Heute vor 35 Jahren: Als ein 17-Jähriger die Tenniswelt auf den Kopf stellte
„Urknall!“. „Staatsaffäre“. In Deutschland fanden die Medien neue Superlative, das ganze Land – und wahrscheinlich die ganze Tenniswelt – war aus dem Häuschen. Der 7. Juli 1985 ging auf jeden Fall in die Tennisgeschichte ein. Boris Becker, Rotschopf aus Leimen, bestieg den Tennis-Olymp, gewann mit 17 als bis heute jüngster Spieler Wimbledon. Vielleicht nicht ganz als Phoenix aus der Asche, weil er sein herausragendes Talent bereits zuvor angedeutet hatte, wie beim Turniersieg beim Vorbereitungsturnier im Queens Club – dennoch stellte „Bobbele“ die Welt spätestens mit seinem 6:3-6:7-7:6-6:4-Finalsieg über den favorisierten Südafrikaner Kevin Curren auf den Kopf.
„An diesem Tag waren Kräfte mit im Spiel, die darüber hinausgingen: Ein Instinkt, der mich im entscheidenden Moment das Richtige tun lässt. Ein Herz, das eine Niederlage nicht zulässt, obgleich ich nicht immer gewinnen kann. Und eine Seele, die unerschütterlich ist, auch wenn der Körper manchmal schwach ist“, erklärte Becker Jahre danach.
"Der siebzehnjährigste Leimener aller Zeiten"
Mit diesem Titel, dem ersten von insgesamt sechs Grand-Slam-Triumphen, hatten nicht einmal die kühnsten Optimisten gerechnet. Immerhin wurde die Setzliste von John McEnroe, dem überragenden Spieler damals, sowie Ivan Lendl und Jimmy Connors angeführt. Und Becker? Den suchte man vergeblich auf der Gesetztenliste.
Aber der „siebzehnjährigste Leimener aller Zeiten“ (Selbstdefinition von Becker) lachte von den Titelseiten der Sportblätter (und aus dem TV sowieso), auch weil er von Ion Tiriac perfekt vermarktet wurde. „Jede neue Freundin, jede Kleinigkeit, was er tat, wurde damals groß ausgeschlachtet“, erinnert sich der deutsche Journalist Jörg Allmeroth, der damals in Wimbledon mit von der Partie war. Schon vorher hatte es eine leichte Aufbruchstimmung gegeben. Aber seit Beckers Coup 1985 kamen natürlich noch mehr Sponsoren und viele Spieler sahen, was möglich ist.“
Nachwirkungen
Steffi Graf wurde bald darauf unumschränkte Herrscherin im Damen-Tennis, Michael Stich siegte 1991 in Wimbledon - ausgerechnet nach einem Finalsieg über Becker. Beckers Triumph hat nicht nur in Deutschland viel bewirkt. "Sein Erfolg war auch für Österreichs Tennis überaus vorteilhaft", erinnert sich Alexander Antonitsch, der damals 19 war.
Es wurde viel mehr über Tennis berichtet - vor allem im neu aufkommenden, privaten deutschen Satellitenfernsehen, erinnert sich der heutige Eurosport-Experte. Den "richtigen Boom" hätten der gleichaltrige Thomas Muster und Kollegen hierzulande ausgebaut. "Auch unser Daviscup-Team war wie jenes der Deutschen mitverantwortlich für das neue Tennisgefühl."
Leben danach
Becker, schon bald auch als Bum-Bum-Boris (oder Boom-Boris) bezeichnet, stand auch für ein neues Tennis. Aufschlag-Volley-Spieler hatte es zwar damals schon gegeben, "aber Becker spielte auch kraftvolles Grundlinien-Tennis und strotzte vor ungemeinem Selbstvertrauen. Das hatte mir schon zuvor imponiert, ich kannte ihn schon von einigen Turnieren", sagt der Kärntner. Becker, auch Bobbele genannt, war damals ein Held und ist es bis heute geblieben.
Auch heute füllt er die Gazetten, mal durch Scheidungen, mal durch Insolvenzen, aber auch durch positive Dinge. Der heute 52-Jährige brilliert auf Eurosport mit enormem Fachwissen und sprang zwischenzeitlich auch als Trainer des Serben Novak Djokovic ein.
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