Hirscher scheitert, Slalom-Gold für Grange
Am Ende kam alles anders als gedacht: Marcel Hirscher, der einzige österreichische Titelverteidiger in einem Einzelbewerb der WM in Schladming, schied im zweiten Durchgang des Herren-Slaloms von Beaver Creek aus – und ließ dadurch den Weltmeister von 2011 jubeln. Der Franzose Jean-Baptiste Grange siegte in einem spannenden Bewerb vor den Deutschen Fritz Dopfer und Felix Neureuther.
Ein Steirer hatte für einen turbulenten ersten Durchgang gesorgt: Christian Mitter, der Technik-Trainer des norwegischen Teams, nutzte für seine Kurssetzung im ersten Lauf fast die gesamte Breite des Hanges aus – heraus kam ein extrem drehender Low-Speed-Kurs. Hinzu kam die Piste, rund zwei Drittel waren mit dem Sprühbalken bearbeitet worden, dadurch hatten die Fahrer Verhältnisse, bei denen „für jeden etwas dabei ist: oben eisig, unten aggressiv“, sagte Marcel Hirscher.
Der Salzburger, bei dieser WM schon mit Kombi- und Team-Gold sowie Riesenslalom-Silber dekoriert, gab mit Startnummer eins den Testpiloten und mühte sich danach, eine Wertung abzugeben: „Der Lauf war ganz schwer einzuordnen, aber ich glaube, es war ganz gut, die Zeit passt.“ Zum kräfteraubenden und auch langen Lauf (Hirscher brauchte 1:03,38 Minuten) kam die extreme Höhe, und nicht wenige sanken im Ziel komplett ausgelaugt in sich zusammen.
„Alle, die hier ankommen, sind blau“, sagte Hirscher, und WM-Debütant Michael Matt, 21, pflichtete bei: „Es war brutal anstrengend. Wenn sie im zweiten Durchgang noch einmal so einen Lauf setzen, muss ich zur Hälfte abschwingen.“
Eis, Kurs und Höhe sorgten dafür, dass nur der Sieger des Schladminger Nachtslaloms mit Hirscher Schritt halten konnte: Alexander Choroschilow, übrigens ein Freund der Familie Mitter, verlor 0,28 Sekunden, schon der drittplatzierte Schwede André Myhrer hatte mit 0,66 Sekunden einen kaum mehr aufzuholenden Rückstand.
Choroschilow war „natürlich sehr zufrieden, es war richtig schwierig, aber alle hatten die gleichen Verhältnisse.“ Und auch die Kurssetzung fand der ab heute 31-Jährige aus dem fernen Osten Russlands gar nicht so schlimm: „Es war schwierig gesteckt, aber dafür haben wir 45 Minuten Zeit, um zu besichtigen.“
„Eine Katastrophe“
Da wurden andere Köpfe schon mehr geschüttelt. Benjamin Raichs Erkenntnis aus der Rolle des Beobachters: „Zum Zuschauen ist das eine Katastrophe. Natürlich können wir alles fahren, aber für die Zuschauer soll ein Slalom doch auch schön sein.“
Und Mario Matt, bei den olympischen Winterspielen in Sotschi vor einem Jahr noch Profiteur einer ähnlich kuriosen Kurssetzung des Kroaten Ante Kostelic, ergänzte: „Es ist schade, dass die Trainer immer wieder meinen, bei Großereignissen etwas Besonderes machen zu müssen.“
Den Wunsch nach mehr Tempo im Finale erfüllte Stefano Costazza aus dem italienischen Skiteam (ein Cousin der Slalomfahrerin Chiara), im Schneetreiben waren die Athleten rund zehn Sekunden schneller unterwegs.
Michael Matt half das wenig, er schied nach Zwischenführung aus; Reinfried Herbst aber bestätigte sich selbst und kam vom 19. Zwischenrang noch auf Platz 12.
Der große Jubel aber, der gehörte am Ende Grange und dem deutschen Duo, das die WM seines Vorarlberger Cheftrainers Mathias Berthold rettete.
Jean-Baptiste Grange (FRA/Gold): "Es ist unglaublich für mich, ich hätte nie gedacht, hier gewinnen zu können. Ich habe viel gearbeitet in der letzten Woche. Es ist oft so, dass du nicht das beste Gefühl hast zwischen den Läufen. Am Start war ich relativ entspannt. Ich bin gefahren, wie ich fahren muss, um schnell zu sein. Dass alle noch hinter mich gefallen sind, hätte ich nicht geglaubt, es ist ein großes Geschenk für mein Bemühen."
Fritz Dopfer (GER/Silber): "Ich habe auf keinen Fall damit gerechnet, auch nicht vor dem heutigen Tag. Großer Dank an die medizinische Abteilung, vor einigen Wochen hätte ich mir nicht erträumen können, dass ich hier schmerzfrei stehen kann. Heruntenstehen und warten und zittern, dass kenne ich schon von Sotschi. Da bin ich schlussendlich Vierter geworden, ich habe gehofft, dass es kein Deja-vu gibt. Ich bin belohnt worden für die harte Arbeit."
Felix Neureuther (GER/Bronze): "Ich habe gewusst, dass noch alles drinnen ist. Wie ich ins Ziel gekommen bin, habe ich mir gedacht, dass es sich nicht ausgeht, wegen dem einen großen Fehler. Sicher ist die Medaille schön, aber man will nie gern von einem Fehler des Konkurrenten profitieren, sondern es normal gewinnen. Ich bin mir bewusst, dass es heute wieder ein vierter Platz werden hätte können. Marcel ist im Endeffekt ausgeschieden, das ist gut für mich, aber er hat auch schon einige Medaillen gewonnen, von dem her ist es schon okay. Es war sehr schwierig. Der erste Durchgang war ein unvorstellbares Gemurkse, gefühlt war der Zweite doppelt so schnell wie der erste. Ich habe probiert alles zu riskieren, das ist bis auf den einen Fehler voll aufgegangen."
Marcel Hirscher (AUT/ausgeschieden): "So ist es halt, schlussendlich hat sich das Podium noch stark gedreht. Am ersten Tag habe ich ein bisschen Glück gehabt in der Komi, auch die restlichen Rennen waren auch ein Traum, was soll es. Ich habe leider nichts mehr gesehen, aber so ist es. Sieg und Niederlage können oft zehn Tore getrennt sein, das ist das krasse am Sport, dass es schnell geht. Ich darf aber nicht sudern anfangen, ich habe drei Medaillen, zwei Goldene, eine Silberne, allgemein war es eine super WM."
Reinfried Herbst (AUT/12. Platz): "Der zweite Durchgang war sicher nicht schlecht, mir war es wichtig, dass ich eine saubere Fahrt habe, ohne Bock, das ist mir schon gelungen. Es war ein guter Lauf, ich wollte, dass es grün aufleuchtet, das war mein erstes Ziel. Es war okay. Das Empfinden von der Piste war sehr gut."
Michael Matt (AUT/ausgeschieden): "Ich habe probiert, voll zu riskieren, bis dahin (Anm.: Einfädler) ist es mir auch gut gelungen. Die Sicht war eigentlich super, es wäre noch viel drinnen gewesen. Die Top-15 wären sich leicht ausgegangen, es wäre von der Startliste her brutal wichtig gewesen. Der zweite Durchgang war viel angenehmer zu fahren."
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