Eine Saison kostet 60.000 Euro. Beim Projekt Rio bin ich im Hope-Kader, also in der zweiten Kategorie hinter dem Medaillenkader. Da habe ich für dieses Jahr 25.000 Euro zugesagt bekommen. Dann gibt es noch die Kaderförderung vom Leichtathletik-Verband. Den Rest muss ich über Sponsoren finanzieren. Das größte Glück habe ich mit der Firma Ströck, die mich seit Olympia 2012 begleitet. Ohne diesen Sponsor könnte ich nicht Profisportlerin sein. Ich kann meine Dankbarkeit kaum in Worte fassen.

Ihr Fokus liegt schon wieder auf Olympia?

Absolut. Zuerst geht es ins Trainingslager nach Südafrika, danach nach Florida. Dann geht Ende Jänner die Hallen-Saison los. Aber alles ist Richtung Olympia in Rio aufgebaut. Danach enden meine Pläne.

Das heißt, Ihr Leben ist derzeit auf einen 13-Sekunden-Lauf aufgebaut.

Ja. Oder besser gesagt: zwei Mal 13 Sekunden. Vorlauf und Semifinale.

Vielleicht auch ein olympisches Finale? Wie schon in London vor drei Jahren?

Mir hat die Weltmeisterschaft im August gezeigt, dass alles möglich ist. Alle drei Medaillen sind an Mädels gegangen, die man nicht zu den Favoritinnen gezählt hat. Wenn eine stürzt, eine andere einen Fehlstart macht, eine Dritte nicht den besten Tag erwischt, dann geht alles. Je länger ich beim Sport bin, desto mehr sehe ich, was alles möglich ist.

Kommentare